Zum 10-jährigen Jubiläum haben wir unsere Arbeitsmaterialien zur Analyse von Gründungsökosystemen überarbeitet. In diesem Beitrag stellen wir das RKW-Modell vor.
Wir im Fachbereich Gründung des RKW Kompetenzzentrums beschäftigen uns seit 2014 mit dem Konzept der regionalen Gründungsökosysteme. Wenn damals der Begriff bei einigen Akteuren für Fragezeichen gesorgt hat, sind Ökosysteme mittlerweile fester Bestandteil in der Beschreibung regionaler Unterstützungslandschaften für Gründungen und Startups.
Wir haben das 10-jährige Jubiläum zum Anlass genommen, um unsere Arbeitsmaterialien zu aktualisieren und als "Poster-Set" zu veröffentlichen. Wir stellen fest, dass das Thema immer noch gefragt ist und freuen uns, einen Beitrag für ein ganzheitliches Verständnis von Gründungsökosystemen zu leisten. In diesem und einem weiteren Online-Beitrag zur Anwendung des Canvas-Posters stellen wir begleitend die wichtigsten Informationen zusammen.
Gründungsökosysteme als dynamisches Umfeld für Gründungen und Startups
In unserer Darstellung eines Gründungsökosystems können die Elemente in drei Kategorien aufgeteilt werden: Akteure, Faktoren und Ressourcen. Das übergeordnete Ziel: Ein dynamisches Umfeld für die Entwicklung von Gründungen und jungen Unternehmen zu schaffen. Zu den Akteuren gehören Personen wie die Gründerinnen und Gründer selbst, Investorinnen und Investoren sowie Beraterinnen und Berater aber auch Organisationen wie Bildungseinrichtungen, Universitäten und etablierte Unternehmen. Die Beziehungen zwischen den Akteuren spielen dabei eine entscheidende Rolle.
Faktoren sind soziale und wirtschaftliche Gegebenheiten, die sich darauf auswirken, wie sich der Prozess der Gründung und des Unternehmertums an einem bestimmten Ort vollzieht. Wichtige Faktoren sind unter anderem die Infrastruktur, Politik und Netzwerke. Die Verfügbarkeit von Kapital und Know-how sind im Gründungsökosystem zwei wesentliche Ressourcen. Erfolgreiche Gründungsökosysteme zeichnen sich durch einen selbstverstärkenden Kreislauf aus, in dem sich die Generationen von Gründungen, Startups und Unternehmen gegenseitig unterstützen. „Give before you get“ ist dabei ein wichtiges Leitmotiv.
Gründungsökosysteme sind in eine regionale Kultur eingebettet. Diese ist geprägt durch historische Ereignisse und verändert sich nur sehr langsam. Die regionale Kultur hat einen wesentlichen Einfluss auf unternehmerische Verhaltensweisen und die Entstehung von Gründungen und Startups. Einige kulturelle Überzeugungen können Aktivitäten, die mit wachstumsstarkem Unternehmertum verbunden sind, ermöglichen, während andere Überzeugungen einer Chancen- und Risikoorientierung entgegenstehen. Angesehene Unternehmerinnen und Unternehmer spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, da ihre Praktiken aufgrund ihres Erfolgs in der Gemeinschaft legitimiert werden.
RKW-Modell "Gründungsökosystem" (2024)
Elemente des Gründungsökosystem-Modells im Überblick:
Im Folgenden werden die Elemente des oben abgebildeten Modells beschrieben. Der Text lässt sich mit einem Klick auf das jeweilige Kreuzchen aufklappen.
