Frauen in der Vorgründungsphase sind eine spezifische Gruppe im Gründungsgeschehen

Der Prozess sich selbstständig zu machen lässt sich in verschiedene Phasen unterteilen, die Gründende durchlaufen. Auf jeder Stufe gilt es spezifische unternehmerische Entscheidungen zu treffen, die das entstehende junge Unternehmen in ihrer Summe prägen und einzigartig machen (Tuazon et al. 2018). Am Beginn des Weges hin zu einer Gründung steht die Vorgründungsphase. Sie ist durch vorbereitende Schritte geprägt. So wird in dieser Phase beispielsweise die Geschäftsidee verschriftlicht, Finanzierungsmöglichkeiten geprüft, Kontakte zu potentiellen Kundinnen und Kunden hergestellt, Gespräche mit Gründungsunterstützerinnen und Gründungsunterstützern geführt sowie der Markt genau analysiert. Dieser Prozess kann zur Umsetzung einer Gründung führen, gleichzeitig kann die Idee der unternehmerischen Selbständigkeit auch über diese Erörterungsphase nicht hinauskommen. Personen die Schritte hin zu einer Gründung unternehmen, aber noch nicht gegründet haben, werden in der Literatur als „Nascent Entrepreneure“ bezeichnet (Reynolds & White 1997). Diese Personengruppe muss in der Analyse separat betrachtet werden, da grundlegende Unterschiede zur Personengruppe die eine Gründung umgesetzt hat – also Gründerinnen oder Gründer sind – bestehen (Tuazon et al. 2018). Die Ergebnisse des vorliegenden Fachartikels basieren auf der repräsentativen Bevölkerungsbefragung des Global Entrepreneurship Monitors (GEM) Deutschland 2022/2023 mit 4.110 Befragten. Es werden dabei die Unterschiede zwischen den weiblichen und männlichen Personen in der Gründungsvorbereitung herausgearbeitet. Ziel ist es, Ansatzpunkte zu finden, damit künftig mehr Frauen erste Schritte hin zu einer Gründung erörtern.

In Deutschland besteht ein Gendergap in Bezug auf die Anzahl der Frauen und Männer, die Schritte hin zu einer Gründung unternehmen

Im GEM Women’s Entrepreneurship Report 2022/2023 wird herausgearbeitet, das Gründungen durch Frauen von hoher Relevanz sind, da weibliches Unternehmertum "durch Innovation, Schaffung von Arbeitsplätzen und einen relevanten Beitrag zum Wirtschaftswachstum“ geprägt ist (GEM 2023). Wie in den meisten GEM-Ländern mit hohem Einkommen sind in Deutschland Frauen im Gründungsgeschehen gemessen an ihrem Anteil in der Bevölkerung jedoch unterrepräsentiert. Dies trifft auch auf die Personen zu, die Schritte hin zu einer Gründung machen. Die GEM Ergebnisse des Jahres 2022 zeigen, dass diesbezüglich ein Gendergap besteht. Der Anteil der Nascent Entrepreneure (bezogen auf die Bevölkerung zwischen 18 bis 64 Jahren) bei den Männern beträgt 6,5 Prozent, bei den Frauen beträgt er dagegen lediglich 4,5 Prozent.

Frauen unternehmen häufiger Schritte hin zu einer Gründung im Nebenerwerb als im Vollerwerb

In den GEM Zahlen 2022 lässt sich ein weiterer Unterschied zwischen Männern und Frauen in der Gründungsvorbereitungsphase feststellen: Die Mehrzahl der weiblichen Nascent Entrepreneure – 66 Prozent – plant eine Gründung im Nebenerwerb. Bei den männlichen Nascent Entrepreneuren überwiegt dagegen der Vollerwerb. So unternehmen 64 Prozent von ihnen Schritte hin zu einer Gründung, die wöchentlich mehr als 15 Stunden ihrer Arbeitszeit umfassen soll. Ein möglicher Grund dafür, könnte sein, dass Frauen aufgrund der Betreuung von Kindern oder Angehörigen – die noch immer stärker von Frauen als von Männern geleistet wird – im Schnitt weniger Zeit für eine unternehmerische Tätigkeit zur Verfügung haben als Männer. Andererseits sind Frauen vorsichtiger als Männer. Sie wollen den Erfolg einer Geschäftsidee erst mit geringerem Risiko evaluieren, bevor sie auf diese als Haupteinkommensquelle setzen.

