Politiker und Wissenschaftler verweisen fast reflexartige auf sogenannte besondere Zielgruppen, wenn es um Lösungen für Fachkräftengpässe geht: Menschen mit Behinderung, Frauen, Ältere... Bloß hat das relativ wenig mit den Interessen der einstellenden Unternehmen zu tun. Die brauchen Fachkräfte (oder solche, die es werden wollen) mit ganz bestimmten Kompetenzen, die zu diesem speziellen Betrieb passen. Sicher ist es vernünftig, dabei ohne Scheuklappen vorzugehen und jedem Bewerber eine faire Chance zu geben. Aber beispielsweise Menschen mit Behinderung als Ausweg aus den Fachkräftengpässen anzupreisen, ist ebenso wenig sinnvoll, wie es vor zwei Jahren das Hochloben der Geflüchteten als Lösung des demografischen Problems in Deutschland war.
In jedem Menschen schlummern Talente, die Kunst ist es, sie zu wecken. Und als Unternehmen Nutzen aus diesen Talenten zu ziehen. Die Ott Electronic GmbH beispielsweise bildet gern eine junge Frau mit Hörgerät aus. Denn sie ist als künftige Hörgeräteakustikerin eine sehr kompetente Gesprächspartnerin für ihre Kunden. Für das Unternehmen ist das eine Herzensangelegenheit, aber eine, die sich auch rechnen muss. Genauso setzen Möbelhäuser auf älteres Verkaufspersonal, weil das eher die Vorlieben der zahlungskräftigen Kunden über 60 erkennen und bedienen kann.
Svenja Fabian, eine blinde junge Psychotherapeutin, haben wir im letzten Jahr bei unserer Bootstour zum Diversity-Tag kennengelernt. Sie räumt mit den Vorurteil auf, dass eine blinde Therapeutin für den Patienten vorteilhaft wäre, weil sie sich ja kein Bild machen könne. "Die Stimme, der Händedruck - da mache ich mir schon ein Bild," sagt sie. Für ihren Arbeitgeber zählt am Ende, ob ihre Patienten die Therapie erfolgreich abschließen. Ob das mit Blickkontakt oder ohne geschieht, spielt dafür keine Rolle.
Vorbehalte überwinden
Unternehmen haben zu oft Vorbehalte gegenüber Mitarbeitern mit Behinderung, das stimmt. Die wenigsten denken allerdings darüber nach, dass weit über 90 Prozent aller Behinderungen erst im Laufe des Lebens "erworben" werden. Wer also heute einen gesunden Azubi einstellt, hat vielleicht morgen einen behinderten Mitarbeiter nach einem Unfall, einer Krankheit. Und dann? Die Frage ist meistens, wie derjenige seine Kompetenzen weiterhin für das Unternehmen einbringen kann. Denn deswegen wurde jemand eingestellt, weil er etwas kann, etwas ist, das dem Betrieb nützt. Und das bleibt so. Was derjenige konkret nun für den Betrieb tut, das kann sich ändern, vielleicht auch "nur" die Art und Weise, wie er es tut.
Und sind wir mal ehrlich: Wer von uns entspricht zu 100 Prozent dem "Idealkandidaten" für einen Job/für seinen Job? Was uns fehlt, ist das Bewusstsein für Vielfalt. In jedem Einstellungsprozess geht es um Kompromisse und um eine möglichst gute Passung. Hinterher stellt man dann häufig fest, dass die Vielfalt, der nicht so ganz passgenaue Kandidat eine große Bereicherung für das Team ist. Wenn Sie dazu mehr erfahren möchten, können Sie sich auf den Diversity-Check freuen, den wir mit Partnern für INQA entwickeln.
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