In unserem dritten Online-Erfahrungsaustausch in diesem Jahr der Reihe „Gründungsökosysteme gestalten“ am 24. Oktober sprachen wir mit mehr als 50 Teilnehmenden über das herausfordernde Thema der Messung von Unterstützungsaktivitäten in Gründungsökosystemen. Es folgt eine Zusammenfassung der besprochenen Punkte mit fachlicher Vertiefung sowie eine Übersicht von möglichen Datenquellen.

Unsere eingeladenen Experten in dieser Runde waren

  • Jan-Frederik Thurmann
    vom Stifterverband, wissenschaftlicher Referent für Datenanalyse/Data Science im Bereich "Programm und Förderung". Der Stifterverband ist ein Netzwerk aus etwa 3.500 Unternehmen, Stiftungen, Wissenschaftsorganisationen und Privatpersonen. Inhaltlich arbeitet der Stifterverband auf zwei zentralen Handlungsfeldern: Bildung und Kompetenzen sowie Kollaborative Forschung und Innovation.
  • Guido Zinke
    vom Institut für Innovation und Technik (iit) (VDI/VDE Innovation + Technik GmbH), Head of Startups, business models and innovation. Im Fokus des Instituts steht die Analyse, Forschung und Prognose technologischer und gesellschaftlicher Trends. Guido analysiert seit vielen Jahren Startup-Ökosysteme sowie Förder- und Unterstützungsprogramme für Gründungen.

Unvollständige Datenlage

Im Zuge der Diskussion wurde schnell deutlich, dass die Datenlage für die Analyse von Gründungsökosystemen unvollständig ist. Während die Zahl der Neugründungen anhand verschiedener öffentlicher und privater Quellen genau bestimmt werden kann, lassen sich die genauen Ursachen für ein dynamisches Gründungsgeschehen nicht präzise identifizieren. Einigkeit besteht darin, dass ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren – wie das Vorhandensein von Talenten, Wissen, Kapital, Infrastruktur und Netzwerken – wichtig ist. Kausale Zusammenhänge und der Impact von Unterstützungsprogrammen bleiben aufgrund der Komplexität von Gründungsökosystemen jedoch unscharf.

Impact und Zusammenhänge bleiben unscharf

Sekundärstatistische Daten bilden das Geschehen in Ökosystemen in der Regel nur annäherungsweise ab. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von sog. Proxy-Variablen. Hierbei handelt es sich um eine Stellvertreter-Variable, also eine Ersatzgröße, durch deren Messung man sich mittelbar Auskunft über eine andere Eigenschaft zu verschaffen versucht, die selbst einer Messung nicht ohne Weiteres zugänglich ist.  Primärerhebungen können eine Alternative sein, der Aufwand ist jedoch sehr hoch, der Rücklauf der befragten Akteure (z.B. von Unternehmen) niedrig und eine Vergleichbarkeit mit anderen Regionen eingeschränkt. Da Gründungsökosysteme vielfältige überregionale Beziehungen aufweisen, zum Beispiel bei der Anziehung von Kapital und Talenten von außerhalb, liefert die isolierte Betrachtung von administrativen Einheiten (Landkreise, Städte) nur ein unvollständiges Bild.          

Komplexität bei der Analyse reduzieren

Anstatt das gesamte Ökosystem in Blick zu nehmen, können auch einzelne Aspekte und Mechanismen bei der Entstehung von Gründungen und Startup betrachtet werden. Hierdurch ist es möglich, die Komplexität der Messung und Analyse zu reduzieren, beispielsweise durch die einzelne Betrachtung von Business-Angels-Netzwerken, Akzelerator-Programmen oder Gründungswettbewerben. Auch im Rahmen des Gründungsradars des Stifterverbands wird nur ein Teil des Gründungsökosystems in den Fokus genommen: und zwar die Gründungsförderung an deutschen Hochschulen und Universitäten. Hierdurch lässt sich ableiten, welchen Einfluss diese Institutionen auf das Gründungsgeschehen in Deutschland haben.

