Der Altersdurchschnitt beträgt in Japan knapp 50 Jahre. Damit ist Japan das älteste Land der Welt. Die japanische Bevölkerung – derzeit noch 125 Mio. – geht jedes Jahr zurück, damit sinkt laut einer Prognose des „Japan Institute for Labour Policy and Training“ die Zahl der Erwerbstätigen von derzeit rund 69 Millionen auf nur noch 60 Millionen im Jahr 2040.
Japanische Besonderheit: Viele wollen bis ins hohe Alter arbeiten
Das Renteneintrittsalter liegt gesetzlich bei 65 Jahren. Allerdings wollen viele Japaner – freiwillig – bis ins hohe Alter weiterarbeiten. Schon jetzt sind es mehr als ein Drittel der über-65-Jährigen. Ein weltweiter Rekord. Die Regierung fördert den Trend aktiv. Alle Arbeitnehmer haben einen gesetzlichen Anspruch darauf, für ihre bisherigen Arbeitgeber bis 70 weiterzuarbeiten, wenn sie es wollen. Die 3000 Angestellten des Elektronikhändlers „Nojima“ können sogar bis 80 weiterarbeiten. Allerdings: Wer nach 60 auf seinem bisherigen Arbeitsplatz weitermachen möchte, erhält einen neuen Arbeitsvertrag. Und mit diesem darf das Unternehmen den Lohn kürzen - im Schnitt derzeit um 40 Prozent. Die Regierung ignoriert Proteste von Gewerkschaften bislang – aus Sorge, dass die Firmen die über 60-Jährigen wegen zu hoher Kosten nicht mehr weiterbeschäftigen.
Langes Arbeiten auch wegen niedriger Renten
Das lange Arbeiten liegt zum einen an der wirtschaftlichen Notwendigkeit, denn die Renten in Japan fallen schlechter aus: Während in Deutschland Angestellte im Schnitt 41,5 Prozent ihres mittleren Gehalts ausbezahlt bekommen, sind es in Japan nur 32,4 Prozent. Aber Geld allein erklärt nicht, warum Japaner deutlich länger arbeiten. Wohl mehr als in den meisten anderen Ländern gelten Aufopferung und Fleiß in Japan als große Tugenden. In Japan ist der Tod durch Überarbeitung so häufig, dass es dafür ein extra Wort gibt: Karoshi. In jedem fünften Unternehmen leisten Mitarbeitende laut dem staatlichen Karoshi-Weißbuch monatlich über 80 Überstunden.
Weitere Besonderheit: Keine Abneigung gegen Maschinen
In Japan gibt es keine Abneigung gegen Maschinen in der Arbeitswelt. Roboter werden als Freunde und Helfer der Menschen gesehen. Das liegt daran, dass die Industrialisierung hier anders verlief: Es gab nicht Tausende von Handwerkern die ihren Lebensunterhalt verloren, als sich beispielsweise die maschinellen Webstühle verbreiteten. Maschinen traten nicht als „Jobkiller“ an, sondern um Wohlstand und Wohlstand zu sichern. Entsprechend wenig Widerstand gab es gegen diese Entwicklung. Die Gewerkschaften achteten lediglich darauf, dass keine Arbeitsplätze verloren gingen und Japan setzte voll auf die Automatisierung vieler menschlicher Tätigkeiten. Ab dem Ende der 1960er Jahre wurden vermehrt Industrieroboter eingeführt. Heute liegt Japan bei der Roboterdichte immer noch auf Platz 3 - mit 399 Robotern pro 10.000 Beschäftigte. Zwischenzeitlich wurde Japan aber von Südkorea abgelöst. Hier beträgt die Roboterdichte 1000 auf 10.000 Beschäftigte.
