Im Fokus der Gesprächsrunde mit Boris Petschulat, Leiter der Unterabteilung Handwerk, Gewerberecht, Bildungspolitik und Freie Berufe im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie standen die Relevanz von Digitalisierung in kleinen und mittelständische Unternehmen (KMU), der hohe Stellenwert der Förderung digitaler Kompetenzen in der dualen Ausbildung, aber auch der dringende Bedarf einer digitalen Infrastruktur für Bildungseinrichtungen. Ebenfalls wurde über aktuelle Maßnahmen zur Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen.
Gerade im Lockdown hat sich deutlich gezeigt, dass der digitale Wandel der Arbeitswelt für Unternehmen und Beschäftigte von zunehmender Bedeutung ist. Im digitalen Zeitalter wettbewerbsfähig Schritt zu halten, ist für KMU nach wie vor eine große Herausforderung. Einig waren sich die Gesprächsteilnehmenden darüber, die Vermittlung beruflicher und digitaler Kompetenzen frühzeitig und angemessen in der Ausbildung zu verankern, um die Fachkräfte von morgen auf die zukünftige Arbeitswelt vorzubereiten.
Defizite bei digitalen Lernplattformen für Berufsschülerinnen und -schüler
Mit digitalen Angeboten der Berufsschulen sollte während des Lockdowns eine lernortunabhängige Vermittlung von Lerninhalten ermöglicht werden. Die praktische Umsetzung zeigt aber auch, wie weit einzelnen (Berufs-)Schulen davon noch entfernt seien. Deutlich wird damit auch die Forderung nach einem stärkeren Ausbau der digitalen Infrastruktur der Schulen. Das berichtet eine Ausbildungsverantwortliche:
Die Praxis hat jetzt gezeigt, dass es in den Berufsschulen doch offensichtlich ein paar organisatorische Schwierigkeiten gibt. (…) Wir haben momentan zwei Berufsschulen (…) von denen unseren Azubis betroffen sind, bei denen lange Zeit kein Unterricht stattgefunden hat. Dann haben wir die Info bekommen, dass auf Moodle (Lernportal) Aufgaben hochgeladen werden sollten. Das ist teilweise leider nicht passiert. Da würde ich mir an der Stelle einfach wünschen (…), ich weiß Bildung ist Ländersache, dass es aber eine einheitliche Lösung gäbe, bundesweit oder nur für Sachsen-Anhalt, dass es eben auch kontrolliert werden kann, dass diese Aufgaben zur Verfügung gestellt werden (…), so Madelaine Giehre, Junior Personalreferentin bei der B.T. innovation GmbH.
Didaktische Ziele nicht aus dem Auge verlieren
Ohne Fragen haben Schulen, Kammern und Unternehmen bestmöglich auf den pandemiebedingten Lockdown reagiert. Gleichwohl verweist Armin Barbalata, CDO und Mitglied der Hauptgeschäftsführung der IHK für München und Oberbayern, auf einen wichtigen und zukunftweisenden Aspekt hin: So habe die Krise nicht nur gezeigt, wie dringend und notwendig die Förderung digitaler Bildung ist, sondern auch, dass eine lediglich Bereitstellung einer Lernplattform keineswegs ausreichend sei. Von zentraler Bedeutung seien die didaktischen Ziele, die auch an die sich im digitalen Wandel befindliche Gesellschaft angepasst werden müssten. Was auch ein zentrales Anliegen der IHK für München und Oberbayern sei.
Deshalb hat auch die IHK am Projekt Digiscouts® selbst teilgenommen, getreu dem Motto „eat your own dog food“, wie Armin Barbalata sagt. Damit meint er, dass es eben nicht ausreiche, die Notwendigkeit zur Digitalisierung zu predigen oder zu versuchen den Unternehmen das irgendwie schmackhaft zu machen. Vielmehr müsse man das auch selbst ausprobieren, ob das Ganze auch funktioniert. Selbst teilzunehmen und somit als Vorbild zu fungieren, aber auch die Förderung der digitalen Kompetenzen der eigenen Azubis und Mitarbeitenden voranzubringen, waren für Barbalata zentrale Motive.
