VUCA steht für Volatiliy, Uncertainty, Complexity and Ambiguity und stammt aus dem militärischen Gebrauch. Später fand es Einzug in die Managementlehre – beispielsweise, um neue Rahmenbedingungen bei Change Prozessen und in der Unternehmens- oder Mitarbeiterführung zu beschreiben. Auch im Zusammenhang mit der Digitalisierung wird VUCA gern benutzt. Doch was genau ist mit VUCA gemeint?
Volatiliy: Schnelligkeit und Flüchtigkeit nehmen zu
Volatility steht für die zunehmende Häufigkeit und Geschwindigkeit von Veränderungen. Das lässt sich an drei Beispielen veranschaulichen:
Die Übermittlung von Nachrichten von Stuttgart nach Frankfurt dauerte um 1800 – damals per Postkutsche – fünf Tage. Heute erreichen uns E-Mails und WhatsApp binnen Sekunden – egal wo wir sind. Wir können schneller auf aktuelle Ereignisse reagieren, müssen aber auch mit einer Flut an Nachrichten und Informationen umgehen.
Neue Technologien verbreiten sich schneller und lösen alte ab. Während das Festnetztelefon – gemessen an der Zahl der Geräte – noch 120 Jahre brauchte, um sich flächendeckend durchzusetzen, benötigten Mobiltelefone nur 20 Jahre. Beim Smartphone wird es noch schneller gehen. Wir müssen uns also immer rascher auf neue Technologien und Funktionalitäten einstellen.
Neue Technologien und kürzere Produktlebenszyklen wiederum verändern Märkte und Branchen. Das Tempo, in dem Unternehmen ihre Marktposition verlieren oder gar völlig verschwinden können, hat sich erhöht. Um 1940 betrug die durchschnittliche Lebenserwartung eines Unternehmens noch 75 Jahre. Heute sind es 15 Jahre.
Uncertainty – ein wachsendes Phänomen
Uncertainty steht für Unsicherheit. Sie nimmt zu, etwa weil Entwicklungen und Ereignisse kaum noch vorhersagbar sind. Das sieht man beispielsweise am wirtschaftspolitischen Unsicherheitsindex (vgl. Baker et al., 2017). Er zeigt einerseits immer häufigere, kurzfristige und heftigere Ausschläge, also Verunsicherungen, etwa nach dem Anschlag 9/11, der Schuldenkrise im Euroraum oder der Brexit-Abstimmung. Gleichzeitig steigt – über die Jahre gesehen – die wahrgenommene Unsicherheit insgesamt. Das hat auch ökonomische Auswirkungen – beispielsweise auf das Konsumentenverhalten, Investitionen und Personalentscheidungen.
Oder nehmen wir ein anderes Beispiel: Die Halbwertszeit unsres Wissens. Sie sinkt. Hochschulwissen gilt heute bereits nach zehn Jahren als veraltet, Technikwissen nach drei Jahren, IT-Wissen noch schneller. Folglich müssen wir lernen, anders zu lernen – vor allem aber immerzu. Denn ob gestriges oder heutiges Wissen morgen noch aktuell ist, bleibt ungewiss.
Komplexität – Wer behält den Überblick?
Die Halbwertszeit des Wissens sinkt und doch steigt Wissen exponentiell an. Die Menge wissenschaftlicher Erkenntnisse verdoppelt sich beispielsweise alle fünf bis zehn Jahre. Denn: Nicht alle Erkenntnisse sind irgendwann überholt. Oftmals entstehen übergeordnete, ergänzende oder vertiefende, manchmal aber auch konkurrierende Theorien. Damit nimmt die Komplexität zu, also die Vielschichtigkeit und Verflochtenheit von Sachverhalten. Wir wissen immer mehr, aber wer blickt noch durch?
Auch gesellschaftliche, politische oder ökonomische Systeme, Strukturen und Prozesse werden immer komplexer. Wussten Sie beispielsweise, dass die Jeans, die man heute um die Ecke kauft, bei ihrer Herstellung quasi einmal die Welt umrundet hat? Nie zuvor waren ökonomische Verflechtungen wirtschaftlicher Produktions- und Verbrauchsprozesse so komplex wie heute. Und das dürfte weiter zunehmen, wenn man beispielsweise an Industrie 4.0 bzw. die Smart Factory denkt.
Ambiguität: eindeutig uneindeutig
Und schließlich nimmt die Ambiguität, die Mehrdeutigkeit und Widersprüchlichkeit, zu. Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge verschwimmen, vieles erscheint verwirrend oder gar paradox.
Dazu ein Beispiel, das wir wohl alle kennen. Sydney J. Harris, ein amerikanischer Journalist, sagte einmal treffend: "Our dilemma is that we hate change and love it at the same time; what we really want is for things to remain the same but get better." Gemeint ist, dass wir alle Veränderungen wollen, aber Bewährtes nicht einfach loslassen können (oder wollen). Bei Veränderungen etwa in Unternehmen begegnen uns daher Ehrgeiz und Innovationsdrang ebenso wie Beharrungskräfte und Widerstände. Befürworter und Kritiker mögen gute Argumente haben, so widersprüchlich das auch klingen mag. Denn jede Veränderung ist eine Chance, aber auch ein Risiko. Das war schon immer so. Aber: Wenn sich alles schneller ändert, bekommt man es häufiger mit solchen Paradoxien zu tun.
Widersprüchlichkeit kann sich aber auch ganz anders zeigen: Was heute funktioniert, klappt morgen plötzlich nicht mehr. Alle Fakten liegen auf dem Tisch und doch lässt sich nicht eindeutig bestimmen, was die Zukunft bringt. Fake-News oder "alternative Fakten" erschweren die Beurteilung von Nachrichten und Situationen, Entscheidungen werden schwieriger.
Die VUCA-Welt: alles bleibt neu
Die vier mit VUCA umschriebenen Trends sind miteinander verflochten und bedingen sich gegenseitig. Die gute Nachricht aber ist: VUCA ist nichts Neues. Die Welt ist schon immer schneller, dynamischer, ungewisser, komplexer und widersprüchlicher geworden.
Die schlechte Nachricht ist: In Zeiten zunehmender Verunsicherung wünscht man sich einfache Antworten, klare Statements, Planbarkeit und das Gefühl von Kontrolle und Schutz. Doch das wird den Anforderungen, die VUCA an uns stellt, nicht gerecht. Vielmehr gilt es, wandlungsfähiger, flexibler, schneller und experimentierfreudiger zu werden, Unsicherheiten auszuhalten, aber auch Stabilität und Orientierung zu bieten.
Auch diese Anforderungen unterliegen einer Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Widersprüchlichkeit. Wir müssen lernen, damit zu leben und umzugehen, dass wir weniger Zeit haben, uns an Veränderungen anzupassen oder diese gar mitzugestalten.
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