Frauen für das Thema Gründen begeistern?

Das geht, und sogar zielgerichtet!

Über die Frage, wie Frauen für eine Unternehmensgründung zielgerichtet angesprochen werden können, haben wir in Kooperation mit Dr. Marc Evers, Referatsleiter Mittelstand, Existenzgründung, Unternehmensnachfolge bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer und Beiratsvorsitzender des RKW-Fachbeirats Gründung, in zwei Workshops im September und im November 2024 mit rund 75 Beraterinnen und Beratern aus den Industrie- und Handelskammern in Deutschland gesprochen.

Ziel der Workshops war es, bestehende Ansätze zu diskutieren und zu teilen, sowie zusätzliche Ideen für die Ansprache von Frauen zum Thema Gründung im Kammerkontext zu definieren.  Grundlage der Diskussion war der Leitfaden des RKW „Frauen für das Thema Gründung gewinnen und (potenzielle) Gründerinnen zielgerichtet ansprechen – 14 Ideen für eine erfolgreiche Kommunikation“ (http://rkw.link/frauen). Hierfür wurden in einer qualitativen Studie mit 10 Onlinefokusgruppen von Expertinnen und Experten für Female Entrepreneurship 14 Ansätze entwickelt, die wir in einer Art „Methodenbaukasten“ zusammengefasst haben.

Wir haben nachfolgend die wichtigsten Erkenntnisse aus den Workshops mit den IHKs zusammengetragen.

Was funktioniert gut, um Frauen zum Thema Gründen anzusprechen?

1. Netzwerke anbieten

Die Erfahrungen der IHK-Beraterinnen und -Berater zeigen, dass viele gründungsinteressierte Frauen sehr von gemeinsamen Netzwerken und Austausch profitieren. Frauen haben zumeist kleinere Kontaktenetzwerke als Männer. Das Interesse, sich untereinander zu vernetzen ist groß. Dabei schätzen (potenzielle) Gründerinnen von allem einen „Safe Space“, in dem sie sich offen entfalten und sensible Themen untereinander ansprechen können. Insbesondere in der Anfangsphase der Unternehmensgründung sind diese Austauschmöglichkeiten für viele Frauen von großer Bedeutung.  

2. Ansprache über frauenrelevante Themen

Thematische Veranstaltungen, die insbesondere für gründende Frauen interessant sind, sind zum Beispiel Events zum Thema „Gründen im Nebenerwerb“ - gerade für Mütter, die ein Unternehmen parallel zur Care-Arbeit aufbauen wollen. Viele potenzielle Gründerinnen sind sich gar nicht bewusst, dass eine Unternehmensgründung nicht unbedingt eine Vollzeit-Aufgabe sein muss und in der ersten Phase auch zunächst als Nebenerwerbsgründung angegangen werden kann.
Auch das Thema „Unternehmensnachfolge“ sollte Frauen nähergebracht werden, da manchen Frauen eine Existenzgründung durch Übernahme als Alternative zur Neugründung gar nicht bekannt ist. Das Thema Unternehmensnachfolge spielt zudem in Bezug auf Familienunternehmen eine Rolle und ist für Frauen, die aus unternehmerischen Familien stammen, von hohem Interesse. Sowohl Informations-Veranstaltungen, als auch Nachfolge-Tandems, eine Begleitung und das Mentoring einer Nachfolgerin durch erfahrene Unternehmerinnen sowie Beraterinnen und Berater, haben sich hier als zielführend erwiesen.
Darüber hinaus können Themen wie „Digitale Gründungen“ und „Finanzierung“ potenzielle Gründerinnen anlocken. Gründungen mit rein digitalem Geschäftsmodell sind attraktiv, weil sie zeit- und ortsunabhängig und häufig weniger kapitalintensiv sind, und die Finanzierung eines Gründungsvorhabens ist für Frauen oft eine Herausforderung.
Influencerinnen sind oft auch Unternehmerinnen und können in die Kommunikation mit eingebunden werden – dadurch entstehen gute Effekte im Marketing, bezogen auf eine hohe Reichweite. Gute Erfahrungen wurden auch damit gemacht, wenn Gründerinnen und Unternehmerinnen selbst den Content bestimmen, so erzielen z. B. von der Zielgruppe selbst geschriebene Artikel zu Themen, die die Zielgruppe bewegen, in IHK-Publikationen eine hohe Aufmerksamkeit.

Welche (innovativen) Veranstaltungsformate funktionieren?

