Am RKW-Vorhaben Digiscouts® haben seit 2018 über 150 mittelständische Unternehmen mit mehr als 500 Auszubildenden teilgenommen. Die betrieblichen Digiscouts-Projekte werden projektbegleitend evaluiert. Jetzt hat eine vertiefende Auswertung der ersten 78 Projekte aus Betrieben mit weniger als 500 Beschäftigten gezeigt, in welchem Umfang ein digitaler Fortschritt erzielt wird und welche Kompetenzen die jungen Menschen vor allem erwerben und ausbauen. Die Studie zeigt auch die Erfolgsfaktoren des Konzepts von Digiscouts® auf.
Fortschritte bei der Digitalisierung starten auf gutem Niveau
Das Spektrum der am Projekt Digiscouts® beteiligten Mittelständler reicht von kleinen Handwerksbetrieben über Architekturbüros, Baugewerbe, Groß- und Einzelhandel, Soziale Dienste bis hin zu zahlreichen Produzenten aus der Metall- und Elektroindustrie.
Die Unternehmen schätzen zu Beginn der Projekte ein, wie sie bei den drei Indikatoren „Nutzung digitaler Technik und Services“, „digitaler Durchdringung der internen Prozesse“ sowie „Einfluss der Digitalisierung auf den Geschäftserfolg“ dastehen. Demnach sind sie bereits „mitten drin“ in der Digitalisierung: Bei allen drei Indikatoren lagen die Durchschnittswerte jeweils bei gut 50 Prozent.
Die Azubiprojekte waren hinsichtlich ihres zeitlichen, finanziellen und personellen Aufwands recht gering dimensioniert. In den lediglich rund sechs Monate dauernden Projekte konnten Zuwächse um etwa zehn Prozentpunkte in den drei Digitalisierungsfeldern, unabhängig von Branche und Größe erzielt werden. Die Erfolge bei den kleinen Unternehmen bis 49 Mitarbeitende fielen etwas größer aus als bei den mittleren und großen Firmen, wohl aufgrund des größeren „relativen Gewichts“ der Projekte in den kleinen Unternehmen. Besonders bei der strategischen Dimension des Einflusses der Digitalisierung auf den Geschäftserfolg konnten die Kleinen überdurchschnittlich zulegen.
Überdurchschnittlich waren die Zuwächse bei den Projekten, in denen Kundenbeziehungen und Angebote digitalisiert wurden. Ein Zusammenhang zwischen der Höhe des Zuwachses und dem wirtschaftlichen Nutzen des Projekts ist offensichtlich: Bezog sich das Projekt beispielsweise auf die Ausbildung selbst, wie die Einführung von digitalen Lernplattformen, wurden wirtschaftlicher Nutzen und Digitalisierungsfortschritt eher gering eingeschätzt.
Zuwächse bei sozialen und personalen Kompetenzen
Das Projekt Digiscouts® ermöglicht in fast idealer Form das arbeitsplatznahe Lernen. Die meistens zwei- bis dreiköpfigen Auszubildendenteams ermittelten Digitalisierungspotenzial und entwickelten Lösungswege. Bei zwei Dritteln der betrieblichen Digiscouts-Projekte kam die Idee von den Azubis. Bei einem guten Viertel der Projekte griffen die Azubis Ideen aus dem betrieblichen Umfeld auf und konkretisierten sie. Die Umsetzung der Projektidee mit dem OK der Geschäftsführung brachte den Auszubildenden häufig eine Expertenposition ein: Sie waren schließlich oft auch diejenigen, die die Mitarbeitenden für die veränderten Prozesse schulten.
Folgerichtig waren aus der Sicht der Ausbildungsverantwortlichen und der Azubis selbst am Projektende Kompetenzzuwächse zu verzeichnen. Mit weitem Abstand standen an der Spitze der Nennungen personale und soziale Kompetenzen wie Selbstorganisation, Problemlösefähigkeiten, Verantwortungsbewusstsein und Kommunikationsfähigkeit (zwei Drittel bis 85 Prozent). Im Ranking folgten Kompetenzen, die inhaltlich auf dem Gebiet der betrieblichen Organisation anzusiedeln sind. So konstatierte die Hälfte der Betriebe Zugewinne beim Verständnis für betriebliche Abläufe und Zusammenhänge. Ebenfalls die Hälfte der Befragten sah einen Zuwachs bei Kompetenzen mit direktem IT-Bezug wie dem Umgang mit Anwendungsprogrammen und dem kritischen Umgang mit Datensicherheit. Beides sind basale Kompetenzen für die alltägliche Nutzung von digitaler Technik.
