agil – lean – soziotechnisch

Was haben die soziotechnische Systemtheorie und daraus folgende Gestaltungsprinzipien mit den Konzepten des Lean Management oder agiler Arbeitsweisen gemeinsam, was unterscheidet sie? Wie werden sie in Unternehmen verstanden und umgesetzt? Und was bedeuten sie für den arbeitenden Menschen? Diesen Fragen stellte sich ein Expertenteam aus Wissenschaftlern und Unternehmenspraktikern auf Initiative des APRODI-Verbundpartners IAQ Institut Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen und auf Einladung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) am 1. Oktober in der Rotunde des DASA in Dortmund.  Der interdisziplinär und international besetzte Kreis führte unter Leitung von Alexander Bendel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IAQ, einen lebhaften Gedanken- und Erfahrungsaustausch. Fazit: Agil- und Lean-Konzepte enthalten durchaus wichtige Elemente des soziotechnischen Ansatzes und vice versa. Es kommt allerdings darauf an, ob sie „regelrecht“, den ursprünglichen Konzepten gemäß, gelebt werden. Denn „unerwünschte Nebenwirkungen“ sind möglich und werden auch allenthalben beobachtet.

In seiner Einführung legte Heiko Tholen aus der Perspektive der Arbeitspsychologie die Grundzüge agilen Arbeitens  dar. Es handele sich um

zielgerichtete, evidenzbasierte und strukturierte Lernprozesse, die es erlauben, sowohl die Arbeitsinhalte, die Arbeitsprozesse, die Zusammenarbeit als auch die Organisationsstrukturen den aktuellen Bedingungen anzupassen …" (Pfister&Müller 2019) 

Dabei wirkten hohe Transparenz, vielfältige Rückmeldeschlaufen sowie ein hohes Maß an Selbstorganisation und -verantwortung sich besonders erfolgreich aus. Dimensionen, die auch beim soziotechnischen Gestaltungsansatz eine wichtige Rolle spielen. Tholen betonte, dass diese positiven Aspekte jedoch häufig konterkariert würden, was nicht zuletzt auf ein grundsätzliches Missverständnis von Agilität zurückzuführen sei. Wenn etwa das Konzept auf strenge Hierarchien träfe, der Flexibilitätsanspruch sich auf die Mitarbeiter konzentriere und ein Arbeiten ohne Regeln und Verbindlichkeit damit gemeint sei. Jörg Bahlow, GITTA mbH, seit vielen Jahren Berater für agile Projekte, bestätigte diesen Befund. Es sei wichtig, sich der Grundregeln immer wieder bewusst zu werden und diese regelmäßig zu reflektieren.

Frank Lennings, Fachbereichsleiter Unternehmensexzellenz am  ifaa - Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e.V., fasste die Prinzipien des Lean Managements, die auf die Grundlagen des Toyota Produktionssystems (TPS) zurückgehen, zusammen. Es gehe um Erhöhung der Wirtschaftlichkeit durch konsequente und gründliche Beseitigung jeglicher Verschwendung ...

mit gleichzeitiger Betonung des Respekts vor dem Menschen."

Gerade letztere Forderung geriete allerdings in der betrieblichen Realität häufig zugunsten immer schlankerer Prozesse und schrumpfender Ressourcenpuffer ins Hintertreffen. Als Voraussetzung für ein Funktionieren von Lean Management nannte der Referent gute Führungskräfte. Sie sind: 

  • Vorbilder für die Mitarbeiter, auch im privaten Bereich
  • Mentoren, die junge Mitarbeiter heranziehen können.
  • Motivatoren, die andere begeistern können, ohne selbst im Vordergrund zu stehen.
  • Unternehmer, die gesamtheitlich denken können.

Nach einem Kurzreferat von Anita Tisch, BAuA, zum Thema Herausforderungen der Digitalisierung der Arbeitswelt in Bezug auf Gesundheit, Lernförderlichkeit und Partizipation waren die Gäste aufgefordert, in unterschiedlich zusammengesetzten moderierten Gesprächsrunden zu überlegen, welche Konzepte diese drei Elemente aufweisen. Es zeigte sich in den Diskussionen, wie zu erwarten, dass der soziotechnische Ansatz, die größten Chancen bietet, allen drei Ziele gleichermaßen gerecht zu werden.  

Obgleich viel Erhellendes an diesem Tag gesagt und zum Teil überraschende Parallelen zwischen den Gestaltungskonzepten, Licht- und Schattenseiten beschrieben wurden, die Teilnehmenden sahen sich erst am Beginn eines längeren interessanten Diskurses ...

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