1. Netzwerk-Events

Gerade, weil viele Frauen das Netzwerken sehr schätzen, funktionieren in vielen IHKs Networking-Events gut. Bei diesen Events hat es sich bewährt, den „Event“-Charakter zu betonen und einen attraktiven Raum zum (informellen) Austausch zu bieten. Hier können beispielsweise erste Visitenkarten (digital) ausgetauscht werden, oder das Event kann in einem Café in Verbindung mit gutem Catering stattfinden. Auch ungewöhnliche Orte für Events können gut funktionieren – zum Beispiel Museen oder Kunstausstellungen. Hier sind auch digitale Austauschformate relevant, wie z. B. “Digitaler Cappuccino“ oder Gründerinnenstammtische, die unabhängig vom Ort und zu flexiblen Zeiten (z.B. abends oder vormittags) angeboten werden können.

2. Veranstaltungen an „besonderen Tagen“

Gründungsveranstaltungen können mit Tagen wie dem internationalen Frauentag am 8. März verknüpft werden. Der Girls'Day wird von vielen Industrie- und Handelskammern erfolgreich dafür genutzt, dass junge Mädchen Unternehmerinnen und deren Betriebe kennenlernen können und somit einen Erstkontakt mit dem Thema Unternehmertum erhalten. Darüber hinaus eignen sich unterschiedliche Plattformen für die Kommunikation, wie zum Beispiel die „Gründungswoche Deutschland“ und die bundesweiten IHK-Aktionswochen Existenzgründung und Unternehmensnachfolge, um Aufmerksamkeit für Angebote im Bereich Gründungen/Nachfolge und Frauen zu erzielen.

3. Rollenvorbilder in Veranstaltungen integrieren

Erfahrene regionale Unternehmerinnen als Rollenvorbilder sind für Frauen von hohem Interesse. Neben der Frage nach dem Geschäftsmodell und der Finanzierung sind Frauen mit unternehmerischer Erfahrung auch oft ein Vorbild dafür, wie eine Gründung mit der Familie vereinbar gemacht und „unter einen Hut“ gebracht werden kann. Weibliche Rollenvorbilder können z. B. in Form von Praxisbeispielen in Veranstaltungen integriert werden, oder in Portraitreihen inspirieren. Im Veranstaltungsprogramm können die Good-Practice-Beispiele z. B. mit fachlichen Impulsen oder mit anschließendem Networking kombiniert werden. Insbesondere authentische Vorbilder mit einem regionalen oder anderen Bezug zur besseren Identifikation können andere Frauen zur Unternehmensgründung inspirieren und motivieren.

Zudem ist die Sichtbarkeit von Frauen in Führungspositionen wichtig, weil davon eine Ausstrahlungswirkung ausgeht. Dies bezieht sich sowohl auf Unternehmen sowie die Industrie- und Handelskammern selbst. Im Netzwerk „Business Women IHK“ sind mehr als 300 Unternehmerinnen aktiv, die als Prüferinnen in Ausschüssen, Expertenkreisen, Vollversammlungen, im Präsidium oder in einer anderen Funktion ehrenamtlich in einer IHK tätig werden und dadurch weibliches Unternehmertum öffentlich sichtbar machen.   

4. Mehrwert für die Gründungs- bzw. Unternehmerinnenpraxis bieten

Ein wichtiger Schlüssel für den Erfolg von Veranstaltungen für Gründerinnen oder Unternehmerinnen ist, dass die Events für die Zielgruppe einen praxisbezogenen Mehrwert bieten. Jedes Event muss den teilnehmenden Gründerinnen oder Unternehmerinnen mindestens eine neue Idee liefern, die diese in ihrer unternehmerischen Tätigkeit direkt praktisch umsetzen und gewinnbringend einsetzen können. Bei der Planung von Veranstaltungen muss dieser praktische Mehrwert, der entsteht, mitgedacht und bewusst als Ergebnis des Veranstaltungskonzepts berücksichtigt werden, z. B. durch einen Programmpunkt, von dem ein solcher direkter Mehrwert ausgeht.

Welche Ansprachekanäle nutzen die IHK-Beraterinnen und -Berater?

1. Persönlicher Austausch ist am wichtigsten

Am gewinnbringendsten ist für viele IHK-Beraterinnen und -Berater der persönliche Austausch in der Gründungsberatung und die Weiterempfehlung (durch eigene Ansprache sowie Mund-zu-Mund-Propaganda). Dadurch können effizient unterschiedliche Frauengruppen spezifisch angesprochen werden, abhängig von ihrem Alter und ihrer Lebenssituation. Auch das Hinzuziehen von Mentorinnen kann laut der IHK-Beraterinnen und -Berater viele Vorteile bringen: es wird nicht nur die individuelle Kompetenz- und Karriereentwicklung potenzieller Gründerinnen gefördert, sondern es kann auch ein zusätzlicher Antrieb für das Gründungsvorhaben entfacht werden. Um möglichst vielen Frauen ein persönliches Beratungsgespräch zu ermöglichen ist es zum Beispiel ein Ansatz, Termine zu unterschiedlichen Tageszeiten (z. B. mittags oder abends) anzubieten bzw. in unterschiedlichen Formaten (online bzw. in Präsenz).

