Veränderung – oder Neudeutsch „Transformation“ ist essentiell für Unternehmen und Mitarbeitende. Allerdings werden die Veränderungen immer vielfältiger und passieren schneller: Digitalisierung, demographische Entwicklung, Klimawandel, geopolitische Verschiebungen, etc.  Unternehmen und Mitarbeitende müssen sich an immer mehr Neues anpassen. In vielen unserer Projekte erleben wir, dass die Angst vor dem Neuen und die Unwilligkeit sich anzupassen, ein großes Thema in den Unternehmen ist. Ort wird neuen Ideen mit Skepsis begegnet. Warum ist das so?  Und: ist das überall auf der Welt gleich?

Das Gehirn liebt Routinen und spart Energie

Die Antwort ist ganz einfach: Unser Gehirn liebt Routinen. Denn ohne Gewohnheiten wäre es überfordert. Müsste unser Gehirn alle Entscheidungen – wie drehe ich die Zahnpastatube auf – nach links oder rechts? Was kommt beim Autofahren zuerst, schalten, kuppeln oder bremsen? wäre es mit all den Denkleistungen überfordert. Glücklicherweise nehmen Routinen dem Gehirn bis zu 50 Prozent der Entscheidungen am Tag abn. Denn damit spart es Energie und diese benötigen wir dringend in Stresssituationen. Manche Menschen haben gewisse Routinen perfektioniert: Mark Zuckerberg beispielsweise besitzt so viele gleiche T-Shirts – ähnlich übrigens wie Steve Jobs Rollis – weil er sich damit unnötige Entscheidungen spart. Er konzentriert sich auf die wichtigen Entscheidungen statt morgens darüber nachzudenken, ob er lieber das grüne oder rote T-Shirt anzieht.   

Neues ist bedrohlich – aber auch Persönlichkeitsmerkmale entscheiden

Ein weiterer Faktor, warum Veränderungen oft schwerfallen: Vertraute Wege entsprechen unserm Grundbedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle. Oder wie oft ändern Sie Ihren Weg zur Arbeit? Neues und Unbekanntes hat immer etwas Unkalkulierbares in sich. Es bedroht das Sicherheitsgefühl und will aktiv bewältigt werden. Daher ist es negativ mit dem Gefühl von Bedrohung besetzt.

Abgesehen von diesen allgemeinen Voraussetzungen unseres Gehirns gibt es natürlich auch persönliche. Denn Veränderungsbereitschaft ist zum einen in der Persönlichkeit angelegt, zum anderen wird sie durch Erfahrungen geprägt. Entsprechend ist es entscheidend wichtig, wie ein Mensch Erlebnisse von Scheitern erfährt und bewältigt hat. Nur wenn das Erleben positiv war, bleibt die Veränderungsbereitschaft gleich oder steigt sogar.

Aber welche persönlichen Eigenschaften zeigen veränderungswillige Menschen? Studien belegen, dass Menschen die offen für neue Erfahrungen sind, weltoffen, kontaktfreudig, und wissensdurstig eher veränderungsbereit sind. Darüber ob sich die Veränderungsbereitschaft im Alter ändert, ist sich die Wissenschaft hingegen noch nicht ganz einig.

„Heisse“ und „kalte“ Kulturen

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Kultur, in der man lebt. Denn die Veränderungsbereitschaft hängt nicht nur mit den oben genannten Punkten zusammen, sondern auch mit dem Reifegrad einer Gesellschaft oder Unternehmenskultur. Bereits in den 1960er-Jahren führte der französische Ethnologe Claude Lévi-Strauss die Unterscheidung zwischen „kalten“ und „heißen“ Kulturen ein. Seiner These nach sind „heiße“ Gesellschaften durch ein tiefgreifendes Bedürfnis nach Wandel gekennzeichnet, weil dies ihnen Fortschritt und ein besseres Leben verspricht. Sie zeigen eine hohe Flexibilität in neuen Situationen. In „heißen“ Gesellschaften ist der Anteil junger, ambitionierter Menschen sehr hoch. Sie haben nichts zu verlieren und können eine Menge gewinnen. Umso größer sind Tatkraft, Leidenschaft und Motivation.

