Ausbilden bedeutet oftmals eine Doppelbelastung für diejenigen, die junge Menschen in ihrer Entwicklung zur Nachwuchskraft begleiten und unterstützen, da sie gleichzeitig noch ihre eigenen Aufgaben erledigen müssen. Warum es wichtig ist, über Fehler zu sprechen, die Selbstständigkeit der Azubis zu fördern und als Ausbildende eine Vorbildfunktion einzunehmen, darüber haben wir mit Wolfgang Overbeck, Ausbildungsleiter bei der Grunewald GmbH & Co. KG, gesprochen.
Herr Overbeck, wie definieren Sie Führung und welche Führungsphilosophie verfolgen Sie?
Ich versuche meine Azubis wertschätzend und werteorientiert zu führen. Das bedeutet, dass ich ehrlich, aufrichtig und verbindlich mit den Auszubildenden umgehe. Das fängt schon beim Bewerbungsprozess an und das vermitteln wir auch den Eltern der Azubis – die wir übrigens einladen, bevor die Jugendlichen ihren Ausbildungsvertrag bei uns unterzeichnen.
Wie gestalten Sie die Ausbildung, um eigenverantwortliches Handeln und Entscheidungsfreiheit der Auszubildenden zu fördern?
Bei uns gibt es keine Ausbildung „von der Stange“. Das Geschäft muss laufen – ob ich anwesend bin oder nicht. Wir haben Projektaufträge, die wir umsetzen müssen. Die Azubis organisieren sich in der Lehrwerkstatt selbst – und mit steigendem Lehrjahr wächst auch die Verantwortung. Ich ermutige die Auszubildenden dazu, neue Ideen einzubringen und alternative Lösungen für gewohnte Tätigkeiten zu suchen. Außerdem ermögliche ich es den Auszubildenden, Entscheidungen innerhalb ihres Verantwortungsbereichs zu treffen. Ebenso lege ich viel Wert darauf, dass die Azubis pragmatische Lösungen finden, klare und verständliche Entscheidungen treffen, damit sie diese dann auch schnell umsetzen können. Beispielsweise haben ein paar Azubis im Rahmen des Digiscouts-Projekts selbstständig innerhalb von wenigen Monaten die „Organized Fire Protection“-App umgesetzt – eine App, die im Brandfall eine schnellere und übersichtlichere Evakuierung der Mitarbeitenden ermöglicht. Ein weiteres spannendes Projekt für die Lehrwerkstatt war die Endmontage des Integralträgers für den Mercedes AMG Black Series. Die Endmontage wurde unter anderem von einem Roboter unterstützt, der von den Azubis eingerichtet und bedient wurde. Solche Projekte machen nicht nur mich stolz, sondern eben auch die Azubis selbst. Die Projekte, die Sie genannt haben, klingen nach viel Spaß für die Azubis.
Wie schaffen Sie es generell, eine motivierende und positive Arbeitsumgebung zu schaffen, und wie unterstützen Sie Ihre Auszubildenden dabei, ein positives Verhältnis zur Arbeit und zur Organisation aufzubauen?
Ich überprüfe, ob die strukturellen Voraussetzungen für die anstehenden Aufgaben vorhanden sind und unterstütze die Auszubildenden mit allem, was sie für eine Umsetzung benötigen. Ich setze alle über Veränderungen oder Neuigkeiten in Kenntnis. Des Weiteren fördere ich die Auszubildenden in ihrer Weiterentwicklung – immer im engen Austausch und mit direktem Feedback. Bei uns ist die Lernkurve sehr steil, denn alles, was wir herstellen, geht direkt an die Kundinnen und Kunden, auch die hergestellten Stücke der Azubis. Außerdem versuche ich prinzipiell immer eine Vorbildfunktion einzunehmen, indem ich die positiven Aspekte der Firma Grunewald als selbstverständlichen Bestandteil meines Arbeitens kommuniziere. Dadurch gestalte ich ein dauerhaft positives Arbeitsumfeld.
Und wenn es mal nicht so gut läuft? Wie gehen Sie dann mit Herausforderungen und Konflikten in Ihrem Team um?
Ich gebe unseren Auszubildenden generell in schwierigen Situationen Rückendeckung. Ich fördere die Selbstreflexion und die persönliche Entwicklung der Azubis und sorge in Konfliktsituationen dafür, dass wir uns bewusst Raum für lösungsorientierte Gespräche nehmen. Wir haben aber auch ein eigenes Mentorenprogramm von Azubis für Azubis, sollte mal jemand das Bedürfnis haben, mit einer anderen Person über bestimmte Dinge zu sprechen.
Setzen Sie bestimmte Kommunikationsstrategien ein, um sicherzustellen, dass Ihre Erwartungen und Anweisungen klar verstanden werden?
Ich fördere eine vertrauensvolle, ehrliche und wertschätzende Kommunikation und achte permanent darauf, ein Vertrauensklima zu schaffen und beizubehalten. Wenn ich Zusagen mache, halte ich sie ein. Ich verzichte auf Ausreden und spreche eigene Fehler oder Fehler des AzubiTeams offen an. Außerdem feiere ich mit unseren Auszubildenden Erfolge und teile relevante Informationen transparent mit dem gesamten Team.
Wie halten Sie sich selbst auf dem Laufenden, um Ihre Führungskompetenzen kontinuierlich weiterzuentwickeln?
Ich nehme an Fortbildungen und Tagungen teil, bin dauerhaft im Austausch mit Lehrkräften sowie anderen Ausbildungsbetrieben und immer offen für neue technische Entwicklungen sowie Entwicklungen im Miteinander. Dazu haben wir auch ein internes Projekt „Mission Zukunft“, bei dem die Weiterentwicklung des Unternehmens in Bezug auf die heute und in Zukunft relevanten Arbeitsstrukturen im Mittelpunkt steht. Hierbei geht es selbstverständlich auch sehr stark um die Förderung und Beteiligung der Mitarbeitenden insgesamt.
Vielen Dank für das Interview und die Einblicke in Ihren Ausbilderalltag, Herr Overbeck!
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