In diesem Jahr feierte der RKW-Arbeitskreis "Gesundheit im Betrieb" sein 25jähriges Bestehen. Anlass genug, einen Blick auf die bisherigen Themen und Aktivitäten der Mitglieder zu werfen, aber vor allem aktuelle Fragen aufzugreifen, die durch die Entwicklungen der letzten Monate für die Unternehmenspraxis an Brisanz gewonnen haben.
Die im Zuge der Corona-Pandemie notwendigen Maßnahmen haben die Betriebe sehr geprägt. Vielerorts ist Kurzarbeit notwendig und das "Homeoffice" wurde schlagartig zum Standard. Es galt und gilt immer noch, mit neuen Arbeitszeit- und Hygieneregelungen umzugehen. Schon verfestigen sich hier und da neu gewonnene Ansätze. Doch was ist gut, was wollen wir im Betrieb bewahren? Worauf müssen wir achten?
Um dies zu diskutieren trafen sich am 11. November 2020 Interessierte aus Betrieben und Organisationen zu einer virtuellen, interaktiven Fachveranstaltung.
Die Dokumentation der Vorträge und Ergebnisse finden Sie unten bei den jeweiligen Programmpunkten.
Das Programm
10.30 Uhr | Begrüßung |
10.40 Uhr | Impulse der Veranstalter
|
11.00 Uhr | "Digitale Arbeit gesundheitsförderlich gestalten – Wie kann Technostress vermieden werden?" Keynote Prof. Dr. Nico Dragano, Düsseldorf |
12.30 Uhr | Themenräume I => Präsentationen siehe unten |
14.00 Uhr | Themenräume II Wiederholung der 5 parallelen Themenräume |
15.15 Uhr | Resümee und Verabschiedung |
Keynote: Digitale Arbeit gesundheitsförderlich gestalten – Wie kann Technostress vermieden werden?
Prof. Dr. Nico Dragano lehrt medizinische Soziologie am Universitätsklinikum Düsseldorf. Seine Forschungsschwerpunkte sind psychosoziale Risikofaktoren am Arbeitsplatz, Digitalisierung der Arbeit, Epidemiologie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Prävention am Arbeitsplatz.
Themenraum 1: Arbeitszeitgestaltung in bewegten Zeiten
Mit dem Zuwachs neuer mobiler Arbeitsformen und der vermehrten Nutzung des „Homeoffice“ tauchen Fragen der Arbeitszeit auf und wie diese gesund zu gestalten ist. Wie vermeiden Sie Belastungen, die sich häufig auch durch „freiwillige Selbstausbeutung“ der Mitarbeitenden ergibt? Wie können Sie gemeinsam mit der Belegschaft Regelungen finden, die von allen „gelebt“ werden?
Weitgehende Einigkeit bestand bei den Teilnehmenden im Workshop darüber, dass längerfristig der 8-Stundentag passé ist. Hervorgehoben wurde durch die Berichterstattung in diesem Zusammenhang das Beispiel eines österreichischen Unternehmens, das die 30-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich praktiziert. Das Unternehmen verzeichne eine deutlich bessere Gesundheit der Mitarbeitenden, höhere Arbeitszufriedenheit, aber auch höhere Umsätze und vor allem eine höhere Arbeitgeberattraktivität. Die meisten der im Workshop mitwirkenden Personen, waren mit dem Arbeiten im Homeoffice zufrieden. Sie wollten entsprechende Angebote in Zukunft ausweiten bzw. ausgeweitet sehen. Als erstrebenswert galt eine Mischung zwischen Homeoffice und Präsenztagen im Büro. Die Diskussion entspann sich über geeignete Unterstützung und ergonomische Einrichtung im Homeoffice, die Einhaltung von Arbeitszeit, Anforderungen an Führung, Autonomie bzgl. Arbeitszeit und Arbeitsort.