Attraktion und Entwicklung von Talenten
Bildungseinrichtungen wie Schulen, Hochschulen und Universitäten agieren im Gründungsökosystem als Talentschmieden und stärken den Wissens- und Technologietransfer in der Region. Entrepreneurship-Lehrstühle sind von besonderer Bedeutung, um Studierende sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für das Thema zu begeistern und somit Gründungsaktivitäten zu stärken. Außerdem können Universitäten eine koordinierende Rolle im Ökosystem übernehmen. Typ: Akteur
Die Transferlandschaft für Naturwissenschaften und Hochtechnologien wird sowohl durch Aktivitäten an Universitäten als auch an außeruniversitären Forschungseinrichtungen geprägt. Hieraus resultiert ein besonderes Potenzial für Gründungsaktivitäten. In Deutschland gibt es mehrere hundert, teilweise unabhängige Forschungszentren mit insgesamt über 100.000 Mitarbeitenden. Typ: Akteur
Etablierte Unternehmen haben häufig eine hohe Attraktivität für Fachkräfte und erfahrene Managerinnen und Manager, auch über die eigene Region hinaus. Aufgrund ihrer Größe sind sie in der Lage, Inkubatoren, Akzeleratoren und Kooperationsprogramme zu betreiben. Hierdurch können regionale Gründungsaktivitäten positiv beeinflusst werden. Darüber hinaus entsteht durch die Unternehmen eine Nachfrage und somit Chancen für Startups (siehe B2B). Typ: Akteur
Talente und Fachkräfte sind sowohl potenzielle Gründende als auch mögliche Mitarbeitende in jungen Unternehmen. Ihre Verfügbarkeit sind für die Wettbewerbsfähigkeit und Wachstumschancen von Startups sowie die Attraktivität des Gründungsökosystems von großer Bedeutung. Bildungs- und Forschungseinrichtungen sowie etablierte Unternehmen spielen für die Herausbildung eines vielfältigen Talentpools eine wichtige Rolle. Typ: Akteur
Die Inspiration hat ihren Ursprung im Kontext des Gründerökosystems vor allem in zwei Quellen. Zum einen durch das Wissen aus den ansässigen Unternehmen, Bildungs- und Forschungseinrichtungen. Zum anderen sind es erfolgreiche Gründende und Persönlichkeiten selbst, die als Vorbild ihre Geschichten teilen und Nachahmende von ihren Erfahrungen profitieren lassen. Typ: Faktor
Gründungsszene mit ihren wichtigsten Ressourcen
Die Gründungsszene vereint in ihrem Kern unternehmerisch agierende und technologieinteressierte Menschen, die über soziale Beziehungen und regelmäßige Interaktionen miteinander in Verbindung stehen. Das weitere Netzwerk umfasst außerdem Investorinnen und Investoren, Beratende und andere unterstützende Akteure. Alternativ wird auch der Begriff Startup Community verwendet. Wichtig sind sowohl Führungspersönlichkeiten, sog. Leader, als auch Rollenvorbilder, die eine Orientierung bieten. Ein sich selbst verstärkender Kreislauf zwischen den Gründungsgenerationen schafft eine Stabilität und Dynamik im Ökosystem. Typ: Kombination aus Akteuren und Faktoren
Zebra-Gründungen zeichnen sich durch ein organisches Wachstum aus. Geschäftsmodelle konzentrieren sich häufig auf eine Verbesserung sozialer Gegebenheiten oder des Umweltschutzes und lassen sich dabei der Kategorie Social Entrepreneurship zuordnen. Eine Venture-Capital-Finanzierung ist eher die Ausnahme als die Regel. Typ: Akteur
Potenzielle Einhorn- bzw. Unicorn-Startups zeichnen sich in der Regel durch eine starke Technologieorientierung und hohe Wachstumspotenziale aus. Ihre Skalierungsfähigkeit ist besonders attraktiv für Venture-Capital-Investitionen. Unicorns stehen für ein rasantes Beschäftigtenwachstum gepaart mit internationaler Wettbewerbsfähigkeit und stehen in vielen Ländern deshalb weit oben auf der politischen Startup-Agenda. Typ: Akteur
