Der nächste Fachkräfte-Newsletter beschäftigt sich mit dem Thema Pause. Da meine "Pause" etwas länger andauerte, fragte mich die Kollegin, ob ich darüber nicht berichten wolle. Nun denn, der Bitte komme ich gerne nach: zwei Monate frühsommerlicher Auszeit in einem Blogartikel und der Versuch, dieser Zeitspanne Erkenntnisse abzuringen ...

Am Anfang war das Nichts

Von jeher war ich ein großer Freund von Urlauben. Meistens zwei Wochen am Stück und dies dreimal gut über das Jahr verteilt - das brachte den gewünschten Erholungseffekt; das redete ich mir zumindest stets ein. Andererseits heißt es, Erholung und Entspannung begönnen erst ab der dritten Urlaubswoche. Habe ich das bisher immer falsch gemacht oder mir nur eingebildet, ich wäre erholt und hätte ein wenig Abstand gewonnen zu allem, was den Alltag und die Arbeit stressiger zu machen pflegt?

Ich zweifelte daran. Auch, weil ich die Notwendigkeit sah oder spürte, mich "noch erholter" zu fühlen. Ich brauchte einen Plan. 60 Tage Zeit, um alles anders zu machen. Oder alles umzukrempeln. Und worauf gründete ich meinen Plan? Auf (Erholungs-)Erfahrungen. Prima! So viel also zum Vorsatz, alles anders anzugehen ...

Phase 1: Den Alltag vergessen

Es gibt einschneidende Erlebnisse, die kommen einer Initiation gleich, weil sie uns fürderhin begleiten. Vor ein paar Jahren lief ich den Jakobsweg - zumindest die letzten 300 Kilometer dieses Pilgerweges. 14 Tage, die mich lehrten, nur zu gehen, zu essen und zu schlafen. Hart für den Körper, doch gut für den Geist. Seit dem schnüre ich mindestens einmal im Jahr mehrtägig die Wanderschuhe, um diese Schnellstraße in die Alltagsabstinenz zu beschreiten. Möglichst rasch wollte ich auch dieses Mal die tatsächlichen wie eingebildeten Belastungen meiner Arbeit wie meiner Freizeit hinter mich lassen und die Auszeit mit viel Abstand zum Alltag beginnen, daher wählte ich eine knapp zweiwöchige Wanderung aus. Ich wanderte im Südwesten Portugals einen weniger bekannten Fernwanderweg, lernte dadurch ein neues Land auf entschleunigte Art und Weise kennen, fluchte häufig genug darüber, dass meine Füße so schmerzten, aber schaffte es, den Gedanken-Aus-Knopf zu drücken und abzuschalten. Herrlich! Ich war natürlich nicht erholt, aber ich fühlte mich nach dieser Zeit schon etwas wohler in der eigenen Haut. An meine Arbeit oder an private Dinge dachte ich kaum - eine gute Voraussetzung für den nächsten Schritt ...

Phase 2: Erholung und Genuss

Wandern ist manchmal Schinderei, so gut der geistige "Reset" auch immer sein mag. Man braucht – paradoxerweise – Erholung. Für mich bedeutete es, sich sozusagen doppelt zu erholen: zum einen von der Wanderung, zum anderen vom Alltag, den ich weiter hinter mir lassen wollte. Phase 2 meines Planes sah entsprechend vor, den Abstand zum Alltag zu vergrößern, nur diesmal garniert mit Müßiggang und Genuss statt mit Blasen an den Füßen und körperlicher Erschöpfung. Ob drei Wochen in der Toskana diesem Vorhaben entgegenkämen? Oh ja!

An der Stelle geht es nicht darum, was ich im Einzelnen machte, sondern was es auslöste oder bewirkte. Diese Faustregel, richtige Erholung begönne in der dritten Ferienwoche, kann ich nicht bestätigen. Ich hatte eher das Gefühl, dass Woche 4 den Schalter umlegte. Ich fing zwar wieder an, mir Gedanken über dies und jenes zu machen, aber es nahm mich nicht ein. Ich begann, den Tag zu genießen, mich an Kleinigkeiten zu erfreuen und alles schlichtweg mit mehr Wohlwollen und Optimismus zu betrachten. Dass nebenher eine Liebe zur toskanischen Küche (nicht nur das Essen und Genießen, sondern auch die Zubereitung) entflammte, nahm ich als zusätzliches Schmankerl im doppelten Wortsinne gerne mit. Anschauungsunterricht in Lebensqualität à la "Life is all about quality time" inklusive. Die Rückkehr nach Hause fiel dementsprechend schwer.

