Ein Ausbau des öffentlichen Kinderbetreuungsangebots geht mit einer steigenden Frauenerwerbsbeteiligung einher. Wirkt sich das öffentliche Kinderbetreuungsangebot in gleicher Weise auf die Gründungsaktivität von Frauen aus oder wirken hier andere Mechanismen?

Die Gründungsentscheidung wird von in der Person liegenden Faktoren und dem Umfeld, in dem Gründungen stattfinden, beeinflusst. In der Literatur hat sich für dieses Umfeld, das neben den verfügbaren materiellen und sozialen Ressourcen die institutionellen Rahmenbedingungen umfasst, der Begriff des Gründungsökosystems etabliert. Eine insbesondere für gründungsinteressierte Frauen bedeutsame Rahmenbedingung – das öffentliche Kinderbetreuungsangebot – wurde dabei jedoch bisher vernachlässigt (vgl. Brush et al. 2019). Studien zeigen zwar auf, dass die allgemeine Erwerbsbeteiligung von Frauen steigt, je größer das lokale Kinderbetreuungsangebot ist (vgl. u. a. Neuberger, Rüttenauer & Bujard 2022). Ob dies für abhängig beschäftigte und selbstständig erwerbstätige Frauen in gleicher Weise gilt, ist jedoch unklar. Dies haben Kay et al. (2024) zum Anlass genommen, den Einfluss des öffentlichen Kinderbetreuungsangebots auf die Gründungsaktivität von Frauen in Deutschland zu untersuchen.

Internationale Studien deuten darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen öffentlichem Kinderbetreuungsangebot und Gründungsaktivität komplexer ist als zunächst vermutet. Dafür muss man sich vor Augen führen, dass in einer Welt ohne (ausreichendes) Kinderbetreuungsangebot die Betreuung kleiner Kinder die Gründungsaktivität von Frauen steigert (vgl. u. a. Joona 2017): Die berufliche Selbstständigkeit bietet mehr zeitliche Flexibilität und Autonomie als eine abhängige Beschäftigung. Frauen können infolgedessen Beruf und Familie leichter miteinander vereinbaren. Wenn nun aber die Vereinbarkeitsproblematik über ein großes öffentliches Kinderbetreuungsangebot oder Elternzeitregelungen besser gelöst werden kann, verliert die mit der Selbstständigkeit verbundene Flexibilität an Bedeutung und die Selbstständigkeit an Attraktivität. Statt für eine selbstständige Erwerbstätigkeit entscheiden sich dann mehr Mütter für eine abhängige Beschäftigung.

Ist es nun aber tatsächlich grundsätzlich so, dass mit einem größeren öffentlichen Kinderbetreuungsangebot die Gründungsaktivität von Frauen abnimmt, wie international vergleichende Studien zeigen (vgl. u. a. Thébaud 2015)? Kay et al. (2024) haben für ihre Analyse Informationen über die Kinderbetreuungsquoten für Kinder unter 3 Jahren und für Kinder zwischen 3 und unter 6 Jahren in den 401 Landkreisen und kreisfreien Städten als Indikator für das öffentliche Kinderbetreuungsangebot herangezogen. Das Kinderbetreuungsangebot in diesen Kreisen unterscheidet sich erheblich. Die Gründungsaktivität wird anhand der gewerblichen Existenzgründungsintensität in diesen Kreisen gemessen, also  an der Anzahl gewerblicher Gründungen je 10.000 Frauen im erwerbsfähigen Alter.

Die Ergebnisse lassen keinen Zweifel daran, dass das öffentliche Kinderbetreuungsangebot die Gründungsaktivität von Frauen beeinflusst. Ob es die Gründungsaktivität erhöht oder senkt, hängt von der Altersgruppe ab, für die Kinderbetreuung angeboten wird. So nimmt die Gründungaktivität – unter Berücksichtigung weiterer Determinanten des regionalen Gründungsgeschehens – mit steigender Betreuungsquote für Kinder unter 3 Jahren zu. Genau umgekehrt – die Gründungsaktivitäten nehmen ab – verhält es sich mit einer steigenden Betreuungsquote für Kinder im Alter zwischen 3 und unter 6 Jahren. Werden ausschließlich wirtschaftlich substanzhaltige Gründungen betrachtet, also Betriebsgründungen von Hauptniederlassungen und Übernahmen, zeigt sich ebenfalls ein positiver Einfluss des Kinderbetreuungsangebots für Kinder unter 3 Jahren. Das Kinderbetreuungsangebot für Kinder im Alter zwischen 3 und unter 6 Jahren wirkt sich hingegen nicht auf diese Art von Gründungen aus.

Die unterschiedlichen Befunde für die beiden Altersgruppen dürften in der altersabhängigen Betreuungsintensität der Kinder begründet liegen: Je jünger die Kinder sind, desto umfassender und unvorhersehbarer ist der Betreuungsaufwand. Da dieser jedoch in öffentlichen Betreuungseinrichtungen häufig nicht ausreichend gewährleistet werden kann, stellt die berufliche Selbstständigkeit für viele Frauen mit sehr jungen Kindern weiterhin eine bessere Möglichkeit als eine abhängige Beschäftigung dar, Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung in Einklang zu bringen. Konkret: Auch wenn ihr Kind betreut wird, können sie als Selbstständige ihre Arbeitszeit flexibler gestalten als abhängig Beschäftigte, wenn es der elterlichen Betreuung bedarf. Insofern begünstigt der Ausbau des Kinderbetreuungsangebots für Kinder unter 3 Jahren die Gründungsaktivitäten von Frauen.

Der Artikel ist Teil des Themenheft Female Entrepreneurship

 

Autorinnen und Autor

Dr. Rosemarie Kay ist stellvertretende Geschäftsführerin des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn.

Dr. Teita Bijediċ-Krumm ist Projektleiterin im Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn.

Dr. Siegrun Brink ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn.

Dr. Sebastian Nielen ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn.

 

Literatur

Brush, C., Edelman, L. F., Manolova, T. & Welter, F. (2019): A gendered look at entrepreneurship ecosystems, Small Business Economics, 53, 393–408.

Joona, P. A. (2017): Are mothers of young children more likely to be self-employed? The case of Sweden, Review of Economics of the Household, 15(1), 307–333.

Kay, R., Nielen, S., Bijedić, T. & Brink, S. (2024): Public childcare – a neglected element of entrepreneurship ecosystems?, in: Alsos, G., Balkmar, D., Breivik-Meyer, M., Callerstig, A.-C. & Lindvert, M. (Hrsg.): Gendering Entrepreneurial Ecosystems: Levelling the Field, London: Routledge, im Erscheinen.

Neuberger, F., Rüttenauer, T. & Bujard, M. (2022): Where does public childcare boost female labor force participation? Exploring geographical heterogeneity across Germany 2007–2017, Demographic Research, 46, Article 24.

Thébaud, S. (2015): Business as plan B: Institutional foundations of gender inequality in entrepreneurship across 24 industrialized countries, Administrative science quarterly, 60(4), 671–711

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