Präsentationen:
- "Arbeitszeitgestaltung in bewegten Zeiten - Arbeitszeitgesetz und Mobiles Arbeiten"
Kathrin Belten, Hessisches Ministerium für Soziales und Integration - "Das Experiment Homeoffice,Fluch oder Segen?"
Thomas Fabich, RKW Hessen GmbH - "Mobiles Arbeiten Zuhause - Wie sicher und gesund in Zeiten von COVID-19 im „Homeoffice“ gearbeitet werden kann"
Karlheinz Kalenberg, VDSI e.V.
Themenraum 2: Betriebliches Gesundheitsmanagement heute
Mit der rasanten Entwicklung digitaler Technologien kommen neue Arbeitsmittel zum Einsatz, es ändern sich Arbeitsformen und Führungsmodelle. Ihr Gesundheitsmanagement muss sich individuell auf die betrieblichen Gegebenheiten einstellen. Unternehmensbeispiele bieten Inspiration, geben Hinweise auf erfolgreiche Konzepte und die Praxistauglichkeit digitaler Instrumente.
Im Resümee zu diesem Workshop wurde berichtet, dass die Teilnehmenden mehrheitlich der These zustimmten, dass sich der Digitalisierungsschub positiv auf das Betriebliche Gesundheitsmanagement ausgewirkt hat. Da viele Kolleginnen und Kolleginnen im Homeoffice arbeiteten, stünden die Chancen gut, entsprechende digitale Tools zu nutzen. Diese dürften jedoch nicht alleinstehen, sondern sollten unbedingt mit analogen Angeboten kombiniert werden. Herausforderungen in der praktischen Umsetzung würden seitens der Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor allem darin gesehen, Mitarbeitende in Verwaltungsbereichen und Produktion „unter einen Hut“ zu bekommen.
Zusammenfassende Präsentation des Workshops:
Themenraum 3: Die Gefährdungsbeurteilung (Psyche) zwischen Küchentisch und Raketenwissenschaft
Die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung im Hinblick auf psychische Belastungen ist nicht nur Pflichtprogramm, sondern kann Ihrem Unternehmen auch beträchtliche Vorteile bieten. Wie können Sie die gesetzlichen Anforderungen ohne großen Aufwand erfüllen, wie die Prozesse gewinnbringend für sich und die Beschäftigten gestalten und wo erhalten Sie Unterstützung?
Mit dem Titel „Zwischen Küchentisch und Raketenwissenschaft“ sollte das Spektrum beleuchtet werden, wie unterschiedlich Betriebe schon allein aufgrund ihrer Größe und Struktur bei der Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich psychischer Belastungen vorgehen müssen, um zu verlässlichen Ergebnissen zu kommen und erfolgreiche Maßnahmen entwickeln zu können. Präsentiert wurde zunächst die die Vorgehensweise in einem Kleinstbetrieb. Dreiviertel der Teilnehmenden konnten sich die dort praktizierte Methode des moderierten Workshops für ihren Betrieb vorstellen. Weitaus komplexer ging es in dem Beispiel der Stadt Frankfurt zu. Dort sind 14.000 Mitarbeitende in den unterschiedlichsten Arbeitsbereichen in eine Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen. Beispielhaft wurde eine Toolbox vorgestellt, die die einzelnen Betriebe in die Lage versetzt, dezentral zu agieren. Gerade der Blick, was zentral möglich ist, und was „vor Ort“ durchgeführt werden muss, wurde hier sehr deutlich, so die Berichterstatterin. Die Diskussion drehte sich denn u.a. darum, wie Arbeitsbereiche sinnvoll zusammengefasst werden können. Eine große Herausforderung stelle nicht nur die Motivation der Beschäftigten, sondern vor allem auch der Führungskräfte dar, sich mit dem Thema psychische Belastungen auseinanderzusetzen und die Gefährdungsbeurteilung als Chance zu sehen.