Grundkenntnisse im Programmieren sind ein Faktor dafür, dass Frauen Schritte hin zu einer Unternehmensgründung gehen

„Digitale Kompetenzen“ sind im GEM als Grundkenntnisse im Programmieren definiert. Bei den Frauen die Nascent Entrepreneure sind, geben 26 Prozent an über diese Kenntnis zu verfügen. In der Gruppe der Frauen die keine Nascent Entrepreneure (und keine Gründerinnen) sind, sind es dagegen nur 10 Prozent. Dieses Ergebnis zeigt, dass das Erlangen von Kenntnissen im Programmieren einen Beitrag dazu leisten kann, dass künftig mehr Frauen sich auf den Weg hin zur Umsetzung einer Gründung machen. Ein gleiches Ergebnis ist bei den Männern zu beobachten. In der Gruppe der Männer die keine Nascent Entrepreneure (und keine Gründer) sind, haben 21 Prozent digitale Kompetenzen. Unter den männlichen Nascent Entrepreneuren sind es 36,8 Prozent.

Frauen, die Schritte hin zu einer Gründung unternehmen, stoßen seltener auf Hürden als Männer

Nascent Entrepreneure sind in der Vorgründungsphase mit vielen unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert. Aus diesem Grund werden die Nascent Entrepreneure im Rahmen der GEM-Befragung direkt gefragt, welche Schwierigkeiten sie im Rahmen der Vorbereitung ihrer Selbstständigkeit haben oder hatten. Generell standen im Jahr 2022 männliche Nascent Entrepreneure häufiger vor Herausforderungen als weibliche Nascent Entrepreneure. Die weiblichen Nascent Entrepreneure (39,5 Prozent) geben insbesondere das „Beachten von Gesetzen und Regulierungen“ als Schwierigkeit an. Dagegen nannten männliche Nascent Entrepreneure (47,3 Prozent) am häufigsten den „Markteintritt“ als Hemmnis. Gleichzeitig bestehen zwischen den weiblichen und männlichen Nascent Entrepreneuren auch Gemeinsamkeiten: 38,2 Prozent der Männer und 34,8 der Frauen nannten die „Sicherstellung der Finanzierung“ als Hemmnis im Vorgründungsprozess.

Schlussfolgerungen für die Praxis

Die GEM-Ergebnisse zeigen, dass die Finanzierung der Gründung ein Hemmnis für Frauen in der Vorgründungsphase darstellt. Deswegen kann ein besserer Zugang zur Gründungsfinanzierung mit dazu beitragen, die Anzahl der Frauen die Schritte hin zu einer Unternehmensgründung machen, künftig deutlich zu erhöhen. Um den Zugang von Frauen zur Gründungsfinanzierung zu verbessern, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz u. a. das Förderprogramm EXIST Woman gestartet. In diesem Programm stehen für Frauen an Hochschulen und aus Forschungseinrichtungen finanzielle Mittel für die Gründung eines Unternehmens bereit. Mit dem Programm werden Gründungen durch Wissenschaftlerinnen gefördert.

Die GEM Ergebnisse zeigen weiter, dass Frauen die Grundkenntnisse im Programmieren haben unter den weiblichen Nascent Entrepreneuren überrepräsentiert sind. Somit ist die Vermittlung von IT-Kompetenzen in der Schul- und Berufsausbildung ein Ansatzpunkt, um mittelfristig die Anzahl der weiblichen Nascent Entrepreneure zu steigern. Um die Kenntnisse im Bereich Wirtschaft von jungen Menschen zu fördern, bietet das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz unterschiedliche Projekte für Schülerinnen und Schüler an, in denen diese unternehmerisches Wissen erlangen können. Die Angebote des Initiativkreises „Unternehmergeist in die Schulen“ sind ein Ansatzpunkt um mehr junge Frauen als Nascent Entrepreneurinnen zu qualifizieren.

 

Literatur

GEM (Global Entrepreneurship Monitor) (2023): Global Entrepreneurship Monitor 2022/23 Women’s Entrepreneurship Report. Global Entrepreneurship Research Association (GERA).

Reynolds, P., White, S. (1997): The Entrepreneurial Process. Economic Growth, Men, Women, and Minorities, Westport, Quorum Books.

Sternberg, R., Gorynia-Pfeffer, N., Täube, F., Stolz, L., Schauer, J., Baharian, A., Wallisch, M. (2023): Global Entrepreneurship Monitor. Unternehmensgründungen im weltweiten Vergleich Länderbericht Deutschland 2022/23. RKW Kompetenzzentrum.

Tuazon, G., Bellavitis, C., Filatotchev, I. (2018): Nascent Entrepreneurship Research: Current Research Directions and Controversies. SSRN.

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