Als Besucherin der virtuellen Fachtagung hörte ich die spannenden Ausführungen von Herrn Prof. Henner Gimpel, Universität Hohenheim/Augsburg. Er berichtete in seinem Beitrag über die Ergebnisse der Studie "Gesund digital arbeiten?!"  Sie war 2019 im Rahmen des Forschungsprojekt PräDiTec bundesweit durchgeführt worden. Grundlage war eine online-Befragung unter 5.000 Erwerbstätigen. Darin wurden die Verbreitung von digitalem Stress, dessen Einflussfaktoren und Folgen untersucht. Die Studie nennt 12 verschiedene mögliche Belastungsfaktoren. Darunter zählt z.B. das Gefühl, mehr und schneller arbeiten zu müssen (Überflutung). Auch das Empfinden von „Omni- bzw. Dauerpräsenz“ und der damit verbundenen ständigen Erreichbarkeit bzw. fehlende Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben gehört zu den Belastungsfaktoren. 

Was stresst die Beschäftigten?

Mehr als ein Drittel der Befragten waren der Meinung, mindestens einem der 12 Faktoren sehr stark ausgesetzt zu sein. Als sehr stark ausgeprägte Belastungsfaktoren galten dabei das Empfinden zunehmender Leistungsüberwachung  und -bewertung, einer möglichen Verletzung der Privatsphäre (Gläserner Mensch). Aber auch die Unzuverlässigkeit digitaler Technologien und Medien sowie Unterbrechungen bei der Arbeit zählten dazu. Im Vergleich zeigte sich, dass Erwerbstätige aus kleineren Unternehmen tendenziell weniger über stark ausgeprägte Belastungsfaktoren digitaler Arbeit berichteten.

Die Studie wies auf wichtige Rahmenbedingungen und Zusammenhänge hin, die auf die Empfindung digitalen Stresses Einfluss haben

  • Soziale Konflikte am Arbeitsplatz, hohe emotionale Anforderungen sowie eine hohe Arbeitsquantität
  • Der Digitalisierungsgrad des Arbeitsplatzes (Kombination aus der Anzahl genutzter digitaler Technologien und Medien sowie deren Nutzungsintensität)
    Werden z. B. wenige Technologien häufig genutzt, äußern die befragten Erwerbstätigen selten, dass sie wegen des Einsatzes digitaler Technologien und Medien mehr und schneller arbeiten müssen. Bei seltener Nutzung vieler Technologien findet sich als Belastungsfaktor insbesondere die Notwendigkeit, die eigenen Fähigkeiten aufgrund ständiger Wechsel weiterentwickeln zu müssen.
  • Beschäftigte in innovativen Unternehmen, die sich durch Kreativität und Risikobereitschaft auszeichnen, sind offenbar von stärkerem digitalem Stress betroffen. Umgekehrt scheinen Beschäftigte in Unternehmen, die durch ausgeprägte Hierarchien gekennzeichnet sind und bürokratische Strukturen aufweisen, nur von geringem digitalem Stress betroffen.

Potenzielle Folgen

Digitaler Stress und die sich daraus ergebenden Folgen sind sowohl für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen als auch die Gesundheit von Beschäftigten von Belang. 

Das zeigt sich in folgenden Befunden:

  • Vergleiche zwischen Personen mit geringem und starkem digitalem Stress zeigen, dass starker digitaler Stress auch häufiger mit spezifischen Gesundheitsbeschwerden, wie psychischen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems, einhergeht.
  • Erwerbstätige mit starkem digitalem Stress berichten häufiger, nicht abschalten zu können oder den Beruf zu wechseln und zeigen eine schlechtere Leistung. Sie sind außerdem unzufriedener mit ihrer Arbeitsstelle.

Bewältigungsstrategien und Prävention

Die Studie hatte auch erhoben, welche individuellen Strategien zur Bewältigung von den Befragten bevorzugt eingesetzt werden. Am häufigsten genannt wurden fünf Strategien:

  1. Die Dinge von einer positiveren Seite betrachten
  2. Aktiv handeln, um die Situation zu verbessern
  3. Die Dinge mit Humor nehmen
  4. Sich einen Plan überlegen
  5. Lernen, mit der Situation zu leben

Es zeigt sich, dass Erwerbstätige, die digitalem Stress ausgesetzt sind und gleichzeitig auf vielfältige Weise versuchen, den auftretenden Stress zu bewältigen, ihre Gesundheit besser einschätzten, als die, die nur wenige Strategien zur Bewältigung kannten. Gleiches gilt für die Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit, in der Freizeit von der Arbeit abzuschalten.

Um den potenziellen negativen Konsequenzen digitaler Belastungen entgegenzuwirken und präventive Maßnahmen einzuleiten, geht es – laut Projektergebnissen – folglich  vor allem um die Sensibilisierung von Führungskräften und Beschäftigten. Erfolgversprechende Maßnahmen, die den Arbeitsalltag entlasten, finden sich auf technischer, organisationaler wie personenbezogener Ebene, z.B. als

  • temporäre Stumm-/Abschaltung von diversen Geräten bzw. Funktionen mit definierten Favoriten für Notfälle)
  • Einrichtung von „Stillarbeitsplätzen“
  • Einrichtung von Erreichbarkeits- und Kommunikationsregeln
  • Einführung eines Help Desks 
  • Ansprechpartner für digitalen Stress
  • Schulungen im Umgang mit neuen Technologien,
  • Unterweisungen in Selbstmanagement

Eine wichtige Rolle spielt auch das Thema  Unternehmenskultur

Kulturelle Maßnahmen sind unvermeidbar, um Respekt, Kommunikation und Wertschätzung klar zu verankern. Erwartungshaltungen sollen klar kommuniziert und Teamnormen eingeführt werden..."  (Quelle: Belastungsfaktoren der digitalen Arbeit)

Im Zuge der Pandemie und der damit einhergehenden Verlagerung vieler Arbeitsplätze ins Homeoffice wurden im PräDiTec-Forschungsprojekt 2020 weitere  Erhebungen durchgeführt, die  zum Teil eine andere Schwerpunktsetzung bei den gemeldeten Belastungsfaktoren erkennen ließen.

Unser Tipp zum Thema:

Um das Thema „Digitale Arbeit gesundheitsförderlich gestalten – Wie kann Technostress vermieden werden“ ging es auch in der Keynote von Prof. Dr. Nico Dragano anlässlich der Fachtagung des RKW-Arbeitskreises „Gesundheit im Betrieb“ am 11.11.2020.

Bildquellen und Copyright-Hinweise
  • © simonthon.com / Photocase – Frau am Arbeitsplatz (763_frau_am_arbeitsplatz.jpg)

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