Das Gründungsgeschehen in Deutschland bewegt sich seit Jahren auf niedrigem Niveau. Der bereits jetzt spürbare Druck durch Fachkräftemangel und demografische Alterung wird in Zukunft noch zunehmen. Für eine nachhaltige Verbesserung oder zumindest Stabilisierung der Gründungstätigkeit spielt die Mobilisierung von Gründerinnen eine wichtige Rolle. Die bereits geringere Gründungsneigung von Frauen beeinflusst ihre Gründungstätigkeit maßgeblich. Vor allem kulturell verankerte Geschlechterstereotypen rufen die unterschiedlichen Gründungspräferenzen zwischen Männern und Frauen hervor. Der Abbau kultureller Hemmnisse erfordert einen gesellschaftlichen Prozess, der sich in vielen Bereichen manifestieren muss und daher einen langen Atem braucht. Dieser Beitrag beleuchtet die Ergebnisse der Studie „Female Entrepreneurship“ von KfW Research.
Gründungstätigkeit seit Jahren auf niedrigem Niveau – Frauen unterrepräsentiert
In Deutschland ist die Gründungstätigkeit in den letzten 20 Jahren unter Druck geraten. So ist die Zahl der Existenzgründungen um etwa zwei Drittel zurückgegangen. Seit 2017 hat sie sich auf niedrigem Niveau stabilisiert und schwankt jährlich im Bereich von 550.000 bis 600.000. Ein Grund für die sinkende Gründungstätigkeit war der nach 2005 einsetzende Arbeitsmarktboom. Vor allem Notgründungen als Ausweg aus der Arbeitslosigkeit gingen deutlich zurück, aber auch Gründende mit explizitem Gründungswunsch bekamen vermehrt attraktive Alternativen geboten. Eine Dauerbelastung ist außerdem die demografische Alterung. Durch sie werden die Erwerbsfähigen strukturell älter, die Altersgruppen mit geringer Gründungsneigung werden also immer stärker. Für eine nachhaltige Verbesserung – oder zumindest Stabilisierung – der Gründungstätigkeit spielt die Mobilisierung von Gründerinnen eine wichtige Rolle. Denn Frauen sind bei der Gründungstätigkeit deutlich unterrepräsentiert. Auch wenn der Gründerinnenanteil 2023 mit 44 Prozent höher lag als üblich, war der langfristige Durchschnitt von 39 Prozent bisher ein verlässlicher Referenzpunkt.
Stabiles Geschlechterverhältnis entlang des Gründungsprozesses
Wie ist diese geringere Beteiligung zu erklären? Sie könnte das Ergebnis eines selektiven Gründungsprozesses sein, den Frauen seltener erfolgreich beenden. Das würde bedeuten, dass ihr Anteil am Anfang des Gründungsprozesses höher ist und sich dann in dessen Verlauf verringert. Eine geringere Beteiligung von Frauen findet sich allerdings bereits bei der Präferenz für eine berufliche Selbstständigkeit: Der Anteil von Frauen an allen Personen, die unabhängig von ihrer aktuellen persönlichen Situation lieber selbstständig statt angestellt wären, liegt im Durchschnitt bei knapp 40 Prozent. Dieser Anteil verändert sich im weiteren Gründungsprozess kaum. Auch bei den Gründungsplanungen liegt der Anteil von Frauen bei knapp 40 Prozent und ebenso bei den realisierten Gründungen. Die Anteile von Frauen bei Personen mit Selbstständigkeitspräferenz, Gründungsplanungen und tatsächlich realisierten Gründungen liegen also auf dem gleichen Niveau. Größere Unterschiede finden sich erst, wenn bestimmte Gruppen von Gründungen betrachtet werden. So gründen Frauen beispielsweise deutlich häufiger in den freien Berufen (Ärztinnen, Anwältinnen, Übersetzerinnen, Journalistinnen etc.), wo sie 50 Prozent aller Existenzgründungen beitragen. Bei Startups, also bei jungen innovativen Wachstumsunternehmen, sind sie mit 19 Prozent der Gründungspersonen dagegen nur halb so oft vertreten wie bei den Existenzgründungen insgesamt.
Geschlechterstereotypen beeinflussen Erziehung und Bildungsverläufe
Wesentlicher Ansatzpunkt für die Gründungsaktivität von Frauen ist somit die Gründungspräferenz. Dabei haben kulturell verankerte Geschlechterstereotypen einen großen Einfluss auf die Gründungsneigung. So führen in Elternhaus und Schule erlernte, geschlechterunterschiedliche Risikopräferenzen dazu, dass Frauen häufiger ein Angestelltenverhältnis der beruflichen Selbstständigkeit vorziehen oder häufiger im Nebenerwerb gründen, was als weniger risikoreich gilt. Geschlechterstereotypen beeinflussen auch bereits früh die Bildungspräferenzen von Mädchen und Jungen und führen zu unterschiedlichen Bildungsverläufen. Damit legt der Bildungsweg bereits den Grundstein dafür, dass Frauen, wenn, dann häufiger in Bereichen gründen, bei denen die Tätigkeit freiberuflich erfolgt und die unternehmerische Aktivität weniger durch technische Innovation geprägt ist. Geschlechterstereotypes Verhalten lässt sich nur in einem gesellschaftlichen Prozess ändern, der sich aber nur sehr langsam vollzieht – insbesondere in alternden Gesellschaften. Gerade deshalb ist es wichtig, diesen Prozess schnell und nachhaltig anzustoßen.
Um stereotypen Bildungsverläufen entgegenzuwirken, gilt es, Eltern und pädagogische Fachkräfte für das Thema weiter zu sensibilisieren und so zu verhindern, dass sie unbewusst tradierte Rollenbilder weitertragen. Denn eine klischeefreie Behandlung und gutes Feedback sind Voraussetzung dafür, dass Kinder ein realistisches Bild über die eigenen Stärken entwickeln. Ein weniger klischeebehaftetes Selbstbild von Schülerinnen, insbesondere in Bezug auf die eigenen Fähigkeiten im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik), würde sich auch auf den anschließenden beruflichen oder akademischen Bildungsweg niederschlagen – und somit auch auf den Gründerinnenanteil bei Startups. Denn dort sind Fachrichtungen wie Ingenieurwissenschaften und Informatik von besonderer Bedeutung. Positive Rollenvorbilder sind ein wichtiger Einflussfaktor für die Gründungsneigung. Ein wichtiger Schritt ist es deshalb auch, bereits erfolgreiche, weibliche unternehmerische Rollenvorbilder sichtbarer und bekannter zu machen.
Der Artikel ist Teil des Themenheft Female Entrepreneurship.
Dr. Georg Metzger ist Senior Economist bei KfW Research.
Literatur
Lo, V., Metzger, G. & Viete, S. (2022): „Female Entrepreneurship“ – Mobilisierung von Gründerinnen ist wirtschaftliche Chance und gesellschaftliche Aufgabe. Frankfurt a. M.: KfW Research.
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