Deutschland ist eine „kalte Gesellschaft“

„Kalte Gesellschaften“ sind hingegen Bestandsbewahrer. Sie haben bereits viel erreicht und deshalb viel zu verlieren. Entsprechend klammern sie sich an Altbewährtes und hüten ihren Bestand. Solche Gesellschaften sind satt und behäbig. Sie bewegen sich kaum voran. Neues macht ihnen Angst. Je kälter eine Gesellschaft, desto ausgeprägter ist ihr Bestreben, ihre traditionellen Kulturmerkmale möglichst unverändert zu bewahren. Kein Wunder, dass „heiße“ Gesellschaften oft an „kalten“ vorbeiziehen. Nicht schwer zu erraten, wo Deutschland hier einzuordnen ist, oder?  

Welches Land ist am veränderungsbereitesten?

Aber welches Land bzw. welche Bevölkerung ist am veränderungsbereitesten?  Leider scheint es keine Studie zu geben, welche die Veränderungsbereitschaft in verschiedenen Ländern misst. Dafür hat das PEW Research Center in den USA einige sehr interessante Daten zusammengetragen. PEW hat Menschen in 19 fortgeschrittenen Volkwirtschaften gefragt, ob sie glauben, dass es ihrem Land in Zukunft besser gehen wird, wenn es an seinen Traditionen und seiner Lebensweise festhält, oder ob es bereit ist, diese zu verändern.

Das Ergebnis zeigt: In vielen der 19 Länder untersuchten Ländern begrüßen die Menschen den Wandel. Im Durchschnitt sagten 62 Prozent der Erwachsenen, dass es ihrem Land besser gehen wird, wenn es offen für Veränderungen ist. Die Menschen in der asiatisch-pazifischen Region sehen mit Abstand den größten Vorteil in der Offenheit für Veränderungen. In Südkorea gibt es mit 77 Prozent die allerhöchsten Zustimmungswerte, gefolgt von Singapur mit 73 Prozent und Australien mit 71 Prozent. Kein Wunder, Südkorea hat sich in den vergangenen Dekaden von einem der ärmsten Länder der Welt zu einem wirtschaftlichen Schwergewicht entwickelt. Es war in den letzten Jahrzehnten ein Ort ständiger Veränderung und die Menschen sind daran gewöhnt.

Europäer sind durchaus offen für Veränderungen – außer ideologisch Rechte

Tatsächlich sind die Europäer größtenteils ebenfalls der Meinung, dass es ihrem Land besser geht, wenn es offen für Veränderungen ist. Und ja, auch die Deutschen. Hier geben immerhin noch 59 Prozent an, dass Veränderung für ein Land gut ist. Damit liegen wir knapp hinter Italien und vor Frankreich. In allen Ländern gibt es jedoch erhebliche demografische und ideologische Unterschiede. Besonders nachdenklich macht dieses Ergebnis: In den Ländern, die sich ideologisch links verorten, ist man deutlich häufiger der Meinung, dass es dem Land besser gehen wird, wenn es offen für Veränderungen ist. In den ideologisch rechts verorteten ist das nicht so.

Fazit – Veränderung üben, denn sie ist essentiell für uns

 Wir sind beim Thema Veränderung in Deutschland etwas aus der Übung, da wir eben eine „kalte Gesellschaft“ sind – und keine „heiße“ wie in Asien. Damit wir langfristig nicht auf der Strecke bleiben, sollten wir uns in der Veränderung üben. Denn die digitale, ökologischen und demografischen Transformation lässt sich nicht aufhalten. Also warum heute nicht mal einen anderen Weg zur Arbeit wählen – oder ein anderes Verkehrsmittel?

 

Quellen:

https://www.pewresearch.org/short-reads/2023/05/15/in-us-and-elsewhere-most-say-their-country-will-be-better-off-embracing-changes-over-sticking-to-traditions/

Gewohnheiten: Hirnforschung - Psychologie - Gesellschaft - Planet Wissen

https://www.psychologytoday.com/us/blog/you-and-your-mental-health/202401/yes-you-can-still-change-when-youre-older

Die Zukunft wartet nicht - Transformation beginnt am Kopf des Unternehmens

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