Corona-Krise verlagert Priorität der Unternehmen
Kleinen Unternehmen sind aktuell mit der Sicherung ihrer Liquidität beschäftigt, weshalb Digitalisierung in den Hintergrund rücke, so ein Ergebnis der RKW-Blitzumfrage. Im Gespräch mit den Experten wollte Dr. Mandy Pastohr, Geschäftsführerin des RKW Kompetenzzentrums, wissen, inwiefern sich dieses Ergebnis auch im Raum Sachsen-Anhalts widerspiegle. Stefanie Klemmt, Geschäftsführerin der IHK Magdeburg, bestätigt diese Ergebnisse. Gleichwohl stelle die Umstellung auf die neue Mehrwertsteuer die digitalen Kassensysteme der einzelnen Unternehmen vor Herausforderungen.
Ja auf jeden Fall! Wir können das nur bestätigen. Auch unser Angebot der Digitalisierungsberatung ist in den letzten Wochen und Monaten so gut wie auf null zurück gegangen. (…) Die Probleme sind einfach anders gelagert. Große Digitalisierungsprojekte oder geplante Investitionen, das können wir auch bestätigen, rücken erstmal in den Hintergrund, so Stefanie Klemmt.
Digiscouts® im Ländervergleich
Im deutschlandweiten Vergleich der Beteilung am Projekt Digiscouts® stellte das RKW fest, dass die Unternehmen aus den neuen Bundesländern eher zurückhaltender sind. Boris Petschulat, Leiter der Unterabteilung Handwerk, Gewerberecht, Bildungspolitik und Freie Berufe im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: erklärt, dass eine Ursache für diese Diskrepanz in der kleinteiligeren Wirtschaftsstruktur der neuen Bundesländer, die historisch bedingt sei, liege. Umso wichtiger sei es deshalb, für das Projekt Digiscouts® weiter zu werben und verweist dabei auf die aktuell laufende Region in Magdeburg.
Wir sehen ja hier, Magdeburg macht ja schon mit. Vorbildlich! Andere Regionen wollen ja nachziehen. (…) Ich bin da sehr optimistisch, wenn wir wieder in einer konjunkturellen Normallage sind, auch die Digitalisierung wieder vorantreiben und mit den Digiscouts im Osten stärker präsent sein können, so Boris Petschulat.
Ausblick auf die duale Ausbildung und aktuelle Maßnahmen
Alles in allem lässt sich festhalten, dass in den kommenden Wochen und Monaten bei vielen Betrieben darum gehen wird, zunächst überhaupt die Existenz zu sichern. „Wir werden den Ausbildungsmarkt weiterhin genau beobachten und Unternehmen gezielt nach Region, Branche und Betriebsgröße dort unterstützen, wo Ausbildung ohne Hilfe von außen nicht mehr möglich ist,“ so Klemmt. Für diese regionale Unterstützung der Unternehmen und das Engagement der Kammern, spricht auch Boris Petschulat seinen Dank aus:
Ich möchte mich hier auch nochmal bei den Kammern bedanken. Die ja wirklich in vielfältigster Weise, nicht nur im Ausbildungsbereich aber auch sonst ganz, ganz stark mitgeholfen haben.
Aus dem Gespräch geht auch hervor, dass die Partner der Allianz für Aus- und Weiterbildung, darunter eben auch die Industrie- und Handelskammern sowie das Bundeswirtschaftsministerium, haben eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, die helfen sollen, die Auswirkungen der Corona-Krise auf die duale Ausbildung abzumildern. Die Vorschläge wurden aufgegriffen für das Konjunkturpaket der Bundesregierung. Sie sollen dazu beitragen, bestehende Ausbildungsverträge zu erhalten und neue Ausbildungsangebote zu ermöglichen. Wie sich letztlich die Ausbildungssituation in den Unternehmen entwickeln wird, darüber lässt sich aktuell nur schwer eine Aussage machen und eine Verschlechterung nicht gänzlich ausschließen. „Ich könnte mir auch vorstellen, dass es nächstes Jahr noch dramatischer wird mit der Ausbildungssituation, weil wie die langfristigen Folgen und wirtschaftlichen Einschnitte, auch bei Ausbildungsunternehmen, sich vielleicht erst in den kommenden Monaten noch zeigen werden“, schlussfolgert Klemmt.
Im Gespräch wurde deutlich, dass die Krise da ist, sie uns alle betrifft und noch lange nicht überstanden sei – trotz Lockerungen. Gleichzeitig wurde aber auch das Engagement und die Motivation seitens der Politik, den Kammern und den Unternehmen deutlich, sich dieser Krise gemeinsam entgegenzustellen.
Weiterführende Links:
Corona-Folgen bekämpfen, Wohlstand sichern, Zukunftsfähigkeit stärken
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