Die Verfügbarkeit von Kapital im Gründungsökosystem ist insbesondere für Gründungen und junge Unternehmen mit starker Technologie- und Wachstumsorientierung bedeutsam. Zu den gängigen Finanzierungsformen gehören Geld von Freunden oder der Familie, Bankdarlehen, Förderkredite, und Beteiligungskapital (Venture Capital). Zur Einordnung: Bei etwa zwei Drittel der Gründungen wird ausschließlich Kapital der Gründungspersonen eingesetzt. Typ: Ressource
Hierbei geht es insbesondere um Gründungskompetenzen, Marktwissen und technologisches Know-how. Die Fähigkeit zur Entwicklung und zum Einsatz von Wissen wird als Grundlage für die Schaffung von Innovationen und Unternehmertum betrachtet. Bestimmte Formen von Know-how zeichnen sich durch eine regionale Verankerung aus, beispielsweise bei bestimmten Branchen oder Technologien. Typ: Ressource
Support, Unterstützungsleistungen und Infrastruktur
Der Support im Gründungsökosystem umfasst unterstützende Organisationen und Akteure in Kombination mit der Bereitstellung von Infrastruktur, wie Co-Working-Spaces, Laboren oder Rechenkapazitäten. Häufig findet auch eine Bündelung von Leistungen in Akzeleratoren oder Gründungszentren statt, die privatwirtschaftlich oder durch die öffentliche Hand betrieben werden. Organisationen der Wirtschaftsförderung können in diesem Kontext eine wichtige Rolle einnehmen. Typ: Kombination aus Akteuren und Faktoren
Hierzu gehören beispielsweise Anwälte, Unternehmens- und Förderberatungen sowie Technologie- und Wissenschaftsexperten als auch Matching-Services, die sich auf die besonderen Bedürfnisse von Gründungen und Startups spezialisiert haben. Grundsätzlich ist zwischen allgemeinen Beratungstätigkeiten, wie bei betriebswirtschaftlichen Fragestellungen, und hochspezialisierten Dienstleistungen, wie bei Produktzulassungen und dem Patentmanagement zu unterscheiden. Typ: Akteur
Zur Infrastruktur gehört die Verfügbarkeit von hochwertigen Büroflächen, die Verkehrsanbindung durch den öffentlichen Nahverkehr und die Anbindung an internationale Flughäfen. Sie umfasst außerdem spezialisierte Infrastrukturen wie Laborräume, Testareale, eine schnelle Internetanbindung oder Hochleistungsrechner, die insbesondere Tech-Unternehmen benötigen, um neue Services und Produkte zu entwickeln. Typ: Faktor
Co-Working-Spaces sind Räume des Arbeitens und der Vernetzung. Sie zeichnen sich häufig durch ein aktives Community-Management aus. Hier treffen Menschen aus verschiedenen Branchen und Fachbereichen aufeinander, die sich in einem voneinander separierten Arbeitsumfeld nie begegnet wären. Co-Working stellt somit ein gemeinsames Arbeiten auf flexibler und freiwilliger Basis dar, mit der Möglichkeit, voneinander zu profitieren. Typ: Faktor
Angel-Investorinnen und -Investoren handeln in der Regel als Privatpersonen und unterstützen Startups mit Kapital und Know-how. Der Rückgriff auf ein vielfältiges Spektrum an Beziehungen und Kontakten ermöglicht Business Angels als Vermittelnde geschäftsrelevanter Ressourcen aufzutreten (z. B. Kunden, Kapitalgebende und Kooperationspartnerschaften). Business Angels engagieren sich in besonders frühen Phasen der Gründung. Das Risiko ist in diesen Phasen häufig außergewöhnlich hoch. Typ: Akteur
Hierzu gehören private und öffentliche Kapitalgebende, beispielsweise Banken und Venture-Capital-Investoren. Der Zugang zu öffentlichen Förder- und Kreditprogrammen ist häufig über Hausbanken organisiert. Venture Capital kommt nur für einen kleinen Teil aller Gründungen in Frage (weniger als 10 Prozent), denn Investitionen als Beteiligung am Unternehmen sind häufig mit einer besonderen Technologie- und Wachstumsorientierung der Gründungen verknüpft. Typ: Akteur
Politische Rahmenbedingungen
