Was kann man aus Arbeitgeberwettbewerben lernen, ohne selbst daran teilzunehmen?
Jedes Jahr veröffentlichen kostenpflichtige Wettbewerbe wie „Top Job“ oder „Great Place to Work“ ihre Rankings der beliebtesten Arbeitgeber vor. Kann man als stiller Beobachter daraus etwas lernen?
Ja, denn man erfährt, mit welchen Themen Arbeitgeber bei potentiellen Mitarbeitern ankommen wollen. Für das strategische Personalmarketing fast noch wichtiger sind die Ergebnisse der Befragung von Arbeitnehmern und Hochschulabsolventen, was ihnen bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber wichtig ist. Damit kann man sich ein gutes Stück der eigenen Marktforschung sparen.
Was liegt Arbeitnehmern besonders am Herzen?
Das Einkommen rangiert gar nicht so weit oben. Insbesondere junge Leute achten sehr darauf, wie sich ein Arbeitgeber zu gesellschaftlich wichtigen Themen stellt. Auf der Wunschliste stehen Diversity, also eine an Geschlechtern und Nationalitäten möglichst bunt gemischte Belegschaft, Flexibilität bei der Gestaltung der Arbeitszeit sowie eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Zu den Klassikern gehören Unternehmenswerte, was Gerechtigkeit und Fairness allen Mitarbeitern gegenüber einschließt, und Sinnstiftung der Arbeit. Von aktueller Brisanz ist die Frage, was Unternehmen für Flüchtlinge tun. Davon werden möglicherweise viele Arbeitgeber aufgeschreckt, weil sie sich damit noch gar nicht beschäftigt haben. Potentielle Mitarbeiter wollen das aber wissen.
Was lässt sich aus den Auswertungen, über die immer viel berichtet wird, sonst noch schließen?
Wo und wie sich die einzelnen Unternehmen innerhalb ihrer Branche und Region positionieren. Man lernt seine Wettbewerber besser kennen und kann ihre Selbstdarstellung mit der eigenen vergleichen.
In der Mitarbeitergunst vorne liegen fast immer große, bekannte Unternehmen. Was kann sich ein Betrieb mittlerer Größe davon abschauen?
Jedes Thema, das in den Augen von Mitarbeitern von Bedeutung ist, muss auch ein kleines oder mittelgroßes Unternehmen interessieren. Denn die Zielgruppe des Recruitings ist die gleiche. Und längst nicht alle Arbeitnehmer träumen von einer Konzernkarriere. Die Menschen schauen sehr viel genauer hin und unterscheiden Worte von Taten.
Wie setzt man das, woran eine große Anzahl Arbeitnehmer interessiert ist, im Personalmarketing um?
Als erstes muss ich prüfen, inwieweit das für mein Unternehmen relevant ist. Für einen Straßenbaubetrieb mit überwiegend männlichen Mitarbeitern oder für die Zahnarztpraxis ist Diversity womöglich kein Thema. Eine Anwaltssozietät oder Beratungsgesellschaft, in der für Spitzenleistungen Spitzengehälter bezahlt werden, braucht vielleicht keinen Betriebskindergarten. Es gibt Themen, die passen zum eigenen Unternehmen und andere nicht. Das ist der große Vorteil des Mittelstandes! Ein Konzern muss sich mit allen gesellschaftlichen Strömungen auseinandersetzen.
Ich habe die für mein Recruiting wichtigen Themen identifiziert. Wie geht es weiter?
Tue Gutes und rede darüber. Aber Vorsicht: Man kann nicht kommunizieren, was man nicht schon geleistet hat. Nötig sind ein Plan, eine Strategie, ein Budget und nachhaltige, vorzeigbare Erfolge. Kontinuität ist im Personalmarketing ganz wichtig. Einmalaktionen kosten nur und bringen nichts.
Mehr zum Thema: www.strategische-personalarbeit.de
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