Im Jahr 2018 hatte der GEM – das weltweit größte Forschungsprojekt zur Analyse von Gründungsaktivitäten und zu Gründungseinstellungen in 49 Ländern – ein Sonderthema in die Umfrage integriert, um zu analysieren, wie stark das Gründungsgeschehen durch familiäre bzw. verwandtschaftliche Bezüge geprägt ist. Hierzu hat das RKW Kompetenzzentrum in Kooperation mit dem Institut für Wirtschafts und Kulturgeographie der Leibniz Universität Hannover die gründungsbezogenen Rahmenbedingungen in Deutschland speziell für Familienunternehmen und ihre Situation in Hinsicht auf die Unternehmensnachfolge untersucht.
Familienunternehmen: das Zugpferd der deutschen Wirtschaft
Die Anzahl der Familienunternehmen in Deutschland ist im Vergleich zu anderen Industrienationen verhältnismäßig hoch. Laut einer Studie sind 91 Prozent aller nicht-öffentlichen Unternehmen in Deutschland von Familien geführte und kontrollierte Unternehmen – und sie beschäftigen mit rund 60 Prozent deutlich über die Hälfte aller in der Privatwirtschaft tätigen Arbeitnehmer (Stiftung Familienunternehmen 2019). Auch spielen Familienunternehmen eine bedeutende Rolle in ländlichen Regionen. Dort, wo es oft an Arbeits- und Ausbildungsplätzen fehlt, sind sie ein entscheidender Faktor im Vergleich zu großen Konzernen, die eher in Ballungsräumen neue Arbeitsplätze schaffen. Deutsche Familienunternehmen sind meist Mittelständler – rund 95 Prozent von ihnen zählen zu den kleinen und mittleren Unternehmen (BDI 2016).
Gute Rahmenbedingungen für Familienunternehmen?
Familienunternehmen finden in Deutschland grundlegend gute und unterstützende Bedingungen vor. So attestieren 84 Prozent der befragten GEM-Experten ein hohes oder sehr hohes Vertrauen seitens der deutschen Bevölkerung in familiär geführte Betriebe (siehe Abbildung 1). Es besteht ein signifikanter Unterschied zu Nicht-Familienunternehmen. Dies bestätigt auch eine von der Stiftung Familienunternehmen in Auftrag gegebene Forsa-Befragung. Laut der Studie vertrauen 88 Prozent der Deutschen den Familienunternehmen – dagegen vertrauten beispielsweise nur 15 Prozent der Befragten in Streubesitz befindlichen internationalen Konzernen. Hieraus ergibt sich ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, dessen Potenzial in der strategischen Ausrichtung der Betriebe, bezogen auf die Marktpositionierung und das Marketing, ausgespielt werden kann.
Auch wirkt die familiäre Aufstellung selbst als stützende Rahmenbedingung. Familienunternehmen wird eine sehr hohe Kompetenz bezogen auf die Unternehmenssteuerung zugesprochen. Die Unternehmensführung durch Eigentümer oder Familienmitglieder wird sehr positiv bewertet: Lediglich 16 Prozent der GEM-Experten sind der Meinung, dass die Unternehmensführung durch ein externes Management ökonomisch Erfolg versprechender wäre (siehe Abbildung 1).
Die Unterstützung von Familienunternehmen durch die staatliche Politik ist grundlegend vorhanden (siehe Abbildung 1). Jedoch sehen insbesondere bezogen auf einzelne Gesetze und Regulierungen 45 Prozent der GEM-Experten noch Optimierungsbedarf. Hilfreich für Familienbetriebe ist an dieser Stelle, dass entsprechende Branchenverbände die Rahmenbedingungen für Familienunternehmen verbessern.
Fast die Hälfte aller neugegründeten Unternehmen sind in Familienhand
Bei Betrachtung der GEM-Gründungsquote „TEA“ wird deutlich, dass auch bei Unternehmensgründungen in Deutschland ein starker Familienbezug besteht. So befindet sich knapp mehr als die Hälfte der jungen Unternehmen überwiegend im Besitz der Gründungsperson und ihrer Familie. Bezogen auf die Unternehmensführung spielt der Einfluss eine noch höhere Rolle – bei rund 75 Prozent der neu gegründeten Unternehmen liegt die Geschäftsführung in familiärer Hand. Zudem spielen Familienmitglieder auch als Mitarbeitende eine große Rolle – bei knapp einem Drittel der neuen Betriebe besteht die Mitarbeiterstruktur überwiegend aus Familienmitgliedern.
Die Weichen auf Zukunft stellen
Für Familienunternehmen bieten die Unternehmensnachfolge und der damit verbundene Generationenwechsel eine Chance, zukünftige Wettbewerbsvorteile zu gewinnen. So wird die derzeit übernehmende Generation als sehr digital-affin eingeschätzt (vgl. auch Prügl/Spitzley 2017) – es wird prognostiziert, dass die Nachfolger das Thema Digitalisierung noch stärker in der Unternehmensstrategie berücksichtigen und auch bezüglich der Geschäftsmodelle mit neuen Ansätzen experimentieren werden. Sie können in die Betriebe somit wichtige Zukunftsimpulse einbringen. Der Family Business Survey zeigt, dass dieses Thema derzeit von hoher Wichtigkeit ist – so stufen die Deutschen Familienunternehmen bei den Zielen für 2019 die Steigerung ihrer Innovationskraft direkt nach der Gewinnung und Bindung von Talenten auf dem zweiten Platz ein (PwC 2018). Angesichts dieser Ergebnisse bleibt jedoch festzuhalten, dass die Übergebergeneration teilweise auch aktuell schon wichtige Weichenstellungen vornimmt und diesbezüglich nicht nur den Generationenwechsel abwartet.
