Deutschlands Gründerquote ist laut des Global Entrepreneurship Monitors (GEM) 2018/2019 zwar nach wie vor nicht die Beste, aber der soziale Status von Selbstständigen steigt stetig. In Sachen gesellschaftlicher Anerkennung und Respekt gegenüber erfolgreichen Gründern, rangiert Deutschland im europäischen Vergleich auf Platz Sechs. Die Erhebung und Analyse der deutschen Daten geschieht durch das Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie der Leibniz Universität Hannover in Kooperation mit dem RKW Kompetenzzentrum in Eschborn.
Selbständig zu sein gewinnt in Deutschland an sozialem Status
Eschborn 26. September 2019: Drei Viertel der befragten 18 bis 64-Jährigen sind der Meinung, dass „erfolgreiche Gründer Respekt und hohes Ansehen in Deutschland genießen“. Dieses Ergebnis entwickelte sich seit den letzten 10 Jahren auf einem konstanten Niveau in Deutschland. 2017 hat Deutschland hier mit 78 Prozent den zweithöchsten Wert im Vergleich zu anderen europäischen GEM-Ländern erreicht. Obwohl dieser Wert 2018 um drei Prozentpunkte gesunken ist, lag Deutschland immer noch auf dem sechsten Platz in Europa.
Den höchsten sozialen Status haben Gründer in Irland im Vergleich zu anderen europäischen GEM-Ländern. Hier schätzen 84 Prozent der Bürger den gesellschaftlichen Status von erfolgreichen Gründern als hoch ein. Die Top Sechs komplettieren Großbritannien (76 Prozent), Polen (76 Prozent) Slowenien (76 Prozent) und Österreich (75 Prozent).
Unternehmensgründung in Deutschland - ein erstrebenswerter Karrierepfad?
Eine andere wichtige Fragestellung im GEM zur Einschätzung des Images von Entrepreneurship in der öffentlichen Wahrnehmung lautet: „In Deutschland wird die Gründung eines neuen Unternehmens von den meisten Menschen als attraktive berufliche Perspektive angesehen“. Knapp die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland sieht in der Unternehmensgründung einen guten Karriereschritt. Dieser Wert hat sich in den letzten 10 Jahren kaum geändert und lag auf einem stabilen Niveau zwischen 50 Prozent und 55 Prozent. Im Vergleich zu anderen europäischen GEM-Ländern belegt Deutschland lediglich den 13ten Platz.
Studien weisen darauf hin, dass der Wunsch nach der Gründung eines eigenen Unternehmens tendenziell zurückgeht. Attraktive Arbeitsmarktchancen, die alternde Bevölkerung und hohe Opportunitätskosten der Gründung sind nur einige Gründe warum so wenig Menschen ihr eigener Chef sein möchten. Interessant zu beobachten ist allerdings, dass in Deutschland erstmals seit Beginn der GEM-Datenreihen im Jahre 1999 die höchste Total early-stage Entrepreneurial Activity (TEA)-Quote (Prozentanteil derjenigen 18 bis 64-Jährigen, die während der letzten 3,5 Jahre ein Unternehmen gegründet haben und/oder gerade dabei sind, ein Unternehmen zu gründen) nicht bei den 35 bis 44-Jährigen, sondern bei der Altersgruppe der 25 bis 34-Jährigen mit 6,6 Prozent zu finden ist. Deswegen ist die frühzeitige Förderung eines unternehmerischen Denkens und Unternehmertums im Zuge der schulischen Ausbildung von hoher Relevanz, damit der Mut zur Selbständigkeit stärker honoriert wird.
Der internationale Vergleich zeigt, dass in Polen mit 86 Prozent gefolgt von den Niederlanden mit 82 Prozent der Anteil der Befragten die das „Gründen als eine attraktive Karriereoption“ bewerten, am höchsten ist.
Einfluss der Medienresonanz auf Unternehmensgründungen in Deutschland
Eine weitere untersuchte Einflussgröße, die sich auf das Image zum Unternehmertum im GEM-Bericht bezieht, umfasst die Medienaufmerksamkeit. Hier sind knapp 51 Prozent der Befragten der Meinung, dass man in Deutschland häufig Berichte über erfolgreiche neue Unternehmen in den gängigen Medien findet. Insbesondere für potenzielle Gründer können solche Berichte von großer Relevanz sein und zur Gründung eines eigenen Unternehmens motivieren.
Dieser Wert hat sich in den letzten zehn Jahren in Deutschland kaum geändert. Im internationalen Vergleich ist der Anteil der Befragten, welche die mediale Berichterstattung positiv bewerten, in Slowenien (77 Prozent) und Irland (73 Prozent) am höchsten. Dagegen wird in der Schweiz (47 Prozent), Spanien (49 Prozent) oder Polen (46 Prozent) die Berichterstattung über Gründungen und Entrepreneurship deutlich schlechter bewertet.
Dr. Natalia Gorynia-Pfeffer, Projektleiterin des RKW Kompetenzzentrums, kommentiert die Studienergebnisse:
Das Image von Gründerinnen und Gründern wird überwiegend positiv bewertet, für viele Menschen ist die Option einer Unternehmensgründung trotzdem nicht attraktiv genug. Zu viel Bürokratie etwa bei der Gewerbeanmeldung, bei steuerlichen Aspekten und Förderanträgen, wirken als Hürden auf dem Weg in die Selbständigkeit. Die GEM-Zahlen zeigen seit Jahren, dass der Anteil der Menschen, die dabei sind eine Gründung vorzubereiten höher ist, als die Quote der tatsächlichen Gründungen. Es bleiben somit viele Interessierte auf dem Weg zum eigenen Unternehmen auf der Strecke. Hier gilt es Ökosysteme für Gründungen so weiterzuentwickeln, dass ein reibungsloser Start und einen schneller Zugriff auf Unterstützungsprogramme ermöglicht werden. Neben der digitalen Gewerbeanmeldung mit wenigen Klicks gehören hierzu auch Erleichterungen bei den steuerlichen Pflichten für Gründungen.
Der GEM Länderbericht Deutschland 2018/2019 steht unter www.rkw.link/gem2019 zum Download oder zur kostenfreien Bestellung als Printexemplar zur Verfügung. Sämtliche GEM-Länderberichte Deutschland seit 1999 stehen unter www.wigeo.uni-hannover.de/gem.html als Download zur Verfügung.
Über das RKW Kompetenzzentrum:
Das RKW Kompetenzzentrum unterstützt kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland dabei, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und zu halten. In der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Politik und Wirtschaft werden praxisnahe Empfehlungen und Lösungen zu den Themen Fachkräftesicherung, Gründung, Innovation und Unternehmensentwicklung entwickelt. Das RKW Kompetenzzentrum ist eine bundesweit aktive, gemeinnützige Einrichtung des RKW Rationalisierungs- und Innovationszentrums der Deutschen Wirtschaft e. V.
Über das Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie der Leibniz Universität Hannover:
In diesem Universitätsinstitut arbeiten aktuell vier ProfessorInnen und gut ein Dutzend weitere WissenschaftlerInnen. Seit 2005 ist das Institut die Heimat des deutschen GEM-Länderteams, geleitet von Prof. Rolf Sternberg, der dieses Projekt zuvor während seiner Zeit an der Universität zu Köln gegründet hatte. Zu den Forschungsschwerpunkten des Instituts für Wirtschafts- und Kulturgeographie zählen die wirtschaftsräumlichen Implikationen des Gründungsgeschehens, die von diversen Teams in mehreren drittmittelfinanzierten Forschungsprojekten untersucht werden. Der GEM ist eines dieser Projekte.
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