Corona wirkte wie eine Initialzündung für Veränderungen bei der Art und Weise des Arbeitens. Was früher kaum praktikabel erschien, ging plötzlich in vielen Branchen und Arbeitsbereichen. Arbeiten im Homeoffice, digitale Konferenzen, Absprachen per Chat und Video.
Auch das Miteinander wandelte sich: Führen auf Distanz, Mitarbeiterbindung ohne Präsenz, weniger Hierarchie und mehr Eigenverantwortung für die Beschäftigten. Es gibt Vordenker für ein solches „anderes Arbeiten“ und langfristige Entwicklungstrends, die den Weg für die Neuerungen bereiteten. Insofern nehmen wir „New Work“ einmal genau unter die Lupe.
New Work in den 1980er Jahren: Die Arbeitswelt grundlegend verändern
Der Begriff „New Work“ entstand in den 1980er Jahren unter den Bedingungen von Wirtschaftskrisen und
hoher Arbeitslosigkeit in den Industriestaaten. Die „Krise der Arbeitsgesellschaft“ wurde damals breit diskutiert. Der Sozialphilosoph Frithjof Bergmann stand mit seiner Forderung nach neuen Formen des Arbeitens keineswegs allein.
Bergmann verfolgte zunächst ein konkretes Ziel. Es ging ihm um die Rettung von Arbeitsplätzen bei General Motors. Im Werk Flint stand 1984 eine Automatisierungswelle bevor, die zur Halbierung der Belegschaft geführt hätte. Als Alternative zu den Massenentlassungen schlug Bergmann vor, das verbliebene Arbeitsvolumen auf alle Beschäftigten zu verteilen. Dies lief auf eine drastische Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit hinaus: sechs Monate Arbeit im Unternehmen, sechs Monate Zeit, um sich mit
den eigenen Wünschen und Erwartungen an eine sinnstiftende und erfüllende Arbeit auseinanderzusetzen.
Die Geschäftsführung von General Motors und die Gewerkschaft einigten sich unter Vermittlung von Bergmann auf das Modell. Die Arbeitszeitverkürzung erfolgte im Wesentlichen ohne Lohnausgleich; auf Grundlage der halbjährigen Erwerbstätigkeit wurde ein über zwölf Monate gestrecktes Grundeinkommen ausgezahlt.
Als langlebig erwies sich das Modell nicht, sodass es 1986 eingestellt wurde. Den einschneidenden Krisen in der amerikanischen Automobilindustrie, den Restrukturierungen, Produktionsverlagerungen und Arbeitsplatzverlusten war mit dem Konzept nicht beizukommen. Der sozialphilosophische Anspruch einer grundlegenden Transformation der Arbeit wurde aber nicht aufgegeben. Die Werte Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe sollten in der Arbeitswelt verankert und die Erwerbsarbeitszeit erkürzt werden. Dafür stand ein Dreisäulenmodell: Neben die Erwerbsarbeit sollte Arbeit zur Selbstversorgung und Arbeit nach eigenen Wünschen entsprechend der persönlichen „Berufung“ treten. 1984 gründete das Team um Bergmann das Zentrum für New Work.
„Update“ von New Work: Die Erwerbsarbeit erneuern
Heute, knapp 40 Jahre später, wird New Work erneut diskutiert. Die Neugestaltung der Erwerbsarbeit steht im Zentrum und beinhaltet folgende Komponenten:
- Neue zeitliche und örtliche Regulierung der Arbeit nach dem Motto „Arbeite wo und so lange du willst“
- Flexible und agile Organisationsformen, die starre Abläufe und Bereichsgrenzen überwinden und häufig projektförmig ausgerichtet sind
- Abbau von Hierarchie zugunsten von mehr Selbstorganisation und Beteiligung der Beschäftigten
- Sinnbezüge sind bedeutsam. Die Arbeit sollte der Selbstverwirklichung dienen und gesellschaftlichen Nutzen stiften
Triebkräfte für New Work
Die Realisierung von New Work hat vielfältige gesellschaftliche, wirtschaftliche und technologische Voraussetzungen. Bezogen auf Unternehmen und Arbeit lässt sich dies anhand des Dreiecksverhältnisses von Technik, Organisation und Personal deutlich machen.
Eine zentrale Triebfeder für New Work ist das Vordringen digitaler Technologien. Die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien, digitalisierte sowie vernetzte Arbeitsprozesse ermöglichen zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten. Vorzugsweise bei Bürotätigkeiten hat sich mobiles Arbeiten verbreitet. Die Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie haben der
mobilen Arbeit einen kräftigen Schub gegeben.
New Work wird auch durch die Ausweitung wissensintensiver Dienstleistungen in der Wirtschaft befördert.
So lieferte projektförmig organisierte Arbeit in Forschungs- und Entwicklungsbereichen die Vorlage für
agiles Arbeiten. Mit kompetenter, eigenverantwortlicher Arbeit kann auch der deutsche Mittelstand aufwarten. Bewegliche Strukturen und flache Hierarchien prägen vielfach das Bild.
Nicht zuletzt sind es in den Unternehmen die Menschen, die dem New-Work-Konzept Durchschlagskraft verleihen. Sie bringen ihre Kompetenzen und Erwartungen in ihre Arbeit ein. Die hohe Bedeutung von „Beruflichkeit“ bildet ein Fundament für selbstbestimmtes und motiviertes Arbeiten. Dazu gehören auch Sinnbezüge, der Wunsch, etwas Wichtiges für den Betrieb und die Gesellschaft zu leisten. Dem ökologisch nachhaltigen Wirtschaften kommt als Richtschnur für New Work eine große Rolle zu.
X + Y + Z + Boomer: Alle Generationen haben gemeinsam noch viel zu tun!
Die Chancen für New Work sind derzeit größer als in der Ära von Bergmann. New Work heute ist kein „frommer Wunsch“ mehr. Viele Entwicklungen in den Betrieben und ihrem gesellschaftlichen Umfeld begünstigen sie. Aus Sicht der Beschäftigten verbessern sich die Arbeitsbedingungen seit einigen Jahren, der DGB-Index „Gute Arbeit“ befindet sich im moderaten Aufwärtstrend. Gleichwohl gibt es Gefährdungen. Dies zeigen beständig hohe Werte bei psychischen Belastungen wie Zeitdruck und Stress.
Daher ist New Work kein Selbstläufer. Die Ausgestaltung liegt bei den Akteurinnen und Akteuren, und zwar
generationenübergreifend. Es wäre ein Fehler, New-Work-Orientierungen einseitig den jungen Beschäftigten zuzuschreiben. Zweifellos ist gerade die Generation Z mit digitaler Technik ganz selbstverständlich aufgewachsen. Die älteren Beschäftigten auch aus der Boomer-Generation haben aber den Weg für digitale Technologien in den Unternehmen geebnet und die Infrastruktur aufgebaut. Nachhaltiges Wirtschaften ist nicht allein eine Herausforderung für die Jungen, sondern muss und kann von den Altersgruppen gemeinsam bewerkstelligt werden. New Work und die damit zusammenhängenden Veränderungen für Teams, Führungspersonen und die Unternehmen selbst lassen sich nur durch Kooperation und Kommunikation bewältigen.
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