Astro Boy und Doraemon als Vorbilder
Die Unterhaltungsindustrie unterstützte die positive Vorstellung vom Roboter als Menschenpartner. Der Androide Astro Boy, eine berühmte Mangafigur, kämpfte seit 1952 als kindlicher Superheld für Gerechtigkeit, die Roboterkatze Doraemon half seit 1969 einem tollpatschigen Jungen bei alltäglichen Schwierigkeiten. Diese Figuren begeisterten viele Kinder und sorgten für Nachwuchs an Ingenieuren für Elektrotechnik und Maschinenbau.
Lange Verzicht auf Gastarbeiter
Anders als in Deutschland verzichtete Japan nach dem zweiten Weltkrieg auf Gastarbeiter, es fehlten historische Erfahrungen mit ausländischen Arbeitskräften. Erst Ende der 80iger Jahre durften Ausländer japanischer Abstammung einen Wohnsitz in Japan haben und arbeiten. Die Einwanderungsgesetze sind im internationalen Vergleich restriktiv. Nun wird das Zuwanderungsgesetz reformiert. 2019 wurden die Visaregelungen für bestimmte Beschäftigungsgruppen. Es erlaubt einer begrenzten Anzahl von Fachkräften in den Branchen mit dem größten Personalmangel wie Pflege, Transport, etc. die Einreise für fünf Jahre. Diejenigen, die als "hoch qualifiziert" eingestuft sind, dürfen sich danach dauerhaft in Japan niederlassen.
Vor Corona war das Land auf dem besten Weg jedes Jahr 150.000 neue, nicht japanische Arbeitskräfte aufzunehmen Nun ist die Zahl auf 225.000 Fachkräfte gestiegen. Mit 25 Prozent stammen die meisten aus Vietnam. Gefolgt von China und den Philippinen. Bislang sind nur 4 Prozent der Arbeitskräfte ausländisch, bis 2030 könnten es 10 Prozent sein. Das wäre eine Zeitenwende für Japan.
Frauen sind das größte brachliegende Reservoir
Die Beschäftigung von mehr Frauen wäre eine der Lösungen für den Arbeitskräftemangel. Allerdings ist es für japanische Frauen immer noch sehr schwer, Beruf und Familie in Einklang zu bringen. Im „Global Gender Gap Report“ des Weltwirtschaftsforums 2023 liegt Japan auf Platz 125 von 146 Ländern. Besonders problematisch ist der Mangel an weiblichen Führungskräften, aber auch der Gender-Pay-Gap, das Fehlen von Kinder- und Altenbetreuungskapazitäten wie auch die patriarchalische Gesellschaft.
Fazit
Japans Regierungen haben den Fachkräftemangel lange ignoriert und auf steigende Geburtenzahlen gehofft. Das hat nicht geklappt. Nun setzt das Land auf die Fachkräfteeinwanderung sowie Roboter und KI.
Kann Deutschland etwas von Japan lernen? Beim Thema Fachkräfteeinwanderung hat Deutschland früher reagiert und Gesetze angepasst - das bedeutet jedoch nicht, dass die Umsetzung bereits gut läuft. Weit entfernt von Japan sind wir beim Thema Lebensarbeitszeit: Bei uns gehen die meisten Menschen in der Regel zwei Jahre früher als gesetzlich vorgesehen in Rente. Das Thema Verlängerung wird hitzig diskutiert. Bleibt noch die KI, sie bietet einige Möglichkeiten - aber davor steht die Digitalisierung.
Quellen:
Friedrich Ebert Stiftung: 2023-japan.pdf (fes.de)
AHK Japan Magazin, „Japanmarkt“: JAPANMARKT Q1/2024 (page2flip.de)
DGB: Japan: Arbeiten bis zum Umfallen | DGB Bildungswerk Bund (dgb-bildungswerk.de)
GTAI: Arbeitsmarkt Japan (gtai.de)
Japan Institute for Labour Policy and Training: The Japan Institute for Labour Policy and Training | JILPT
Weltwirtschaftsforum: Global Gender Gap Report 2023 | World Economic Forum (weforum.org)
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