Eine der Variablen, die am meisten Aufmerksamkeit in den Analysen rund um den GEM-Bericht zukommt, ist die Total early-stage Entrepreneurial Activity (TEA)-Quote. Sie bezeichnet den Prozentanteil derjenigen 18-64-Jährigen, die während der letzten 3,5 Jahre ein Unternehmen gegründet haben und/oder gerade dabei sind, ein Unternehmen zu gründen. Der Quote wird deswegen eine so hohe Bedeutung zugemessen, weil sie oftmals als Indikator dafür angesehen wird, wie weit unternehmerisches Handeln in einer Gesellschaft verbreitet ist.
Unternehmertum innerhalb von Organisation
Doch eine ausschließliche Fokussierung auf die Gründungsquote (TEA) verdeckt, dass es auch andere Formen unternehmerischer Aktivität gibt. Unternehmerisches Handeln weist viele Facetten auf: Es zeigt sich im Bereich von Gründungsaktivitäten ebenso, wie unter abhängig Beschäftigten innerhalb bereits etablierter Firmen. Im GEM wird diese Art des Unternehmertums als „Entrepreneurial Employee Activity (EEA)-Quote“ bezeichnet. EEA umfasst denjenigen Prozentanteil der 18-64-Jährigen, der innerhalb der letzten drei Jahre in der Rolle als abhängig Beschäftigte in unternehmerische Aktivitäten eingebunden war. Darunter wird die aktive Beteiligung sowohl an der Entwicklung oder Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen am Markt, als auch an dem Aufbau neuer Unternehmenseinheiten verstanden.
EEA vor allem in Volkswirtschaften mit hohem Einkommen stark vertreten
Würde man nur die TEA-Quote als einzigen Indikator für die Verbreitung von Entrepreneurship betrachten, so würde die unternehmerische Aktivität vor allem in den Ländern mit hohem Einkommen stark unterschätzt. Denn betrachtet man die TEA-Quoten und EEA-Quoten im internationalen Vergleich, so fällt auf, dass sich vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern die durchschnittliche TEA-Quote auf einem höheren Niveau befindet, als in den hochentwickelten Volkswirtschaften. Bezüglich der EEA-Quote zeigt sich genau das gegenteilige Muster: Vor allem in Nordamerika und Europa drückt sich ein erheblicher Anteil von unternehmerischer Aktivitäten als Intrapreneurship aus. Deutschland bietet dafür ein gutes Beispiel: Verglichen mit anderen ausgewählten 15 GEM-Ländern mit hohem Einkommen weist es 2018 die zweitniedrigste TEA-Quote auf, während es sich hinsichtlich der EEA-Quote im oberen Drittel befindet. Woher lässt sich diese Diskrepanz erklären? In Ländern mit hohem Einkommen bieten sich gute Arbeitsplatzbedingungen, sodass hier die Opportunitätskosten der Gründung höher sind. In der Konsequenz verlagert sich ein Teil des unternehmerischen Handelns in die existierenden Organisationen hinein.
Starke unternehmerische Aktivitäten in Deutschland durch Intrapreneurship
Vergleicht man die TEA-Quoten und die EEA-Quoten von 16 ausgewählten Industrieländern miteinander, dann fällt auf, dass sich in einigen Ländern, wie Irland, Schweden und im Vereinigten Königreich beide Quoten auf einem ähnlichen Niveau befinden. Neugründungen haben hier gegenüber dem unternehmerischen Handeln innerhalb von Organisationen nur ganz leicht die Nase vorn. Für Deutschland zeigen die Daten sogar, dass die Quote für unternehmerische Aktivitäten innerhalb von Organisationen (EEA) etwas höher liegt, als die Quote für Gründungen (TEA). In anderen Ländern überragt die TEA-Quote die EEA-Quote zum Teil um ein Vielfaches. Besonders stark sind die Unterschiede in Südkorea, Kanada, den USA und Taiwan. In diesen Ländern ist der Anteil derjenigen, die sich an Neugründungen bereits beteiligen bzw. beteiligen wollen an der Grundgesamtheit mindestens doppelt so hoch, wie der Anteil derjenigen, die als Intrapreneure innerhalb eines Unternehmens oder öffentlicher Einrichtung tätig sind.
Würde man die Gründungs- und -Intrapreneurship-Quoten addieren und die Summen miteinander vergleichen, dann spränge Deutschland im Ranking mit den Referenzländern einen deutlichen Satz nach vorn und läge gleichauf mit Frankreich und noch vor Spanien, Japan, Polen und Italien. Das Ergebnis wäre somit zumindest im europäischen Kontext deutlich besser als bei der alleinigen Betrachtung der Gründungsquote. Dieser Aspekt kann durchaus als positives Zeichen gewertet werden und deutet darauf hin, dass in Deutschland innerhalb von Organisationen neue Produkte und Dienstleistungen entwickelt werden, die die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit bestehender Unternehmen und Organisationen stärken.
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