Gründungsaktivitaten und der Gender Gap

Bestehende Statistiken zum Gründungsgeschehen in Deutschland beruhen auf unterschiedlichen Datengrundlagen und Definitionen. Zum einen bestehen Statistiken auf Grundlage von Gewerbeanzeigen, andererseits auf der Basis von (Bevölkerungs-)Befragungen. Zudem hat sich für den Begriff der Gründung bzw. der Gründerin noch keine allgemeingültige Definition etabliert. Aber egal, welche Daten oder Definitionen herangezogen werden, die Analyse von unterschiedlichen Gründungsstatistiken in Deutschland zeigt, dass bei den Gründungsaktivitäten ein ausgeprägter Gender Gap zwischen Männern und Frauen besteht.

Obwohl der Gender Gap bei Gründungen in Deutschland weiterhin sichtbar ist, stieg der Anteil der Gründerinnen in 2023 stark an (Metzger 2023). Im Jahr 2023 gab es laut KfW-Gründungsmonitor 2024 568.000 Existenzgründungen in Deutschland (Metzger 2024). So gründeten 251.000 Frauen in Deutschland, was immerhin 44 Prozent der Neugründungen im Jahr 2023 ausmachte. Im Startup-Ökosystem sind Frauen jedoch deutlich weniger aktiv. Laut dem Deutschen Startup Monitor 2024 ging der Anteil von Frauen an sämtlichen Startup-Gründungen erstmals seit Jahren zurück: auf knapp 19 Prozent (von 20,7 Prozent im Jahr 2023) (Hirschfeld et al. 2024).

Wenn man die Gründungen im gewerblichen Bereich anhand der amtlichen Gewerbestatistik des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn betrachtet, lag der Frauenanteil unter den Gewerbetreibenden mit 32,2 Prozent im Jahr 2022 etwas über dem Durchschnitt der letzten 20 Jahre (IfM Bonn 2023). Bemerkenswert – auch und gerade im Vergleich zu den gewerblichen Gründungen – ist, dass mehr als die Hälfte aller Gründungen in den Freien Berufen durch Frauen erfolgt, die Tendenz ist zunehmend: Der Frauenanteil ist dementsprechend bei den Existenzgründungen in den Freien Berufen von 51,9 Prozent im Jahr 2018 auf 54,9 Prozent im Jahr 2022 angestiegen.

Ebenfalls zeigen die jährlichen Ergebnisse seit Start des Global Entrepreneurship Monitors (GEM) Deutschland im Jahr 1999, dass bei den Gründungspersonen ein Gender Gap besteht. Das ist auch 2023 der Fall. Die Gründungsquote bei Frauen beträgt 5,9 Prozent und bei Männern 9,3 Prozent. Die Gründungsquote der Männer ist seit Beginn des GEM-Projekts in allen Jahren und fast allen teilnehmenden GEM-Ländern (Ausnahmen 2023: Ecuador, Thailand, Kolumbien, China und – als einziges Hocheinkommensland – Litauen) höher als jene der Frauen (Sternberg et al. 2024). Die GEM-Gründungsquote wird definiert als Anteil derjenigen 18- bis 64-Jährigen, die während der letzten 3,5 Jahre ein Unternehmen gegründet haben (Young Entrepreneurs) und/oder gerade dabei sind, ein Unternehmen zu gründen (Nascent Entrepreneurs).

Gründerinnenmangel im gesamten Gründungsprozess

Für die Erlangung von Erkenntnissen zur Entwicklung von Gründungsaktivitäten und möglichen Ursachen, die zu einem Abbruch von Gründungsvorhaben führen, ist eine Betrachtung des gesamten Gründungsprozesses von der Absicht bis zur Umsetzung erforderlich. Im empirischen Konzept des GEM spielt die Vorgründungsphase durch die Berücksichtigung von Nascent-Entrepreneuren eine wichtige Rolle. Betrachtet man die Quote der Young-Entrepreneure, beträgt diese bei den Männern 4 Prozent, bei den Frauen sind es 2,2 Prozent. Die Quote der Männer, die ausgehend vom Befragungszeitpunkt in 2023 in einem Zeitraum von 3,5 Jahren davor tatsächlich ein Unternehmen gegründet haben, ist somit nahezu doppelt so hoch wie die der Frauen. Bei den Nascent-Entrepreneuren, den Personen, die Schritte hin zu einer Gründung vornehmen, ist der relative Abstand zwischen den Geschlechtern etwas geringer (Männer: 6,1 Prozent, Frauen 3,9 Prozent). Dies zeigt, dass Frauen zudem etwas häufiger als Männer von einem geplanten Gründungsvorhaben Abstand nehmen und dieses schlussendlich nicht umsetzen.