Indikatoren und Datenquellen für die Analyse von Gründungsökosystemen

Ein 50 bis 100 km Radius gilt als Orientierung, um Gründungsökosysteme zu analysieren. NUTS-2 Regionen bieten eine praktikable räumliche Einheit, sie umfassen meist zwischen 800.000 und 3 Mio. Einwohnern. In Deutschland ist dies im Regelfall die Ebene der Regierungsbezirke. Für Europa sind 281 NUTS-2-Regionen definiert.

Nachfolgend eine Übersicht von Indikatoren sowie möglichen Datenquellen, die dabei helfen können, Gründungsökosysteme vor dem Hintergrund der beschriebenen Einschränkungen zu analysieren:

Gründungsaktivitäten: Zahl der Unternehmen, die in einem bestimmten Zeitraum neu gegründet wurden. Daten: IAB-ZEW Gründungspanel, IfM Bonn, Startupdetector Dashboard, Crunchbase 

Einhörner: Die Zahl der Startups mit Einhorn-Status, die in den letzten 10 Jahren gegründet wurden. Daten: CB Insights, Dealroom

Finanzierung: Durchschnittliche Venture-Capital-Investitionen pro Kopf. Daten: Bundesverband Beteiligungskapital, Invest Europe, European Investment Bank (EIB)

Neues Wissen: Forschungs- und Entwicklungsausgaben als Prozentsatz des Bruttoinlandprodukts der Region. Daten: Eurostat

Talent: Anteil der Bevölkerung mit Hochschulbildung und digitalen Kompetenzen sowie Teilnehmende an Entrepreneurship-Education-Programmen. Daten: Eurostat

Unternehmerische Kultur: Das Ausmaß, in dem Unternehmertum und Innovation in einer Gesellschaft geschätzt wird. Daten: Global Entrepreneurship Monitor (GEM)

Netzwerke: Grad der Vernetzung von Unternehmen mit dem Ziel, Innovationen zu generieren, z.B. Anteil von Unternehmen, die sich an innovativen Kooperationen beteiligen. Daten: Regional Innovation Scoreboard (RIS)

Physische Infrastruktur: Kombination der Erreichbarkeit über Straße und Schiene, Anzahl der Passagierflüge und Prozentsatz an Haushalten mit Zugang zum Internet sowie Standorte von Gründungszentren oder Coworking-Spaces. Daten: Regional Competitive Index (RCI)

Formale Institutionen:. Als Indikatoren eignen sich solche, die die Qualität der Regierung und die Einfachheit der Umsetzung unternehmerischer Aktivitäten darstellen. Daten: Quality of Government Survey (QOG) und World Bank Doing Business Report.

Nachfrage: Kombination des verfügbaren Einkommens pro Kopf und der Einwohnerzahl. Daten: GfK GeoMarketing, RCI

Unternehmensbezogene Dienstleistungen: Angebot von gründungsunterstützenden Services, z.B. darstellbar durch die Zahl der Inkubatoren und Akzeleratoren pro Einwohner. Daten: Crunchbase

Die Herstellung einer räumlichen und zeitlichen Konsistenz sowie die Gewichtung der verschiedenen Indikatoren stellt bei der Analyse eine große Herausforderung dar.

 

Quelle: Schrijvers, Stam & Bosma (2024) Figuring it out: configurations of high-performing entrepreneurial ecosystems in Europe, Regional Studies, 58:5, 1096-1110

 

Mehr zum Thema lesen Sie  auch in den folgenden Fachartikeln:

Bleiben Sie auf dem Laufenden!

Mit unseren RKW Alerts bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Wir informieren Sie automatisch und kostenlos, sobald es etwas Neues zum Projekt "Stärkung von Gründungsaktivitäten durch den Ansatz der Gründerökosysteme" auf unserer Website gibt. Alles, was Sie dafür brauchen, ist eine E-Mail-Adresse und 10 Sekunden Zeit.

Wofür interessieren Sie sich besonders?

Bitte geben Sie hier das Wort ein, das im Bild angezeigt wird. Dies dient der Reduktion von Spam.

CAPTCHA-Bild zum Spam-Schutz Wenn Sie das Wort nicht lesen können, bitte hier klicken.