Der Global Entrepreneurship Monitor (GEM) untersucht und vergleicht die Gründungsaktivitäten in Deutschland und mehr als 50 weiteren Ländern. Die Datenerhebung und -analyse erfolgen durch die Leibniz Universität Hannover in Kooperation mit dem RKW Kompetenzzentrum. Auch das Gründungsverhalten von Menschen mit Migrationshintergrund steht dabei im Fokus.
Die Daten des GEM zeigen, dass Gründungen durch Migranten einen wichtigen Beitrag zum Gründungsgeschehen in Deutschland leisten. Migranten im Sinne dieser Untersuchung sind Personen, die angeben, nicht in dem jeweiligen Land, in dem die Befragung durchgeführt wurde, geboren zu sein. 2018 lag die Gründungsquote von Migranten (4,4 Prozent der 18 bis 64 jährigen Migranten) erstmals seit 2010 unter dem Referenzwert der Nicht-Migranten in Deutschland (4,8 Prozent). Sollte dieser Wert in den nächsten Jahren nicht wieder ansteigen, wird sich das gesamte Gründungsniveau in Deutschland voraussichtlich weiter abschwächen. Denn die GEM-Daten zeigen auch: Länder, die durch Einwanderung geprägt sind, weisen überdurchschnittliche Gründungsquoten auf. Migranten sind eine wichtige und zukünftig potentiell noch wichtiger werdende Quelle von Gründerinnen und Gründern.
Die aktuellen Daten des GEM zeigen, dass in den USA die Gründungsquote (Anteil der Gründenden bzw. Gründer an allen 18 bis 64 Jährigen) insgesamt in den letzten Jahren zwischen 10 und 15 Prozent lag, in Kanada erreichte der Wert zuletzt fast 20 Prozent, in Chile sogar 25 Prozent. Zum Vergleich: Die Gründungsquote in Deutschland betrug 2018 knapp 5 Prozent. Ein wichtiger Faktor sind hierbei Gründungen durch Migranten.
Das Thema Zuwanderung erfährt in Deutschland eine große Aufmerksamkeit. Die Debatten sind in Deutschland allerdings ungerechtfertigt häufig von Skepsis geprägt, anstatt die Chancen hervorzuheben: Unter den Migranten sind nicht nur viele Fachkräfte, sondern auch viele Gründerinnen und Gründer. Aus Sicht von Migranten bietet eine eigene unternehmerische Tätigkeit Aussicht auf ökonomischen Erfolg, Anerkennung und somit Integration. Die Gründungsneigung von Migranten ist deshalb häufig höher als die der einheimischen Bevölkerung, ähnlich wie in anderen Ländern auch.
Dies zeigt sich sowohl in der Spitze aber auch in der Breite. Beispielsweise sind viele Gründer erfolgreicher Technologieunternehmen aus dem Silicon Valley, wie Google, Tesla oder eBay, nicht in den USA geboren. Die USA, aber auch Kanada, galten in den letzten Jahrzehnten als sehr einwanderungsfreundliche Länder, die die Zuwanderung als ökonomische Chance begriffen und das wirtschaftliche Potenzial von Migranten erkannt haben. Betrachtet man das Gründungsgeschehen im internationalen Vergleich, so fällt auf, dass die Gründungsaktivitäten in Ländern, die eine gelebte Einwanderungskultur aufweisen, überdurchschnittlich hoch sind.
Trendwende bei Gründungen durch Migranten?
Auch in Deutschland zeigt sich der positive Einfluss von Migranten auf das Gründungsgeschehen, jedoch auf einem international eher niedrigen Niveau. Seit 2010 werden Informationen zu Gründungen durch Migranten im deutschen GEM-Bericht erfasst. Der Mittelwert dieser Gründungsquote lag bis einschließlich 2017 immer erkennbar über dem der Nicht-Migranten; teils waren die Unterschiede auch statistisch signifikant. In 2018 war die Gründungsquote der Migranten (4,4 Prozent) erstmals niedriger als die der einheimischen Bevölkerung (4,8 Prozent). Die Gründungsquote der Migranten war seit 2010 noch nie so niedrig wie 2018. Der Rückgang der Gründungsquote von Migranten ist einerseits vorsichtig zu interpretieren (er kann Effekt der günstigen Konjunktur sein), andererseits aber auch ein Warnsignal. Ohne Gründungen durch Menschen aus dem Ausland könnte das gesamte Gründungsniveau in Deutschland weiter sinken. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob es sich um einen Trend oder um eine zufällige Schwankung handelt.
Heterogene Herkunftsländer, höherer Frauenanteil und überwiegend Chancengründungen
Die Herkunftsländer der bei Gründungen in Deutschland involvierten Migranten sind recht heterogen. Dabei stellen Migranten aus Polen und der Türkei den größten Anteil an Gründern, die übrigen Gründungen verteilen sich auf Migranten aus vielen verschiedenen Ländern. Weniger als die Hälfte der gründenden Migranten stammen aus dem EU-Ausland. Das Geschlechterverhältnis ist dabei fast ausgeglichen, wobei Frauen mit 55 Prozent etwas häufiger gründen als Männer (anders als bei Nicht-Migranten, unter denen Männer überwiegen). Bei den Motiven zeigt sich, dass etwa 70 Prozent der Migranten in Deutschland ein Unternehmen gründen, um eine Geschäftsidee zu realisieren – und nicht aus Mangel an Erwerbsalternativen. Bei Einheimischen liegt dieser Wert bei über 80 Prozent.
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