Deswegen stellt sich die Frage: Wie können mehr Frauen ihr Potenzial in der Wirtschaft als Selbstständige entfalten? Aus diesem Grund sind hier Erkenntnisse über Gründerinnen entscheidend. Beispielsweise sind Frauen
häufiger Sologründerinnen – werden also öfter alleine und ohne Mitarbeitende unternehmerisch tätig als Männer. Sie gründen eher im Nebenerwerb, bedienen andere Branchen als Männer und haben auch andere Motive, um ein Unternehmen zu gründen. Außerdem haben Frauen andere Einstellungen zum Thema Gründung als Männer. Im Folgenden werden einige der Unterschiede und Besonderheiten bei Gründungen durch Frauen ausführlicher dargestellt. Frauen sind oft Sologründerinnen. Eine Gründung im Team ist oft Erfolg versprechend –unterschiedliches Know-how kann sich gegenseitig ergänzen, die Gründungsnetzwerke sind unter Umständen viel größer als bei einer Sologründung und bei (finanziellen) Engpässen findet sich leichter eine Lösung.

Tatsächlich gründen Frauen jedoch öfter alleine ein Unternehmen als Männer. Das zeigen die Daten des GEM aus dem Jahr 2022 und 2021. Gründerinnen planen oder gründen öfter ein Unternehmen, in dem sie alleinige Inhaberin sind, als Männer. Im Jahr 2021 und 2022 hat die Mehrheit der Gründerinnen (68 Prozent in 2021, 74 Prozent in 2022) angegeben, die alleinige Inhaberin des (geplanten) Unternehmens zu sein. Dieser Anteil war bei Gründern geringer – 60 Prozent in 2021 und 67 Prozent in 2022 (GEM Bevölkerungsbefragungen 2021 und 2022). Die Gründerin als Soloentrepreneurin scheint ein weltweites Phänomen zu sein – Sologründerinnen sind weltweit innerhalb aller nationaler Einkommensklassen überrepräsentiert, dies zeigen die internationalen Daten des GEM aus über 50 Ländern (GEM Global Report 2024). Der KfW-Gründungsmonitor (2024) zeigt außerdem für Deutschland, dass unter alleinigen Gründerinnen und Gründern der Großteil soloselbstständig ist, also keine weiteren Beschäftigten hat.

Auch für Startups gilt diese Beobachtung – der Female Founders Monitor (2022) zeigt, dass Frauen häufiger ihr Startup alleine, ohne Co-Founder und in kleineren Gründungsteams angehen (Hirschfeld et al. 2022).

Fokus auf soziale und konsumorientierte Branchen

Frauen gründen in anderen Branchen als Männer. Die GEM-Bevölkerungsbefragung 2023 zeigt, dass 62 Prozent der Gründerinnen im Bereich „Konsum, Kultur und Gesellschaft“ gründen, während es bei Gründern nur 41 Prozent sind. In diesem Wirtschaftsbereich findet man Gründerinnen in den Branchen „Gesundheit, Erziehung und soziale Dienste“ (23 Prozent), „Einzelhandel, Hotel- und Restaurantwesen“ (25 Prozent) und „Dienstleistungen für Haushalte und Privatpersonen“ (14 Prozent). Auch bei Startups zeigt sich, dass Frauen in den Bereichen Konsumgüter, Food, Medizin, Gesundheitswesen und Bildung überrepräsentiert sind (Hirschfeld et al. 2022).

In diesen Branchen ist man unter Umständen weniger auf Mitgründende angewiesen als in technologie- und wachstumsintensiven Branchen, in denen mehr männliche Gründende unterwegs sind.

