Mit den Bereichen Strom, Mobilität und Wärme ist die Energienutzung für den überwiegenden Teil der CO2-Emissionen Deutschlands verantwortlich. Deshalb erfordert die Bekämpfung des Klimawandels einen grundlegenden Umbau der Energieversorgung. Die dazu nötigen technischen Umwälzungen sind in vollem Gange: Die schnelle Entwicklung in den Bereichen erneuerbare Energieerzeugung und Digitalisierung bietet eigentlich ideale Voraussetzungen für Startups, mit disruptiven Technologien und Geschäftsmodellen die Energiewirtschaft umzukrempeln. Diese wiederum sucht nach Möglichkeiten, mit der Disruption ihres klassischen Geschäfts umzugehen.
Welchen Mehrwert können Unternehmen der Energiewirtschaft Startups bieten und welche Vorteile ergeben sich für sie selbst aus einer solchen Kooperation? Acceleratoren sind ein Weg, diese Herausforderungen anzugehen. In den letzten Jahren sind viele Initiativen entstanden, die sich speziell an Energie- oder etwas allgemeiner Cleantech-Startups wenden.
Aus der Praxis
Das bekannteste Beispiel ist der Climate-KIC Accelerator, der mit Standorten in Berlin, Frankfurt und München nach eigenen Angaben das größte Cleantech-Accelerator-Programm in Deutschland betreibt. Climate-KIC wird im Rahmen des European Institut of Technology (eit) von der EU gefördert.
Aber auch zahlreiche Energieversorger versuchen, mit eigenen Programmen die Zusammenarbeit mit Startups effektiv zu nutzen. Das vielleicht bekannteste Programm, das ein Energieversorger selbst betreibt, ist der :agile Accelerator von E.ON mit Standorten in Düsseldorf und Berlin. Ziel ist es, neue Geschäftsideen zu finden, die im weitesten Sinn mit Energie zu tun haben sollten. Aber auch die Unternehmenskultur soll verändert werden. Dazu nimmt :agile nicht nur externe Startups auf: Etwa zwei Drittel der Bewerber sind E.ON-Mitarbeiter, die im Rahmen des Programms von ihren Bereichen ab-gestellt werden, um an neuen Ideen zu arbeiten. Die Teams werden von Mentoren aus dem Konzern beraten und erhalten über einen Zeitraum von drei Monaten neben 30.000 Euro finanzieller Unterstützung auch Coaching und bei Bedarf auch Kontakte, die bei der Weiterentwicklung oder beim Testen von Geschäftsideen helfen können.
Mit dem kraftwerkt city accelerator hat der Bremer Energieversorger swb ebenfalls ein eigenes Accelerator-Programm aufgebaut, das interessante Geschäftsideen zu Energie und nachhaltigen Technologien fördert – durchaus mit dem Anspruch, bei Erfolg auch neue Geschäftsfelder für die swb zu erschließen. Startups erhalten im Rahmen des Programms, das ein Jahr dauert, eine maximale Fördersumme von 54.000 Euro, die an die Erreichung vorher vereinbarter Meilenstein gekoppelt ist. Außerdem erhalten die Startups einen Tutor aus der swb, der sie betreut und ihnen Experten aus dem Unternehmen aber auch Kontakte zu Branchenexperten und potenziellen Kunden vermittelt. Dafür müssen sie zehn Prozent der Anteile abgeben.
Nun ist der Aufwand, der erforderlich ist, wenn man ein eigenes Accelerator-Programm auf die Beine stellen will, nicht zu unterschätzen. Neben den finanziellen Ressourcen benötigt man dafür idealerweise auch Mitarbeiter, die selbst nicht nur Managementerfahrung haben, sondern auch die spezifischen Probleme von Gründern verstehen. Unternehmen, die diesen Aufwand nicht betreiben können oder wollen, haben trotzdem die Möglichkeit, von der Kooperation mit Startups zu profitieren, wenn sie mit einem Accelerator zusammenarbeiten. Das German Tech Entrepreneurship Center GTEC in Berlin bietet diese Möglichkeit und zählt mit RWE auch einen großen Energieversorger zu seinen Partnern. Die international tätige Initiative Startupbootcamp betreibt in Berlin das Startupbootcamp Smart Transportation & Energy, das allerdings zurzeit noch hauptsächlich mit Partnern aus der Logistik-Branche zusammenarbeitet.
Stark auf Partner aus der lokalen Energiewirtschaft in Berlin setzt dagegen der Adlershof Energy Accelerator A2 im Wissenschafts- und Technologiepark Berlin-Adlershof. Betrieben wird das Programm von der WISTA-MANAGEMENT GMBH, die als Beteiligungsgesellschaft des Landes Berlin natürlich primär die Förderung der Berliner Wirtschaft zum Ziel hat.
Industrie-Partner des Programms sind die GASAG als Energiedienstleister, die BTB als Energieversorger, Stromnetz Berlin und der Bundesverband Neue Energiewirtschaft bne. Erklärtes Ziel des Programms ist, dass mindestens ein Startup mit einem der Partner ein Pilot-Projekt realisiert. Die Ideen für solche Pilotprojekte sind deshalb ein wesentliches Auswahlkriterium für die Aufnahme in den Accelerator. Die Startups erhalten im Rahmen des Programms kein Geld, können aber Sachleistungen wie zum Beispiel Büros in Anspruch nehmen.
Kern der Förderung ist ohnehin die Vernetzung mit den Partnern über die Pilot-Projekte aber auch im Rahmen von Veranstaltungen oder den mehrtägigen Coaching-Blöcken, mit denen auch der A2-Accelerator seinen Teilnehmern praktisches Startupwissen zu Themen wie Steuern, Design Thinking oder Pitching vermittelt.
Die Vorteile, die sich die Betreiber von ihren Programmen erhoffen, sind vielfältig: Von allgemein Förderung des Standortes über die Veränderung der Kultur im eigenen Unternehmen bis zur Entwicklung neuer Ideen für das eigene Geschäft. Dabei dominieren unter den Betreibern und Industriepartnern die großen Unternehmen. Das ist für die Energiewirtschaft mit ihrer Struktur aus großen Energiekonzernen und vielen Versorgern in kommunaler Trägerschaft nicht verwunderlich. Andere Branchen, wie der Maschinenbau, die in ihren Reihen auch viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) haben, stehen aber im Zuge der Digitalisierung auch vor potenziell großen Umwälzungen. Hier könnte das Format Accelerator für etablierte KMU interessante Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit Startups bieten: Fokussiert auf ein Pilotprojekt und mit klar festgelegtem Einsatz an Ressourcen, könnten auch KMU von der Innovationskraft und Agilität der Startups profitieren.
Dieser Beitrag ist in gekürzter Form dem RKW Magazin 2/2016 entnommen. Gern können Sie weitere Beiträge in der PDF lesen, oder bestellen Sie sich gleich eine Printausgabe:
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