Erst Auszubildende, dann Ausbilderin und jetzt Coach: Lisa Kurzenberger kennt alle Perspektiven einer Ausbildung. Ihr oberstes Credo lautet daher: „Ausbilden funktioniert nur mit Engagement und Wertschätzung“. Wir haben mit der 35-jährigen darüber gesprochen, wie Azubis über die komplette Ausbildungszeit motiviert bleiben und warum Zeit ein wichtiger Faktor während der Ausbildung spielt.
Lisa, ca. ein Viertel aller Ausbildungsverträge wurden 2021 vorzeitig gelöst. Spiegelt das auch deine Erfahrung wieder, die du in den letzten Jahren mit Azubis gemacht hast?
Ich habe häufig erlebt, dass viele Azubis ihre Ausbildung zwar bis zum Ende durchziehen, danach aber das Unternehmen verlassen.
Woran könnte das liegen?
Viele wollen sich weiterbilden und gehen dann beispielsweise für den Fachwirt an die Uni. Damit die ausgelernten Mitarbeitenden auch nach der Ausbildung im Betrieb bleiben, wäre es natürlich besser, wenn die Azubis, wie in diesem Fall, eine berufsbegleitende Weiterbildung angeboten bekommen würden.
Warum flacht die Motivationskurve bei den Unternehmen überhaupt ab?
Viele Unternehmen präsentieren sich super nach außen, die ersten Wochen sind gut, dann flacht die Motivation bei beiden Seiten ab. Einige Betriebe wollen die Mitarbeitenden auch nach der Ausbildung übernehmen, bemerken dann aber kurz vor Ausbildungsende, dass es doch keine freien Stellen gibt. Natürlich gibt es auch Azubis, die einfach etwas neues Kennenlernen wollen und deshalb den Betrieb wechseln.
Würde das im Umkehrschluss heißen, dass Azubis bei kleineren Betrieben prinzipiell motivierter sind, weil die Ausbildenden näher an den Azubis dran sind und in der Regel keine Managementstrukturen existieren?
Das kann man so pauschal gar nicht beantworten. Es hängt stark von der Einstellung des Unternehmens ab. Betriebe sollten sich folgende Fragen stellen: Was will ich? Wie will ich mich gegenüber dem Fachkräftemangel positionieren und welche Wertschätzung bringe ich den jungen Fachkräften entgegen?
Welche Maßnahmen kannst du empfehlen, damit Azubis motiviert bleiben?
Erstens ist es wichtig, sich als Unternehmen zu „committen“: Wie wichtig ist uns die Ausbildung? Denn auszubilden ohne Commitment ist anstrengend für alle Beteiligten, weil man sonst das Gefühl hat, dass es nicht wertschätzend ist, was die Azubis machen.
Zweitens: Um Azubis motiviert zu halten, ist es meiner Erfahrung nach wichtig, den Azubis auf Augenhöhe zu begegnen. Wer den Azubi als vollwertigen Mitarbeitenden und Menschen sieht, der im Betrieb ist, um etwas zu lernen – dann ist das schon die halbe Miete, um die Azubis gut durch die Ausbildung zu bringen.
Außerdem spielt das Thema Mindset auf beiden Seiten eine wichtige Rolle – bei Ausbildenden als auch bei Azubis. Was habe ich für eine Haltung gegenüber meinen Azubis? Wie sehe ich meinen Azubi? Und umgekehrt: Wie will der Azubi wahrgenommen werden?
Du hast bisher einige wertvolle Tipps genannt, was Ausbildende alle tun können, damit ihre Azubis motiviert bleiben. Wie hast du denn selbst als Ausbilderin deine Azubis motiviert durch die Ausbildung geführt?
Im Rahmen der Onboarding-Woche habe ich mit den Azubis zunächst die Erwartungshaltungen abgeklärt. Einer meiner ersten Fragen lauteten: Was erwartest du von uns? Was erwarten wir von dir? Die Ergebnisse haben wir gemeinsam auf einem Flipchart festgehalten. Das hat mir die Arbeit wirklich sehr erleichtert. Dieses Prinzip haben wir bei jedem Abteilungswechsel wiederholt. Durch die Zielsetzungen sind die Azubis immer aufgeblüht und hatten somit auch Spaß bei der Arbeit.
Wichtig war mir aber auch, sich Zeit für die Ausbildung zu nehmen, weil oftmals Tätigkeiten vorausgesetzt werden, die die jungen Menschen überhaupt noch nicht können. Beispielsweise musste ich oft Word, Excel oder Outlook erklären und dass, obwohl die Jugendlichen heute digital aufwachsen. Als Ausbildender sollte man sich immer wieder vor Augen halten und bewusst werden, dass diese jungen Menschen eben nicht wie man selbst schon einige Jahre oder Jahrzehnte mehr Berufserfahrung hat und deshalb nicht alles voraussetzen.
Vielen Dank für das Interview, Lisa!
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