Gründerinnen möchten die Welt verändern

Gründerinnen möchten die Welt verändern – dieses Motiv ist mit knapp 50 Prozent die Motivation, die in der GEM-Bevölkerungsbefragung am meisten Zustimmung erfährt. Auch großen Wohlstand oder sehr hohes Einkommen möchten Gründerinnen mit ihrem Unternehmen oft erreichen (44 Prozent Zustimmung), gefolgt von „den Lebensunterhalt verdienen, weil Arbeitsplätze selten sind“ (39 Prozent). Eine vergleichsweise weniger wichtige Rolle spielt bei einer Gründung für Frauen, eine Familientradition fortzuführen. Hier stimmen nur 18 Prozent der Gründerinnen zu, aus diesem Grund ein Unternehmen zu gründen (im Vergleich, bei Gründern sind es 39 Prozent) (GEM Bevölkerungsbefragungen 2023). Das zeigt, dass der „Purpose“ und die Wirkung ihrer Gründung für Frauen sehr wichtig ist – auch, wenn monetäre Gründe ebenfalls präsent sind. Das gilt auch für Startup-Gründerinnen, denn die gesellschaftliche und ökologische Wirkung ist laut Female Founders Monitor (2022) bei fast 90 Prozent der Frauenteams Teil der Unternehmensstrategie. Bei Männerteams sind es nur ungefähr 75 Prozent (Hirschfeld et al. 2022).

Frauen trauen sich eine Gründung weniger zu Trotz des starken Willens, die Welt zu verändern, trauen sich Frauen leider immer noch seltener eine Gründung zu. Nur knapp ein Drittel aller im GEM befragten Frauen (unberücksichtigt, ob sie Gründerinnen sind oder nicht) stimmt der Aussage zu, dass sie die Fähigkeiten, das Wissen und Erfahrung für eine Unternehmensgründung haben. Berücksichtigt man, dass über die Hälfte (53 Prozent) aller befragten Männer dieser Aussage zustimmen, ist dieser Anteil sehr niedrig. Auch die Angst vor dem Scheitern ist bei Männern weniger stark ausgeprägt – nur 38 Prozent der Männer würden ein Unternehmen nicht gründen, weil sie Angst hätten zu scheitern. Unter Frauen ist es fast die Hälfte (45 Prozent). Gute Gründungschancen sieht nur etwas mehr als ein Drittel der Frauen – nur 37 Prozent der Frauen stimmen der Aussage zu, dass sie in der Region, in der sie leben, in den nächsten sechs Monaten gute Gründungschancen sehen. Bei Männern sind es 45 Prozent (GEM Bevölkerungsbefragungen 2023). Geschlechterstereotype haben einen wichtigen Einfluss darauf, dass viele Frauen zurückhaltender und risikoaverser sind. Eine stereotype Erziehung von Mädchen führt zum Beispiel dazu, dass sie sich seltener für Bildungsverläufe entscheiden, die zu einer Unternehmensgründung führen, und dass sie öfter im Nebenerwerb gründen, was als weniger risikoreich gilt, so eine KfW-Studie zu „Female Entrepreneurship“ (Lo et al. 2022).

Die Ergebnisse aus verschiedenen Studien haben gezeigt, dass Frauen sich am Gründungsgeschehen seltener als Männer beteiligen. Frauen gründen nicht nur seltener, sie gründen auch anders als Männer. Das Gründerinnenpotenzial in Deutschland ist bei Weitem nicht ausgeschöpft und dieser Zustand ist weder aus volkswirtschaftlicher noch aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein wünschenswerter Zustand.

Der Artikel ist Teil des Themenheft Female Entrepreneurship

 

Literatur

Hirschfeld, A., Kollmann, T., Gilde, J., Walk, V., Ansorge M. (2024): Deutscher Startup Monitor 2024 – Den Blick nach vorne. Bundesverband Deutscher Startups e. V., Berlin.

Hirschfeld, A., Gilde, J., Walk, V. (2022): Female Founders Monitor 2022. Bundesverband Deutscher Startups e. V., Berlin.

Global Entrepreneurship Monitor (GEM) (2023): Global Entrepreneurship Monitor 2023/2024 Global Report: 25 Years and Growing. London: GEM.

Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn (2023): Gründungen und Unternehmensschließungen – Existenzgründungen insgesamt (letzter Abruf: 07.10.2024).

Institut für Freie Berufe (2023): Erfolgsfaktoren freiberuflicher Gründungen (letzter Abruf: 07.10.2024).

Global Entrepreneurship Research Association (GERA) (2023): GEM 2022/23 Women’s Entrepreneurship Report: Challenging Bias and Stereotypes, London: GERA.

Metzger, G. (2024): KfW-Gründungsmonitor 2024: Der Gründungstätigkeit fehlen die makroökonomischen Impulse – Selbstständige werden als Multiplikatoren wichtiger, Frankfurt a. M.: KfW Research.

Metzger, G. (2023): KfW-Gründungsmonitor 2023: Gründungstätigkeit in Deutschland: im Spannungsfeld zwischen Fachkräftemangel und Corona-Blues, Frankfurt a. M.: KfW Research.

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