Präsentationen:
- Begrüßung und weitere Hinweise
Claudia Flake, Regierungspräsidium Gießen - Workshopdemonstration (Moderationscharts und Lösungscharts)
Nadja Gabriel, Schunk GmbH - Praxisbeispiel Stadt Frankfurt
Antonio Muayi, Stadt Frankfurt am Main
Themenraum 4: Hier bekommen Sie Unterstützung
Mit der Umsetzung gesetzlicher Anforderungen zu Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit lassen wir Sie nicht allein! Sozialleistungsträger präsentierten ihre umfangreichen Unterstützungsangebote.
Es wurde eine beeindruckende Vielfalt von in der Regel kostenlosen Serviceleistungen für Unternehmen vorgestellt. Lobend wurde die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure hervorgehoben, so dass Unternehmen, ganz gleich, wohin sie sich mit einer Anfrage wenden, an die richtige Kontaktperson vermittelt werden könnten. Lebhafte Beteiligung wurde in der Diskussion um mögliche Stellschrauben im Betrieb im Hinblick auf die Gesundheit der Beschäftigten verzeichnet. Platz 1 nahm das Thema „Führung“ ein. Es sei Fülle von Ideen entwickelt worden, was man tun muss, um Führung besonders schlecht zu gestalten.
zur Gesamtpräsentation des Themenraums
Beiträge von: Antje Bergmann, Integrationsfachdienst Frankfurt - Integrationsamt Hessen / Edith Münch und Susanne Petry, Berufsgenossenschaft Holz und Metall / Johannes Olbrich, Deutsche Rentenversicherung Hessen / Birgit Pelc, IKK classic / Volker Zieten, Verwaltungs-Berufsgenossenschaft
Moderation: Ulrike Heitzer-Priem, RKW Kompetenzzentrum
Themenraum 5: „Tour de Corona“ im Team bewältigen – Führen in der Krise
Das Management von Veränderungsprozessen stellt in Zeiten der Corona-Pandemie noch einmal besondere Anforderungen an die Führung. Im Rahmen einer "Tour de Corona" reflektierten wir, was die Unternehmen bisher geschafft haben. Was davon ist es wert, beibehalten zu werden? Wie können sie die Errungenschaften weiterentwickeln, um im Team die nächsten Etappenziele zu erreichen?
Insgesamt fiel die Einschätzung der Teilnehmenden über in Pandemiezeiten Erreichtes überwiegend positiv aus. Die meisten hätten nach eigener Aussage dies zu Anfang des Jahres so nicht erwartet. Die Referentinnen wiesen darauf hin, dass der eigene Anteil an diesen positiven Entwicklungen von Führungskräften wie von Teammitgliedern häufig zu gering eingeschätzt wird. Es wurde empfohlen, sich die Zeit für eine gemeinsame Reflexion des Geleisteten zu nehmen und Schlüsse für die Zukunft daraus zu ziehen. Insgesamt stand das Thema Kommunikation im Fokus und wie sie im Unternehmen – auch auf Distanz – weiter gepflegt werden kann. Meeting-Plattformen oder Telefonkonferenzen würden inzwischen regelmäßiger genutzt, nicht nur um die Facharbeit am Laufen zu halten, sondern auch, um den informellen Austausch und das Miteinander zu fördern. Als besondere Errungenschaft während der letzten Monate war von Seiten der Teilnehmenden der Mut zu sogenannten Musterbrüchen hervorgehoben worden, der Mut für Experimente und auch zu „Lücke“.
Zusammenfassende Präsentation des Themenraums
Beiträge von:
Beate Schlink, RKW Kompetenzzentrum / Jana Kohlmetz, perspect GmbH / Petra Zander, VDSI e.V.
Veranstaltungspartner
Neben dem RKW Kompetenzzentrum und den Mitgliedern des RKW-Arbeitskreises "Gesundheit im Betrieb" wurde dieses Event unterstützt von
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