Hierunter fallen alle Aktivitäten von Seiten politischer Institutionen, um Gründungen zu unterstützen. Zu den politischen Hebeln für die Stärkung von Gründungen und Unternehmertum gehören beispielsweise eine Förderung von Forschung und Entwicklung, Finanzierungsprogramme für junge Unternehmen, bildungs- und einwanderungspolitische Maßnahmen, um den Talentpool zu stärken sowie eine offene Gestaltung von Märkten oder steuerrechtliche Anreize. Typ: Faktor
Ein besonderer Fokus der Politik liegt auf gründungsunterstützenden Fördermaßnahmen. Hierzu gehören Stipendien, Subventionen, Steuererleichterungen, Kredite oder Fonds. In Deutschland gibt es sowohl auf nationaler als auch auf regionaler Ebene der Bundesländer ein breites Portfolio an Fördermaßnahmen, das in bestimmten Fällen über die verschiedenen Phasen des Gründungsprozesses miteinander kombiniert werden kann. Typ: Faktor
Im Zuge einer Gründung und des Unternehmensaufbaus kommen eine Vielzahl an Gesetzen zum Tragen, welche die Entwicklung und den Erfolg stark beeinflussen können. Je nach Rechtsform, Branche und Technologiesegment greifen unterschiedliche Kombinationen von Gesetzen. Auch der Gesellschaftervertrag ist hiervon abhängig. Ein großer Teil der Gründungen ist beispielsweise von der Gewerbeordnung, dem Gewerbesteuergesetz und dem Arbeitszeitgesetz betroffen. Typ: Faktor
Marktstruktur & Marktchancen
Gründungsökosysteme können entweder neue Trends setzen oder bereits vorhandene aufgreifen. Hierzu gehören soziokulturelle Trends, Branchentrends sowie Zeitgeist- oder Konsumtrends. Die Fähigkeit, neue Trends im Ökosystem zu etablieren und in Geschäftsideen umzuwandeln, ergibt sich durch die Offenheit der regionalen Wirtschaft und Gründungsszene gegenüber neuen Technologien. Wichtig sind in diesem Zusammenhang neugierige erste Kunden, die als frühe Anwender agieren. Typ: Faktor
Die Marktchancen für Gründungen, Startups und junge Unternehmen werden im besonderen Maße durch die regionale Nachfrage beeinflusst. Erste Kunden in räumlicher Nähe und niedrige Eintrittsbarrieren spielen eine wichtige Rolle. Die regionale Wirtschaft ist ein äußerst wichtiger Kontextfaktor für die Entwicklung eines Gründungsökosystems. Typ: Faktor
Hierbei handelt es sich um Privatpersonen, die potenziell für den Erwerb der angebotenen Produkte oder Dienstleistungen in Frage kommen. Bei Startups, die eine digitale Dienstleistung anbieten, spielt die regionale Komponente des Marktes eine eher kleinere Rolle. Bei physischen Produkten, wie Lebensmitteln oder standortgebundenen Dienstleistungen, haben die lokalen Marktstrukturen einen größeren Einfluss auf die Entwicklung der Gründungen. Typ: Akteur
Geschäftskunden sind Unternehmen, die potenziell für den Erwerb der angebotenen Produkte oder Dienstleistungen in Frage kommen. Eine Ballung von Unternehmen und Organisationen aus einer Branche erleichtert für Gründungen und Startups den Marktzugang und ermöglicht den Zugriff auf spezialisiertes Know-how. Man spricht häufig auch von Branchenclustern, die für eine Region typisch sind. Typ: Akteur
Die öffentliche Hand als Kundengruppe umfasst u.a. kommunale Organisationen, Regierungsbehörden wie Ministerien, Institutionen der Bildung wie Schulen und Universitäten oder auch Forschungseinrichtungen. Diese sind an klar definierte Vergabeprozesse gebunden. Das Vergaberecht bietet dabei Möglichkeiten, Gründungen und Startups als potenzielle Auftragnehmer zu berücksichtigen. Typ: Akteur
Sie wollen mehr über die Analyse und Entwicklung von Gründungsökosystemen wissen oder sind interessiert an einem Workshop zur strategischen Entwicklung Ihres Gründungsökosystem? Wir stehen für Ihre Fragen zur Verfügung.
Dr. Matthias Wallisch Gründung / Programmbereichsleiter
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