Bemerkenswert ist: Es waren nicht die hinsichtlich Zielerreichung erfolgreichsten Azubiprojekte, bei denen Ausbildungsverantwortliche die höchsten Kompetenzzuwächse verzeichneten. Etwas besser noch schnitten Projekte ab, die ihre Ziele nicht vollständig erreichten. Die Hürden, die für die Azubis in nicht so glatt verlaufenen Projekten auftauchten, erbrachten offenbar besondere Lerneffekte.
Das Erfolgsrezept von Digiscouts®: Es passt alles gut zusammen
Die Erfolge des Projekts Digiscouts® in den mittelständischen Unternehmen sind auf das Zusammenspiel mehrerer Faktoren zurückzuführen: Das Angebot richtet sich mit der Fachkräftesicherung, Kompetenzentwicklung und der Einführung digitaler Technologien gleich an mehrere Herausforderungen der Betriebe.
Die Befragung der Unternehmen ergab, dass als Motiv für die Teilnahme im Vordergrund stand, den Azubis eine eigenständige Aufgabe zu geben und Know-how zum Projektmanagement zu entwickeln. Später, bei der Entscheidung über die Umsetzung von Digitalisierungslösungen, gaben Prozessoptimierung und Arbeitserleichterungen für die Mitarbeitenden den Ausschlag. Damit waren die Projekte weder eine „Spielwiese“ für die Auszubildenden noch ging es um Digitalisierung als Selbstzweck.
Die Rahmenbedingungen, das Konzept und die Unterstützungsmaßnahmen für die Azubiprojekte entsprechen den Bedürfnissen der kleinen und mittelgroßen Unternehmen. Zentrale Punkte sind dabei der überschaubare Investitions- und Zeitaufwand in den sechs monatigen Projekten sowie transparente, kontrollierbare Stufenfolgen.
Unter berufspädagogischen Gesichtspunkten orientieren sich die Azubiprojekte an Konzepten arbeitsplatznaher Qualifizierung. Grundlegend für diese Lernformen ist die Praxisorientierung. Die Lernenden – hier also die Digiscouts – suchen selbstständig nach Wegen für Problemlösungen, zum Beispiel zur Optimierung von Abläufen. Kompetenzentwicklung und die Durchführung von Verbesserungsmaßnahmen sind miteinander verknüpft.
Arbeitsplatznahe Qualifizierung erfordert eine gut ausgebaute Lernbegleitung und -unterstützung.Mit dem RKWecampus stehen den Azubiteams eine digitale Lerninfrastruktur mit Tools zum Projektmanagement und Fachinformationen zur Verfügung. Ein großer Teil der Kommunikation und der Dokumentation wird über eine Kollaborations-Plattform abgewickelt. Besonders punkten konnte das Projekt in der Studie allerdings mit vielfältigen Unterstützungsleistungen wie Betriebsbesuchen, gemeinsamen Veranstaltungen und Workshops. Diese Betreuungsleistungen sorgten in den Betrieben für eine große Zufriedenheit mit dem Projekt Digiscouts® und waren faktisch die wichtigsten Transportmittel für die fachlichen Inhalte zum Thema Digitalisierung.
Angesichts der nach wie vor erforderlichen Kontakteinschränkungen durch die Corona-Pandemie sind die Veranstaltungen und Workshops jetzt auch auf ein digitales Format umgestellt worden. Die ersten Regionen sind bereits gestartet, andere folgen in diesen Wochen. Es wird sich zeigen, ob das Projekt, dessen Inhalt die Digitalisierung ist, auch voll digital so gut funktioniert wie in der Mischform vor der Krise.
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