Migrantinnen und Migranten sind in Deutschland nicht nur als Fachkräfte willkommen, sie prägen auch das Gründungsgeschehen. Das verraten vor allem ihre Gründungsquoten. Während nur 7,4 Prozent der Personen ohne Migrationshintergrund in den letzten 3,5 Jahren ein Unternehmen gegründet haben oder gerade dabei sind, ein Unternehmen zu gründen, sind es unter Migrantinnen und Migranten fast 12 Prozent.
Welche Migrantinnen und Migranten gründen in Deutschland ein Unternehmen? Was motiviert Migrantinnen und Migranten zu einer Unternehmensgründung? Und wie geht es im Zuge der Corona-Pandemie weiter? Diese drei Fragen behandelt der folgende Beitrag. Definiert sind Migrantinnen und Migranten im Rahmen des GEM als Personen, die nicht in Deutschland geboren sind.
1. Wer gründet?
Ein wirklich verlässliches Profil der gründenden Migrantinnen und Migranten kann man auf Basis der GEM-Daten zwar schwer erstellen, denn die Gruppe der befragten migrantischen Gründenden ist ziemlich klein. Trotzdem liefert ein Blick in die Daten einen ersten Eindruck. Migrantinnen und Migranten, die sich für eine Gründung entscheiden, kommen am häufigsten aus der Türkei, gefolgt von Polen, Kasachstan und Italien. Der Großteil von ihnen gründet in kundenorientierten Branchen, zum Beispiel im Online- oder Einzelhandel.
2. Was motiviert Migrantinnen und Migranten zu einer Gründung?
Dafür, dass Migrantinnen und Migranten vergleichsweise häufig gründen, gibt es laut einer KfW-Studie mehrere Erklärungsansätze. Zum einen sind sie teilweise gründungsaffiner, was mit ihrer größeren unternehmerischen Risikobereitschaft und mehr unternehmerischen Rollenvorbildern im Herkunftsland zusammenhängen kann (Metzger, 2020a). Zum anderen gründen tendenziell mehr Personen mit Migrationshintergrund aus der ökonomischen Not heraus. Wie aus den Befragungsergebnissen des GEM hervorgeht, entscheidet sich mehr als jede zweite gründende Person mit Migrationshintergrund aus Mangel an Erwerbsalternativen für den Schritt in die berufliche Selbstständigkeit. Die von Migrantinnen und Migrantenberichteten vergleichsweise geringeren Arbeitsmarktchancen haben zur Folge, dass sie eine Unternehmensgründung als bessere Option bewerten. Vor allem sprachliche Barrieren machen es Migrantinnen und Migranten auf dem Arbeitsmarkt schwerer (Leifels & Metzger, 2020).
Besonders viele Personen mit Migrationshintergrund geben als Gründungsmotiv an, die Welt verändern zu wollen: Ganze 66 Prozent der befragten migrantischen Gründungspersonen. Im Vergleich: Unter den Gründenden ohne Migrationshintergrund waren es lediglich 42 Prozent. Zusätzlich möchte ein Großteil der gründenden Personen – sowohl mit als auch ohne Migrationshintergrund – eine Familientradition durch ein Unternehmen fortführen.
Migrantische Gründerinnen und Gründer richten ihr Unternehmen bezogen auf den Umsatz wesentlich internationaler aus als einheimische Gründende. So liegt der Prozentanteil der migrantischen Gründungspersonen, die mehr als 25 Prozent ihres Umsatzes im Ausland erwirtschaften oder erwirtschaften wollen, bei 43,5 Prozent. Bei der nicht-migrantischen Bevölkerungsgruppe sind es nur 18,3 Prozent. Auch haben Gründungspersonen mit Migrationshintergrund häufiger hohe Wachstumsambitionen als diejenigen ohne Migrationshintergrund (39 Prozent vs. 22 Prozent). Das bedeutet, dass Migrantinnen und Migranten nach eigenen Einschätzungen in den nächsten 5 Jahren einen größeren Zuwachs an Angestellten erwarten.
- Hier können Sie Infographiken zum Gründungsverhalten von Migrantinnen und Migranten downloaden -
3. Wie geht es im Zuge der Corona-Pandemie für gründungsinteressierte Migrantinnen und Migranten weiter?
Wie sich die Gründungslandschaft in Zukunft entwickeln wird, kann bisher nur vermutet werden. Laut KfW-Gründungsmonitor ist zu erwarten, dass sich die unsicheren Zeiten auf das Gründungsgeschehen in Deutschland auswirken werden (Metzger, 2020b). So kann es beispielsweise sein, dass in Folge des momentan angespannten Arbeitsmarktes die Zahl der Notgründungen – also der Gründungen, die aus Mangel an Erwerbsalternativen erfolgen – zukünftig steigen (Metzger, 2020b). Dennoch können Krisen auch Katalysatoren für Innovation sein. Vor allem die Digitalisierung der Wirtschaft macht hier Hoffnung; durch innovative, digitale Geschäftsmodelle können unabhängig von physischer Nähe Gründungswünsche realisiert werden (Metzger, 2020a). Dies könnte Gründungsinteressierten zugutekommen, ob mit oder ohne Migrationshintergrund.
Im Rahmen der Bevölkerungsbefragung (APS = Adult Population Survey) des Global Entrepreneurship Monitor (GEM) werden jährlich Daten zu Gründungsaktivitäten und -einstellungen erhoben und ausgewertet – auch von Migrantinnen und Migranten. Hier können Sie die Studie downloaden oder kostenlos als Printversion bestellen. Zusätzlich bieten wir Infographiken und ein Faktenblatt zu Gründungsthemen auf GEM-Datenbasis an.
Literatur
Leifels, A. & Metzger, G. (2020). Gründungen durch Migranten: größerer Wunsch nach Selbstständigkeit, Fokus Volkswirtschaft Nr. 240. Frankfurt am Main: KfW Research.
Metzger, G. (2020a). Wieder mehr migrantische Gründungen. Volkswirtschaft Kompakt Nr. 205. Frankfurt am Main: KfW Research.
Metzger, G. (2020b). KfW-Gründungsmonitor 2020. Frankfurt am Main: KfW Research.
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