Laut der aktuellen GEM-Studie 2019/20 spielen in Deutschland für die meisten Gründungspersonen nicht unmittelbar ökonomische Motive bei der Gründung eines Unternehmens die wichtigste Rolle, sondern insbesondere die Fortführung einer Familientradition. Mehr als zwei Drittel der Gründungspersonen (Anteil derjenigen 18- bis 64-Jährigen, die während der letzten 3,5 Jahre ein Unternehmen gegründet haben und/oder gerade dabei sind, ein Unternehmen zu gründen) geben zumindest diesen Aspekt als ausschlaggebendes Motiv an. Die Fortführung einer Familientradition kann dabei in Form einer Neugründung aufgrund der im Familienumfeld erlebten Karriereoption des Unternehmertums erfolgen, aber auch in Form einer Übernahme eines bestehenden Familienunternehmens. Innerhalb der Gruppe von sechs ausgewählten Ländern mit hohem Einkommen ist der Wert nur in Polen höher.
Familientradition ist wichtigstes Gründungsmotiv – Insbesondere in der Gruppe der Personen, die derzeit eine Gründung vorbereiten
Bei dem Motiv „Fortsetzen einer Familientradition“ besteht in Deutschland jedoch ein großer Unterschied, ob es sich um eine geplante oder eine bereits umgesetzte Gründung handelt. Der hohe absolute Wert der „Familientradition“ als Gründungsmotiv ist im Wesentlichen auf die – relativ zahlreichen – „Nascents“ (werdende Gründende: diejenigen 18- bis 64-Jährigen, die sich zum Zeitpunkt der Befragung aktiv mit einem eigenen Gründungsvorhaben beschäftigen, dieses aber noch nicht umgesetzt haben) zurückzuführen, von denen fast 83 Prozent dieses Motiv nennen.
Bei den Gründenden junger Unternehmen (diejenigen 18- bis 64-Jährigen, die zum Zeitpunkt der Befragung innerhalb der letzten 3,5 Jahre ein Unternehmen gegründet haben) nennt nur ein Drittel der Befragten das Gründungsmotiv der Familientradition. Dies führt zum auffälligen Resultat, dass die „Fortführung der Familientradition“ von den Nascents am häufigsten als ein wichtiges Gründungsmotiv genannt wird, bei den jungen Gründungen jedoch am seltensten.
Hohe Bedeutung von Familienunternehmen für die deutsche Wirtschaft
Die Anzahl der Familienunternehmen in Deutschland ist im Vergleich zu anderen Industrienationen verhältnismäßig hoch. Familienunternehmen haben eine langfristige, häufig generationenübergreifende Ausrichtung mit entsprechend langfristigen Investitionshorizonten. Darüber hinaus sind sie aufgrund höherer Investitionen in Forschung und Entwicklung besonders innovationsstark.
Dies führt laut Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln dazu, dass Arbeitslosigkeit und öffentliche Verschuldung im Schnitt in den Regionen niedriger sind, in denen es überdurchschnittlich viele Familienbetriebe gibt. Auch sind das Lehrstellenangebot, die Kaufkraft und das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in durch Familienunternehmen geprägten Regionen größer (IW Köln, August 2020). Und nicht zuletzt gibt es in Landkreisen mit vielen Familienunternehmen auch mehr Patentanmeldungen.
„Die Welt zu verändern“ ist der wichtigste Motivationsfaktor für Gründende junger Unternehmen
44 Prozent der Befragten in Deutschland möchten mit dem Unternehmen, das sie gründen – oder gegründet haben – die Welt verändern. Dieses Motiv erhält im internationalen Vergleich die höchste Zustimmung als Gründungsmotiv in den USA (66 Prozent) und in Polen (65 Prozent). „Die Welt zu verändern“ ist bei den Gründenden junger Unternehmen in Deutschland, das am häufigsten genannte Gründungsmotiv. Hier steht möglicherweise vor allem die Erfüllung des Lebenstraumes und eine Gründung aus Leidenschaft im Vordergrund, indem die Gründenden eine Marktlücke entdeckt oder einen Weg gefunden haben, eigene Ideen in der Realität umzusetzen.
Rein ökonomische Gründungsmotive sind eher unwichtig
Dagegen fallen die Werte für die beiden ökonomischen Gründungsmotive „Lebensunterhalt verdienen“ und „hohes Einkommen erreichen“ in der Gesamtbetrachtung in Deutschland deutlich niedriger aus, als in den übrigen GEM-Ländern. Der Grund dafür ist unter anderem die allgemein gute konjunkturelle Lage und die damit verbundenen attraktiven Angebote auf dem Arbeitsmarkt. Umgekehrt ist es beispielsweise in Italien, wo die beiden ökonomischen Motive absolut und relativ sehr wichtige Motivationsfaktoren für den Schritt in die Selbständigkeit sind und die beiden außerökonomischen Motive dagegen nachrangig sind.
Fortführung der Familientradition in Zeiten während (und nach) der Corona-Krise: hält der Trend an?
Für die Fortführung eines Familienunternehmens spricht deren relativ gute wirtschaftliche Lage, auch während der Corona-Krise. Obwohl sich die Auswirkungen der Corona-Pandemie auch bei Familienunternehmen deutlich zeigten und zeigen (werden), sind die meisten Familienunternehmen gut gerüstet, um stabil durch die Krise zu navigieren (Stiftung Familienunternehmen, April 2020). Darüber hinaus sind Familienunternehmen durch höhere Investitionen in Forschung und Entwicklung besonders innovationsstark. Die neu gegründeten (Familien)- Unternehmen kennzeichnen sich häufig durch Resilienz und Flexibilität, die dabei helfen können, mit ihren digitalen Geschäftsmodellen schnell auf Krisen zu reagieren und diese zu überstehen. Zudem haben die Familienunternehmen in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 bewiesen, dass sie einen langen Atem mitbringen, ihre Mitarbeiter halten wollen und zur Stabilisierung in Krisenzeiten Privatvermögen einsetzen (Rainer Kirchdörfer, März 2020). Somit wird das erfolgsversprechende Motiv „Fortführung der Familientradition“ möglicherweise weiterhin eine bedeutende Rolle spielen.
Weitere Informationen
>> Zu Pressemeldung: Familientradition schlägt Weltveränderung. Welche Motive treiben deutsche Gründerinnen und Gründer an?
>> Erfahren Sie auch mehr in der GEM-Infografik "Gründungsmotive 2019"
>> Zu diesen und anderen Ergebnissen des aktuellen GEM 2019/20 ist ein kostenloser Infografiken-Band als Download und Printversion unter http://rkw.link/geminfografiken erhältlich.
>> Zum Global Entrepreneurship Monitor 2019/20
Literatur
IW Köln: Die Bedeutung der Familienunternehmen für ländliche Räume Beitrag zum Wohlstand und Zusammenhalt. 31.08.2020.
Rainer Kirchdörfer: „Wir erleben den Kollaps der Realwirtschaft“. Die WELT. 19.03.2020.
Stiftung Familienunternehmen: Repräsentative Sonderauswertung durch das ifo-Institut im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen: Wie Familienunternehmen von der Corona-Krise betroffen sind. April 2020.
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