Seit den 1960iger Jahren stieg die südkoreanische Wirtschaftsleistung stark an. Das Land entwickelte sich von einem der ärmsten der Erde zu einem Hightech-Land mit Schwergewichten wie Samsung, LG oder Hyundai. Heute ist Südkorea mit seinen 52 Millionen Einwohnern Mitglied in Wirtschaftsorganisationen wie der OECD, den G20 und der UN.  

Riesige Herausforderungen durch niedrige Geburten und hohes Alter

Die Geburtenrate in Südkorea gilt als niedrigste der Welt, sie liegt bei 0,72 Geburten pro Frau. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 1,46 Kinder pro Frau. Gleichzeitig wird die Bevölkerung immer älter. Während die durchschnittliche Lebenserwartung 1980 noch 64,85 Jahre betrug, sind es im Jahr 2023 durchschnittlich 84,33 Jahre. Bereits jetzt sind fast 20 Prozent der Bevölkerung 65 Jahre oder älter. Experten sagen ein Schrumpfen der Bevölkerung um mehr als 9 Millionen Personen in den nächsten 20 Jahren voraus.   

Unternehmen beschäftigen Mitarbeitende ab 60 Jahren nicht mehr  

Laut Gesetz dürfen Mitarbeitende frühestens ab 60 Jahren in Rente gehen. Die meisten Unternehmen entlassen Mitarbeitende aber mit genau 60 Jahren und stellen anschließend lieber Jüngere ein. Das Problem: Die Rentenzahlungen beginnen erst ab 63 bis 65 Jahren. Deshalb starten viele Rentner notgedrungen mit einer zweiten, schlechter bezahlten „Arbeitskarriere“. Sie verdingen sich als Taxifahrer, Kurier oder eröffnen Cafés. Etwas anderes bleibt ihnen nicht übrig, denn die Rente beträgt bei vollem Anspruch nur 30 Prozent des letzten Arbeitseinkommens. Heute schon hat Südkorea unter den 38 OECD-Staaten die höchste Rate an älteren Menschen, die unter der Armutsgrenze leben. 48,6 Prozent der südkoreanischen Rentner gelten als arm.

Das Rentensystem ist jung und schlecht finanziert

Der Grund ist einfach: Das Rentensystem wurde in Korea erst vergleichsweise spät - ab 1960 eingeführt. Und damals nur für ausgewählte Berufs- oder Personengruppen wie Beamte, Militärs und Lehrer. Erst 1988 kam stufenweise ein allgemeines Rentenversicherungssystem, das „National Pension Service“ (NPS), das auch die Beschäftigten im Privatsektor einschließt. Es brauchte noch bis 1999, um für die gesamte Bevölkerung ein Renten- und Sozialversicherungssystem zu etablieren. Obwohl der NPS der drittgrößte Pensionsfonds der Welt ist und über ein Vermögen von 974 Billionen Won (681 Milliarden Euro) verfügt, wird er angesichts der erwarteten Alterung voraussichtlich bis 2055 kein Geld mehr haben.

Arbeitsmarkt mit strukturellen Ungleichgewichten

Der südkoreanische Arbeitsmarkt ist zudem geprägt von strukturellen Ungleichgewichten. Regulär Beschäftigte bei den großen Unternehmen, den sogenannten Chaebols, sowie Beamte genießen einen hohen Kündigungsschutz und werden wesentlich besser entlohnt als nicht regulär Beschäftigte. Der Großteil der Beschäftigten arbeitet jedoch in kleinen und mittelständischen Unternehmen – schlechter bezahlt und ohne stabile Beschäftigungsverhältnisse.

Südkoreaner sind top ausgebildet - aber der Gender Pay Gap ist groß

Dabei sind die koreanischen Arbeitnehmenden top ausgebildet: Innerhalb der OECD verfügt das Land über die höchste Absolventenquote überhaupt! Fast sieben von zehn der 25- bis 34-Jährigen verfügen über einen Hochschulabschluss. Trotzdem findet nur ein geringer Teil der Absolventen einen der begehrten Jobs in einem der Chaebols. Daher ist die Jugendarbeitslosigkeit hoch.

Ein anderes Thema ist „Gender Pay Gap“: Seit Jahrzehnten der höchste aller OECD Länder. Das Einkommen der Frauen erreicht nur 68.8 Prozent des der Männer.

Traditionen sind immer noch fest verwurzelt

Kein Wunder, denn trotz der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung spielen konfuzianische Traditionen nach wie vor eine wichtige Rolle. Die Gesellschaft ist konservativ und patriarchalisch. So liegt die Beschäftigungsquote von Frauen bei 54,1 Prozent, die von Männern bei 71,3 Prozent. Nach wie vor (müssen) sich weibliche Angestellte nach der Geburt eines Kindes häufig aus dem Arbeitsleben zurückziehen – die Unternehmen haben kein Interesse an einer Weiterbeschäftigung. Beim „Women in Work Index“ von PWC belegt Südkorea bezüglich des Frauenanteils in Chefpositionen mit 8,7 Prozent den letzten Platz.

