Mit 46,5 Jahren hat Griechenland einen sehr hohen Altersdurchschnitt und liegt damit knapp hinter Deutschland. Das Land schrumpft, wie viele andere europäische Länder auch.
Der Bevölkerungsrückgang liegt jedoch nicht nur an der niedrigen Geburtenrate von 1,36 Kindern pro Frau. Sondern vor allem an der schweren Finanzkrise: Zwischen 2011 bis 2021 schrumpfte die Bevölkerung um rund drei Prozent auf 10,5 Mio. Einwohner. Damals stand das Land kurz vor der Pleite und mehr als 500.000 gut ausgebildete, junge Leute wanderten ab, um ihr Glück im Ausland zu suchen. Davon hat sich Griechenland bis heute nicht erholt, auch wenn es mit der Wirtschaft aufwärts geht.
Auch Migranten gingen in der Krise
Laut des Statistikamtes Eures waren in Griechenland vor der Wirtschaftskrise mehr als 1 Mio. ausländische Migranten beschäftigt. Innerhalb weniger Jahre verschwanden diese auf Grund des einbrechenden Arbeitsmarktes – insbesondere im Baugewerbe. Es wird geschätzt, dass 33 Prozent der von ausländischen Arbeitskräften besetzten Stellen während der Rezession verloren gingen.
Fachkräftemangel trotz hoher Arbeitslosigkeit
Das Ergebnis: Griechenland hat ein Fachkräfteproblem. 2023 gab es nur noch 4,3 Mio. Erwerbstätige – vor der Krise 2008 waren es 4,6 Millionen. Allein in der Tourismus-Branche blieben 2023 mehr als 100.000 Arbeitsplätze offen. In der Gastronomie, der Landwirtschaft und dem Baugewerbe sieht es ähnlich aus. Trotzdem liegt die Arbeitslosenrate immer noch bei 11,9 Prozent ist damit die zweithöchste in der EU. Wie passt das zusammen?
Besonderheit: schlechte Arbeitsbedingungen und Bezahlung
Tatsächlich lassen die Arbeitsbedingungen trotz des florierenden Tourismus oft zu wünschen übrig. Mit durchschnittlich 41 Stunden pro Woche arbeiten die Griechen länger als alle anderen EU-Bürger (Eurostat) - und werden dafür ziemlich schlecht bezahlt. Der Grund liegt nicht nur in der Inflation und den steigenden Mietern, sondern an den Nachwirkungen der Schuldenkrise. In den 2010er-Jahren musste Griechenland auf Anweisung der EU Löhne und Renten drastisch kürzen. Heute liegt das Durchschnittseinkommen mit 1258 Euro sogar noch deutlich unter dem Vorkrisenniveau von 1500 Euro. Gemessen an der Kaufkraft ist Griechenland das vorletzte Land in Europa.
Griechenland für die Sechs-Tage Woche ein
Am 1. Juli 2024 führte Griechenland die Sechs-Tage-Woche ein. Diese Nachricht sorgte für viele Schlagzeilen, auch im Ausland. Sie gilt seither für einzelne Wirtschaftszweige wie das verarbeitende Gewerbe, Banken und Versicherungen. Unternehmen können ihren Angestellten anbieten, sechs anstatt bisher fünf Tage die Woche zu arbeiten. Das Angebot kann sich für die Beschäftigten lohnen. Für den sechsten Arbeitstag erhalten sie einen Aufschlag von 40 Prozent mehr Gehalt, handelt es sich dabei um Sonn- und Feiertage, gibt es sogar 115 Prozent zusätzlich
Ein Grund ist die Schwarzarbeit
In den vergangenen Jahrzehnten boomte die Schwarzarbeit in Griechenland. Tatsächlich lang der Anteil der informellen Wirtschaft 2013 – auf dem Höhepunkt der griechischen Finanzkrise – bei 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Seither hat sich zwar viel getan und der IWF lobt die Fortschritte, aber es gibt noch Luft nach oben. Nicht überraschend also, dass die der griechische Arbeitsminister bei der Debatte zum Arbeitszeitgesetz im Parlament sagte: „Da vor allem in der Industrie ein großer Mangel an Arbeitskräften herrscht, werden Überstunden geleistet – und die werden oft schwarz gezahlt.“ Mit der neuen Regelung hingegen erhielte jeder das Recht auf extra bezahlten Sondereinsatz und Schwarzarbeit werde der Riegel vorgeschoben.
Viele Griechen arbeiten bereits sechs Tage die Woche
Doch bereits bevor das Gesetz über die Sechs-Tage-Woche in Kraft trat, waren die Griechen die „Helden der Arbeit in Europa“. In vielen Unternehmen und Branchen ist die Sechs-Tage-Woche seit Jahren Alltag. Viele Menschen arbeiten bereits in zwei Jobs. Allerdings tun sie das häufig keineswegs freiwillig, sie kommen anders nicht über die Runden.
Griechenland sucht Gastarbeiter
Laut Berichten mehrerer Zeitungen sucht die griechische Regierung außerdem nach Arbeitskräften aus dem Ausland, um die akuten Engpässe zu lindern. Ziel ist es, Anwerbeabkommen mit sechs Ländern zu unterzeichnen: Armenien, Georgien und Moldawien sowie Indien, den Philippinen und Vietnam. Dabei sollen in einer ersten Phase rund 40.000 Arbeitskräfte geholt werden. Sie sollen befristete Arbeitsverträge und Aufenthaltsgenehmigungen von bis zu zwölf Monaten erhalten, mit der Möglichkeit einer Verlängerung. Gleichzeitig verändert Griechenland den Status illegal eingereister Migranten – ihr Aufenthalt wird bereits nach drei statt sieben Jahren "regulär", sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung. Um von der Regelung zu profitieren, müssen sie außerdem bereits angestellt sein.
Fazit
In Deutschland wurde breit über die Einführung der Sechs-Tage-Woche in Griechenland berichtet und sie wurde häufig als „Lösung des Fachkräftemangels“ gepriesen. Ob die Arbeitszeitausdehnung für Griechenland wirklich das richtige Instrument ist, die gut ausgebildeten, jungen Griechen aus dem Ausland zurück zu holen, darf bezweifelt werden. Schließlich erleben sie hier Diskussionen über die Vier-Tage-Woche. Gleichzeitig sind die Gründe für die Einführung doch etwas anders gelagert, als teilweise berichtet. Bei dem Ziel Arbeitskräfte aus Asien zu gewinnen, steht Griechenland im Wettbewerb mit vielen anderen EU-Staaten.
Quellen:
Arbeitsmarktinformationen: Griechenland - Europäische Union (europa.eu)
Wie sinnvoll ist die Sechs-Tage-Woche in Griechenland? (deutschlandfunk.de)
Government plans to bring in 40,000 workers from six countries | eKathimerini.com
Arbeitsmarkt | Wirtschaftsumfeld | Griechenland | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten (gtai.de)
Griechenland - Beschäftigung, Soziales und Integration - Europäische Kommission (europa.eu)
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