Phase 3: Den Alltag neu gestalten

Die ersten fünf Wochen liefen nach Plan. Zuhause angekommen, wartete jedoch die schwerste Herausforderung auf mich: das Gewonnene in den Alltag zu integrieren, um nach der Auszeit im Ganzen das tägliche Leben anders angehen zu können. Anspruchsvoll bis unmöglich, so dachte ich vorher, wollte es jedoch trotzdem probieren. Und leider behielt ich recht. Vier Wochen hatte ich Zeit, den Wiedereinstieg in den Sport zu schaffen, die Ernährung umzustellen, mich tiefer in ein neues Hobby einzuarbeiten (so die drei Etappenziele, die ich mir vorab gesetzt hatte) oder auch liegengebliebene Dinge endlich mal abzuarbeiten. Speziell letzteres klang schon sehr nach Alltag. Oder nach Pflicht. Kurz: Für mich jedenfalls war die zweite Hälfte der Auszeit nicht das, was ich mir vorgenommen oder erhofft hatte. Sich etwas Gutes zu tun oder sich zu disziplinieren, sich etwas Gutes zu tun, sind definitiv zwei verschiedene Paar Schuhe. Nichtsdestotrotz sind natürlich vier Wochen Freizeit zuhause ein Luxus, den man sich sonst im Arbeitsleben nur sehr mühevoll oder gar nicht leisten kann.

Phase 4: Zurück in die Vergangenheit

So spät nun zur Frage, warum ich diesen Artikel schreibe. Meinem eigenen Fazit möchte ich ein weiteres Fazit ableiten, dass die gemachten Erfahrungen in allgemeiner gefasste Erkenntnisse überführen soll - mit Pausenblick sozusagen.

Die Rückkehr ins Büro fühlte sich ein Stück weit an wie das Wiedereintauchen in eine andere Welt. Wo Urlaub etwas Distanz und etwas Erholung schafft, ist eine Auszeit hingegen eine andere Dimension ebenso an Distanz wie an Entspannung und Erholung. Eine unglaubliche Chance. Eine Herausforderung. Doch am Ende auch eine Bürde. Wieso?

Zwei Wochen frei zu haben ist beabsichtigte Erholung, eine Auszeit zu nehmen hingegen ist Orientierung. Und das nicht unbedingt bewusst, aber umso unumgänglicher. In Bezug auf meine tägliche Arbeit versprach ich mir das Aufladen der Akkus, insbesondere in Hinblick auf Kreativität und neue Impulse. Doch unweigerlich ist der Weg zurück weiter als der übliche. Dessen muss man sich gewahr sein.

Wem es darum geht, sich vom Arbeitsalltag zu erholen und mit neuen Kräften zurückzukommen, der sollte über drei oder gar vier Wochen Urlaub am Stück nachdenken (was sich wenige wirklich trauen) - er wird mit mehr Elan und auch neuen Ideen zurückkehren können. Wer dagegen eine Auszeit plant, sollte bei all der Erholung grundlegend offen dafür sein, dass er nicht Herr seiner Zeit und Ziele ist - denn so viel Zeit und Abstand sind nicht beherrsch- oder planbar, es ist ein Schritt in eine Ungewissheit, die wunderbare Erfahrungen bereithalten, aber auch persönliche Standpunkte und Ansichten radikal verändern kann. Das ist Chance wie Risiko zugleich. 

Ich persönlich bin mit mir mit Blick auf den Arbeitsalltag nicht im Reinen, was überwiegt: Ich bilde mir ein, durch diese zwei Monate wirklich die "Arbeitsakkus" vollständig aufgeladen und gleichzeitig mein Verhältnis zur Arbeit auf eine gesündere Grundlage gestellt zu haben. Ich merke jedoch ebenfalls, dass mir Selbstverständliches nicht mehr selbstverständlich, ja manchmal sogar fremd vorkommt. Ein Gefühl, worüber ich mir bei der nächsten Auszeit Gedanken machen werde - wann auch immer sie möglich ist. Denn das ist eine weitere Erkenntnis dieser Zeit: Diese zwei Monate waren ungemein bereichernd. Und diese Erfahrung möchte ich noch häufig wiederholen. Probieren Sie es selbst - im Rahmen des Möglichen. Und planen Sie nicht, sondern lassen Sie sich schlichtweg darauf ein.

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