Homeoffice boomt in einem bisher nicht dagewesenen Maße. Manche Unternehmen sind diesbezüglich bereits erfahren und andere machen wiederum ihre ersten Erfahrungen damit. Ein Geschäftsführer berichtet zu Beginn der Krise: "In unserem Betrieb stemmen wir gerade die Einführung des digitalen Arbeitens im Zeitraffer. Ich bin davon überzeugt, dass wir davon auch nach der Krise einiges weiter nutzen werden!". Die Möglichkeiten, die durch die heutige Technik gegeben sind, können jedoch dazu verführen, die nötige Abstimmung und Balance zwischen den Erfolgsfaktoren Technik, Organisation und Mensch zu vergessen. Wie zahlreiche Beispiele belegen, muss virtuelle Zusammenarbeit von vielen Menschen und Unternehmen erst (neu) erlernt werden. Gewohnte Formen der Zusammenarbeit – die auf Anweisung, Kontrolle und klassischen Hierarchien beruhen – müssen in diesen Zusammenhängen hinterfragt und neu arrangiert werden.
Vertrauen
Wesentlich für das Arbeiten von zu Hause ist Vertrauen. Beispielsweise können Führungskräfte nicht mehr wie gewohnt sehen was Ihre Leute machen, was durchaus zu Irritationen führen kann. Der irische Managementvordenker John Handy antwortete einmal auf die Frage: "How do you manage people whom you do not see?" mit "The simple answer is, by trusting them". Da Führungskräfte ihre Mitarbeitenden nicht sehen können und engmaschige Kontrollen für alle einen hohen Aufwand bedeuten und in ihrem Nutzen zu hinterfragen sind, ermöglicht Vertrauen, diese Unsicherheit zu reduzieren und produktive Arbeit zu ermöglichen.
Gerade Führungskräfte, die mit dieser Arbeitsform bisher wenig Kontakt hatten, müssen lernen, sich in der virtuellen Zusammenarbeit um den Aufbau einer neuen Balance zwischen Vertrauen und Kontrolle zu bemühen – und dies kann je nach persönlicher Präferenz und Gewohnheit herausfordernd sein.
Kommunikation
Vor wenigen Tagen berichtet eine Geschäftsführerin, dass sie seit der Corona-Krise und der Umstellung auf Homeoffice deutlich mehr führen muss als bisher! Vieles, was im Alltag mal zwischen "Tür und Angel", im Vorbeigehen oder in der Kaffeeküche angesprochen werden konnte, fällt nun weg. Sie berichtet weiter, dass sie jetzt vor allem mehr Zeit für die Kommunikation mit ihrem Team aufwenden muss, da jetzt der persönliche Austausch fehlt. Dies leuchtet ein, wenn man berücksichtigt, dass nicht nur der informelle Austausch im Alltag wegfällt, sondern die Kommunikation mittels digitaler Hilfsmittel feine und wichtige Signale herausfiltert, die für das gegenseitiges Verstehen wichtig sind. Auch wenn viele von uns immer sicherer im Umgang mit den digitalen Kommunikationstools sind und werden, sollten sich Anwender darüber bewusst sein, dass hier wichtige Anteile an zwischenmenschlicher Kommunikation verloren gehen. Führungskräfte sollten diese "Verluste" auf dem „Schirm“ haben, um nicht nur die passenden Tools auswählen zu können, sondern auch, um den "Verlust" bei Bedarf mit mehr Führungs- und Zeitaufwand auszugleichen.
Führen in Zeiten der Kontaktreduzierung
In Zeiten der verordneten Kontaktreduzierung kommt erschwerend hinzu, dass heute nicht nur immens viele Menschen – also Führende und Geführte sowie Homeoffice-Erfahrene wie -Unerfahrene – quasi auf einem Schlag virtuell arbeiten, sondern dass wir alle mit einer Krisensituation konfrontiert sind, die einzigartig und vollkommen neu für uns ist. Was können daraus für Anforderungen an wirksame Führung entstehen?
Je nach persönlicher und familiärer Situation, können spezifische Probleme entstehen, die die Mitarbeitenden (und natürlich auch die Führungskräfte) herausfordern können. Wenn der Chef oder die Chefin, hierbei unterstützen oder zumindest ein offenes Ohr haben können, ist das bereits sehr hilfreich. Führungskräfte sind daher gut beraten, sich neben dem Blick auf die Arbeitspakete und -fortschritte, auch Zeit für die jeweiligen Problemlagen ihrer Mitarbeitenden zu nehmen. Dies kann von "Klappt denn alles mit der Technik?" bis hin zu "Was macht die Krise mit Ihnen persönlich?" reichen; am Ende muss es zur Kultur und zu den jeweiligen Personen passen. Jedoch ist es vielleicht gerade in dieser Situation angebracht, etwas mehr oder anders zu machen, als es in normalen Zeiten üblich wäre. Also, sich gegebenenfalls etwas mehr für den Mensch und sein Wohlbefinden zu interessieren – ganz gleich ob im Einzelgespräch am Telefon oder im virtuellen Meetingraum. Denn am Ende ist die Qualität der Arbeitsleistung besonders in Zeiten der Kontaktreduzierung direkt mit dem Wohlbefinden der Menschen in ihrem Homeoffice direkt verbunden.
Dies mag dem einen befremdlich und der anderen vielleicht selbstverständlich vorkommen, jedoch beobachten wir, dass viele Führungskräfte (besonders die Homeoffice-Ungeübten) in diesen Zeiten, mehr oder weniger, so weiter führen wie bisher. Daher macht es Sinn, das eigene Führungsverhalten im Hinblick auf dessen Wirksamkeit in dieser Situation ehrlich zu hinterfragen und bei Bedarf anzupassen. Dafür ist es beispielsweise hilfreich zu schauen, wie eigene Präferenzen bei Grundbedürfnissen wie Bindung (Nähe vs. Distanz) oder Selbstbestimmung (Freiheit/ Selbst entscheiden vs. Sicherheit/ Vorgaben umsetzen/ Kontrollieren) aussehen und diese in der aktuellen Situation auf ihre Wirkung hin zu prüfen. Hier gilt: Bereits kleine Veränderungen gegenüber dem Gewohnten können eine große Wirkung entfalten.
Was kann ich sonst noch tun?
Einen schnellen ersten Blick in das Thema Führung mittels und über digitale Technik bietet unser Schnelltest "Digitaler Manager".
Eine Möglichkeit das gesamte Führungshandeln zu prüfen und an die aktuellen Bedarfe anzupassen bietet unser Führungsnavigator.
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