2. Social Media als stetiges Experiment

Die Ansprache über SocialMedia ist, gerade um jüngere Frauen anzusprechen, sehr relevant. Gleichzeitig bleibt die Nutzung von Social Media ein fortlaufendes Experiment, da die Gefahr besteht, in seiner eigenen „Bubble“ zu bleiben und neue potenzielle Gründerinnen gar nicht zu erreichen.

3. Klassische Medien

Auch klassische, vor allem regionale Medien wie Radios und Zeitschriften funktionieren nach wie vor, um durch Anzeigen Aufmerksamkeit zu erzielen. Auch redaktioneller Content generiert Aufmerksamkeit. Medien greifen in ihrer Berichterstattung z. B. gerne Gründerinnenpreise auf. Printmedien sind vor allem dafür geeignet um Frauen ab dem mittleren Alter zum Thema Gründung zu erreichen.

Welchen Herausforderungen begegnet man bei der Förderung und Beratung von Gründerinnen?

1. Fachkräftemangel

Eine zunehmende Herausforderung zur Gewinnung von Gründerinnen wird der Fachkräftemangel in Deutschland sein. Arbeitgeberinnen und -geber werden zunehmend auf der Suche nach kompetenten Arbeitnehmerinnen sein und attraktive(re) Arbeitskonditionen bieten. Das macht es umso herausfordernder, den Mehrwert, den eine Gründung gegenüber einer Festanstellung bietet, herauszustellen und überzeugend an Frauen zu vermitteln. Dennoch – für viele Frauen kann eine Gründung ein wichtiger Schritt im Richtung Selbstverwirklichung sein, und Frauen Mut und Selbstbewusstsein dabei zu vermitteln, ist eine zentrale Aufgabe in der Gründungsberatung. 

2. Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Viele potentielle Gründerinnen stellen sich die Frage, wie Familie und Gründung „unter einen Hut“ zu bekommen sind. Hier ist insbesondere das Thema Gründung im Nebenerwerb ein geeigneter Ansatz. Darüber hinaus können potenzielle Gründerinnen in Bezug auf die Vereinbarkeit der Rollen als Unternehmerin und als Mutter von den Lösungswegen erfahrener Unternehmerinnen profitieren (siehe oben). Zudem bietet eine Gründung oft die Möglichkeit zu selbst gewählten Zeiten zu arbeiten – dies nehmen insbesondere Gründerinnen mit kleinen Kindern im Vergleich zur Anstellung mit festen Arbeitszeiten als hilfreich wahr, als Unternehmerin ist die zeitliche Flexibilität oft höher. Somit kann die Gründung insbesondere für junge Mütter eine interessante Erwerbsmöglichkeit sein. 

Welche Themen und Ansprachekanäle stellen in der Zukunft eine Chance dar, Frauen anzusprechen?

1. Persönlicher Austausch

Laut der IHK-Beraterinnen und -Berater ist der persönliche Austausch auch zukünftig essentiell, wenn es um die Gründungsberatung für Frauen geht. Möglicherweise werden in diesem Zusammenhang auch die außergewöhnlichen Orte (Siehe „Netzwerk-Events“) für solche Beratungsgespräche eine größere Rolle spielen.

2. Kooperationen zwischen unterschiedlichen Gründungsunterstützungsorganisationen

Kooperationen unter Gründungsunterstützungsorganisationen mit dem Ziel Unternehmensgründerinnen und -gründer zu fördern, werden weiter an Bedeutung gewinnen. Hierzu bieten sich beispielweise unterschiedliche Veranstaltungsformate an, die in Kooperation mit Organisationen aus der Region gemeinsam ausgerichtet werden. Dadurch kann z. B. der Erfahrungs- und Informationsaustausch unter Institutionen, Verbänden, Investorinnen und Investoren gefördert sowie personelle und finanzielle Ressourcen gebündelt werden.

3. Klischees abbauen

Das Thema „Gleichberechtigung“ wird immer mehr an Bedeutung in unserer Gesellschaft gewinnen. Maßnahmen wie zum Beispiel: eine faire Aufteilung der Care-Arbeit zwischen Männern und Frauen, oder gleiche Bezahlung bei gleicher Qualifikation zur Schließung des Gender-Pay-Gaps sind eine Voraussetzung dafür, damit Frauen ihren Karriereweg künftig frei von genderbezogenen Einschränkungen gehen können.

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