Gründerinnen – bemerkenswert? normal!
Prof. Ebbers, Unternehmerinnen und Gründerinnen stehen im Mittelpunkt der diesjährigen Global Entrepreneurship Week (GEW). Ist es Ihrer Ansicht nach überhaupt notwendig, dass Frauen in den Fokus der Gründerwoche gestellt werden?
Eine stärkere Sichtbarkeit von Gründerinnen – auch als Vorbilder – sollte in unserer Gesellschaft gefördert werden. Insofern kann ich die Frage ausdrücklich mit JA beantworten und halte die Maßnahme der Gründerwoche für überaus notwendig und angemessen.
Haben es Frauen leichter bzw. schwerer zu gründen? Zeichnen sich da Unterschiede zu männlichen Gründern ab?
Im Durchschnitt finden in Deutschland nur ca. 30 Prozent aller Gründungen durch Frauen statt. Diese Zahl lässt darauf schließen, dass zumindest bei der aktiven Umsetzung einer Gründung ein Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Gründungspersonen vorliegt. Jedoch konnte bislang wissenschaftlich nicht analysiert werden, was den Unterschied genau ausmacht, da sich Frauen und Männer hinsichtlich der persönlichen Voraussetzungen in Bezug auf das prinzipielle Gründungsvorhaben nicht unterscheiden. Bisherige Befunde lassen vermuten, dass Sozialisationsprozesse beeinflussend auf die Umsetzung eines Gründungsvorhabens bei Frauen und Männern wirken. Dazu gehören auch gesellschaftlich geprägte geschlechterstereotype Rollenbilder, die Gründungen durch Frauen tendenziell erschweren.
Zudem lässt sich eine finanzielle Diskriminierung hinsichtlich der Beschaffung von Fremdkapital bei Frauen feststellen. Tendenziell haben Frauen beispielsweise einen geringeren Zugang zu Krediten als es bei Männern der Fall ist. Auch hier wirken die bereits erwähnten Rollenbilder. Es ließen sich noch viele weitere Gründe anführen. Mit den wenigen genannten Beispielen soll zumindest eines der Grundprobleme aufgezeigt werden.
Welche bemerkenswerten Erfahrungen haben Sie bereits mit Gründerinnen erlebt?
Wenn ich beispielsweise Gründerinnen interviewt habe, ist für mich bemerkenswert, dass sie sich selber als nicht bemerkenswert sehen, sondern ihre Tätigkeit als "normal" betrachten, was sie ja auch letztendlich ist.Zudem wurde deutlich, dass sie sehr stark inhaltlich motiviert sind und für sich Erfolg oftmals unabhängig von einer normativen Leistung definieren.
Warum gründen Frauen eher seltener in technischen Bereichen? Beispielsweise haben wir auf unserer Plattform energiegründer.de bisher immer nur männliche Gründer vorgestellt. Woran kann das liegen?
Der Grund hierfür ist zumeist in dem bis zu dem Zeitpunkt der Gründung eingeschlagenen Werdegang zu finden. Frauen bewegen sich weniger in technischen/naturwissenschaftlichen Branchen als Männer, so dass Gründungen durch Frauen in diesen Bereichen kaum sichtbar sind. Die MINT-Branche und Gründungen durch Frauen weisen also ein ähnliches Phänomen auf, nämlich der Unterrepräsentanz durch Frauen.
Welche Ratschläge würden Sie einer Frau auf den Weg geben, die gerne gründen möchte, sich aber nicht traut?
Grundsätzlich ist eine gesunde Vorsicht bei allen Gründungsvorhaben ratsam. Es ist wichtig seine eigene Leistungsfähigkeit gut einschätzen zu können, wozu auch die Reflexion der individuellen Stärken und Schwächen gehören kann. Hilfreich kann dann der Besuch einschlägiger Qualifizierungs- und Beratungsangebote sein. Bedeutsam ist auch, dass die Erkenntnis gewonnen wird, nicht alles allein machen zu können, zu wollen oder zu müssen, sondern auch Hilfe von außen zugelassen wird bzw. auch Arbeit delegiert werden kann.Allgemein darf der Rat gegeben werden, dass mit dem Inhalt des Gründungsvorhabens ein hoher persönlicher intrinsischer Wert verfolgt werden sollte, da viel Zeit im Rahmen einer solchen Aktivität investiert wird.
Wie sehen Sie die politische Unterstützung in Deutschland für Gründerinnen?
Es gab und gibt viele Projekte, die seitens der Politik initiiert wurden, um Gründungen von Frauen zu unterstützen. Zudem wurde vor rund zehn Jahren die "bundesweite gründerinnenagentur" eingerichtet, die in jedem Bundesland Vertretungen hat, welche ihrerseits spezielle Angebote zur Unterstützung von potenziellen Gründerinnen und solche, die es schon sind, vorhalten. Lohnenswert könnten jedoch weitere Maßnahmen und Projekte sein, die die Akteure im Umfeld des Gründungsgeschehens für die möglichen Bedarfe von Gründerinnen sensibilisieren, um eine ganzheitliche Förderung der Gründungen von Frauen zu unterstützen.
Haben Sie selbst auch schon ein Unternehmen gegründet?
Tatsächlich arbeite ich aktuell an der Umsetzung einer Gründung, welche ich hoffentlich in naher Zukunft im Rahmen einer Nebentätigkeit umsetzen kann. Zum jetzigen Zeitpunkt spricht nichts dagegen, außer dass die liebe Zeit dafür fehlt….
Prof. Ebbers, wir bedanken uns recht herzlich für das Interview.
Kurzvita
- Name: Ilona Ebbers
- Aktuelle Tätigkeit: Prof. Dr., Lehrstuhls für Wirtschaftswissenschaften und ihre Didaktik an der Universität Flensburg am Internationalen Institut für Management und ökonomische Bildung.
- Werdegang: 2003 Abschluss der Promotion an der Bergischen Universität Wuppertal, bis 1998 Studium der Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Wuppertal und Duisburg.
- Forschungsschwerpunkte: Women‘s Entrepreneurship Education, Diversity Education, Übergänge Schule-Beruf und Wirtschaftsdidaktik.