Die Zahl der erwerbsfähigen Personen sinkt – es gibt Handlungsbedarf

Derzeit beschäftigt Südkorea 29 Millionen Erwerbstätige, die Zahl ist bereits rückläufig und die Arbeitnehmenden werden immer älter. Die Gewerkschaften (!) fordern daher eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 65 Jahre – auch um die niedrigen Renten zu erhöhen. Gleichzeitig bedarf es weiterer Lösungen. Denn für kleinere Firmen ist es schon jetzt eine Herausforderung, ausreichend Arbeitskräfte für ungelernte Tätigkeiten zu finden.

Einzelinitiativen der Wirtschaft - Reichster Mann Koreas steuert dagegen

Der Gründer der Booyoung Group, einer Immobilienfirma, ist der 83-jährige Milliardär Lee Joong Keun. Er sieht den Geburtenrückgang als nationale Existenzkrise und hat daher für seine Mitarbeitenden einen neuen Bonus eingeführt: Bekommen sie ein Kind, zahlt der Arbeitgeber fortan 100 Millionen Won, rund 70.000 Euro. Für Männer und Frauen gleichermaßen.

Zuwanderung in ein homogenes Land

Eine höhere Zuwanderung soll zur Lösung beitragen. Momentan liegt der Ausländeranteil in Südkorea bei unter 5 Prozent. Die Regierung verfolgt daher ein Modell,bei dem ausländische Arbeitskräfte befristet und nur sehr reguliert ins Land kommen können. 2024 wurde die jährliche Obergrenze für gering qualifizierte ausländische Arbeitnehmer auf 165.000 Personen erhöht und damit mehr als verdreifacht. Zudem wurde das Programm auf neue Sektoren wie Gastronomie, Hotel- und Gaststättengewerbe und Forstwirtschaft ausgeweitet. Bislang kamen vor allem gering qualifizierte Arbeitskräfte aus Nachbarländern wie Vietnam, Kambodscha oder den Philippinen. Diese leben oft unter schlechten Bedingungen und werden ausgebeutet. Daher führte die Regierung 2004 das „Employment Permit System (E.P.S.)“ ein. Mit diesem wurden „Zwischenhändler“ eliminiert und der Staat zum einzigen Arbeitsvermittler für gering qualifizierte Wanderarbeiter gemacht. Es werden Arbeiter mit einem Dreijahresvisum aus 16 Ländern rekrutiert. Gleichzeitig gewinnt die Anwerbung von qualifiziertem Fachpersonal aus dem Ausland nun an Bedeutung.

Hohe Roboterdichte – auch bei Servicerobotern

Südkorea ist das Land mit der höchsten Roboterdichte weltweit. Pro 10.000 Angestellte gibt es in Südkorea 1012 industrielle Roboter (2023). Die Unternehmen haben früh die Chancen erkannt und auf Roboter gesetzt. Für den Fachkräftemangel in der Gastronomie sind Roboter ein riesen Thema. Die koreanische Regierung investiert erheblich in die Robotikbranche und fördert aktiv Partnerschaften zwischen Technologieunternehmen wie der koreanischen Softwarefirma KT und Restaurants. Daher wird in Restaurants im ganzen Land mittlerweile eine beeindruckende Anzahl von Robotern eingesetzt.

Ende 2023 trat ein überarbeitetes „Gesetz zur Entwicklung und Bereitstellung intelligenter Roboter“ in Kraft. Seitdem liefert in Seoul der kleine Transportroboter „Neubie“ des Start-ups Neubility Bestellungen aus. Denn das neue Gesetz erlaubt es Geschäftsleuten, Roboter im Freien für Lieferungen, Patrouillen und andere Zwecke einzusetzen. Die schnelle Zulassung dieser Roboter macht deutlich: Die Regierung will die Serviceroboterindustrie als eine Säule der Industriepolitik fördern. Für den Einsatz von Logistikrobotern gibt es konkrete Zeitpläne. Lieferroboter sollen spätestens 2025 zur neuen Normalität in Südkorea gehören, Drohnenflüge bis 2027.

 

Quellen:

Fachkräfte | Wirtschaftsumfeld | Südkorea | Arbeitskräfte

Altersvorsorge im Fokus: unser WM-Kontrahent Südkorea – DIA AltersvorsorgeFrauenrechte in Südkorea: Hindernisse für arbeitende Frauen in Südkorea

Zahl der Ausländer in Korea wächst stetig : Korea.net : Die offizielle Webseite der Republik Korea

Teil 1 der Blogreihe "Von Seoul nach Korea"

Im ersten Teil der Blogreihe "Von Seoul nach Korea" beleuchten wir den Hintergrund südkoreanischer Jugendlicher, die mit hohem Bildungsgrad und Unterstützung durch den Staat punkten.

Teil 1: "Von Seoul nach Korea"

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Im zweiten Teil unserer Blogreihe "Von Seoul nach Hessen" berichten wir von den Erfahrungen südkoreanischer Praktikanten bei der Schuf Armaturen.

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