Bezogen auf die Unterstützungslandschaft sind die Aussichten für eine gelungene Unternehmensnachfolge gut. So ist die Unterstützung von Familienunternehmen bei der Regelung der Unternehmensnachfolge durch professionelle Berater und Fachleute aus Sicht nahezu aller GEM-Experten gegeben (siehe Abbildung 1). Auch bei der Nutzung dieses Angebots lassen sich Steigerungen feststellen: Im Jahr 2017 hatten 14 Prozent mehr Senior-Unternehmer und Nachfolgeinteressenten an IHK-Nachfolgetagen, -Seminaren und -Beratungen teilgenommen als im Jahr zuvor. Insbesondere das Engagement von Frauen ist beachtlich: In 2017 entfiel auf sie ein Viertel aller Interessenten (DIHK 2018), im Jahr davor war es noch etwa ein Fünftel.
Trotz des insgesamt positiven Trends muss die Bekanntheit der Unternehmensnachfolge als Gründungsoption gesamtgesellschaftlich noch gesteigert werden – lediglich ein Viertel der GEM-Experten bewertet diese als im ausreichenden Maße vorhanden. In diesem Zusammenhang werden die in den letzten Jahren entstandenen Matching-Plattformen – wie beispielsweise „nexxt-change“–, die eine effektive Zusammenführung von Senior-Unternehmen mit Übergabeabsicht und potenziellen Übernehmern unterstützen, von den GEM-Experten als positiver Beitrag angeführt. Positiv ist auch, wie die GEM-Experten die finanziellen Rahmenbedingungen für die Nachfolge bewerten. Knapp 65 Prozent sehen diese Bedingung zur Realisierung von Nachfolgevorhaben als positiv. Hier steht in Deutschland bei der erstmaligen Übernahme eines Betriebs eine ganze Bandbreite an Förderdarlehen, Bürgschaften und Beratungszuschüssen zur Verfügung.
Für Familienunternehmen bleibt die Suche nach einem geeigneten Nachfolger bzw. die rechtzeitige Regelung der Nachfolge dennoch eine Herausforderung. Laut einer aktuellen KfW-Studie würde knapp weniger als die Hälfte der Altinhaber das Unternehmen in die Hände eines Familienangehörigen legen. Dieser Wert lag im Vorjahr noch auf einem Niveau von über 50 Prozent (Schwartz 2019). Diese Entwicklung ist bezogen auf die gute Bewertung der Unternehmensführung durch Familienmitglieder im GEM (vgl. Abschnitt Rahmenbedingungen in diesem Artikel) kontraintuitiv.
Insgesamt betrachtet zeigt die GEM-Analyse sowohl in Bezug auf Unternehmensgründungen als auch bezogen auf das Thema der Unternehmensnachfolge, dass die für die deutsche Wirtschaft bedeutenden mittelständischen Familienunternehmen auch zukünftig ein wichtiger Faktor bleiben werden.
TEA Quote: Die TEA (Total early-stage Entrepreneurial Activity)-Quote bezeichnet den Prozentanteil derjenigen 18 bis 64-Jährigen, die während der letzten 3,5 Jahre ein Unternehmen gegründet haben und/oder gerade dabei sind, ein Unternehmen zu gründen.
Wer sind die GEM-Experten? Die Befragten sind Personen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, die sich intensiv mit dem Thema Unternehmensgründung auseinandersetzen und somit einen breiten Überblick über das Gründungsgeschehen im jeweiligen Land vorweisen können.
Literatur & Links:
BDI - Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (2016): Faktencheck – Mittelstand und Familienunternehmen.
DIHK - Deutscher Industrie- und Handelskammertag (2018): Unternehmensnachfolge 2018 – Große Herausforderungen, aber auch Lichtblicke.
DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge (2018). Zahlen und Einschätzungen zum Generationswechsel in deutschen Unternehmen. Berlin.
Prügl, R.; Spitzley, D. (2017): Deutschlands nächste Unternehmergeneration – Eine empirische Untersuchung der Einstellungen, Werte und Zukunftspläne, 4. Auflage und Schwerpunkt „Digitalisierung“, München: Stiftung Familienunternehmen.
PwC - PricewaterhouseCoopers (2018): Family Business Survey.
Schwartz, M. (2019): Nachfolge-Monitoring Mittelstand: Planungen stabil auf hohem Niveau. In: KfW Research, Fokus Volkswirtschaft Nr. 241.
Sternberg, R.; Wallisch, M.; Gorynia-Pfeffer, N.; von Bloh, J.; Baharian, A. (2018): Global Entrepreneurship Monitor (GEM). Länderbericht Deutschland 2017/18. Eschborn: RKW Kompetenzzentrum, Hannover: Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie, Leibniz Universität Hannover.
Stiftung Familienunternehmen (2019): Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Familienunternehmen, München.