„Hacken“ ist inzwischen nicht mehr nur ein Thema für Computerexperten. Der Ansatz, Vorgegebenes grundlegend zu hinterfragen und zu dekonstruieren, Experimente zu wagen und ungewöhnliche Lösungswege zu entwickeln, findet inzwischen auch in anderen Kontexten Anwendung. Nur ein Beispiel dafür sind die zahllosen Youtube-Videos, in denen „Lifehacks“ gezeigt werden – also die Zweckentfremdung von Alltagsgegenständen, um sich (angeblich) das Leben zu vereinfachen.
Eine gänzlich andere Anwendungsform ist der sogenannte „Policy Hack“. Bei dieser Methode entwerfen Teams anhand eines Canvas innerhalb kurzer Zeit für eine gesellschaftliche, soziale oder wirtschaftliche Problemstellung eine neue Maßnahme oder ein Programm zur Förderung und Unterstützung der Betroffenen. Basis ist die Startup-Methode des „Lean Thinking“, das Canvas selbst ist eine Weiterentwicklung von Alexander Osterwalders Business Model Canvas.
Die Methode ist schnell erklärt und verstanden und lässt sich augenblicklich umsetzen. Ideal ist erfahrungsgemäß eine Gruppengröße von ca. 5 Personen, die nach Möglichkeit aus unterschiedlichen Kontexten kommen und innerhalb von 30 Minuten den Canvas bearbeiten. Dieser Zeitraum scheint zunächst knapp bemessen, entspricht aber dem Ziel der Methode, sich auf das Wesentliche zu fokussieren statt in endlose Diskussionen zu verfallen und sich in der Gruppe rasch auf pragmatische Lösungen zu verständigen.
Die einzelnen Elemente des Canvas sind:
- Problem/ Gelegenheit: Um welches Thema oder welche gesellschaftliche/ soziale/ wirtschaftliche Herausforderung soll es gehen?
- Nutznießer / Betroffene: Wer würde von dem Programm auf welche Art profitieren? Wer wäre sonst noch von dem Programm betroffen (positiv oder negativ)?
- Auswirkungen / Indikatoren: Welche Wirkung soll mit dem Programm erzielt werden? Wie kann die Wirkung gemessen werden? Wann kann das Programm als erfolgreich bezeichnet werden?
- Intervention / Risiken: Wie soll das Programm funktionieren? Welche Risiken könnte es geben, z. B. auf politischer Ebene?
- Partner / Umsetzungs-Strategie: Welche Partner kämen in Frage, und wie können diese eingebunden werden? Wie würde das Programm ablaufen?
- Kosten und benötigte Ressourcen: Welche Kosten entstehen durch das Programm? Welche weiteren Ressourcen werden zur Durchführung benötigt?
- Einkünfte und/ oder andere Vorteile: Wird durch das Programm Einkünfte generiert? Für wen?
Weitere Informationen und den Canvas finden Sie hier.
Entwickelt wurde das Canvas von Dave Moskovitz. Seit seinem Abschluss in Computer Science an der University of California (Berkeley) in den 80er Jahren hat er selbst Unternehmen gegründet und geleitet, für Akzeleratoren und Thinktanks gearbeitet, Startup Weekends organisiert und sich für die Gründerszene in Neuseeland eingesetzt.
Anwenden lässt sich die Methode beispielsweise für Public Policies – also für öffentliche Programme der nationalen, regionalen oder lokalen Verwaltung, so zum Beispiel im Rahmen des Startup Nations Summit im November 2017 in Tallinn:
Teilnehmer der zweitägigen Konferenz hatten die Möglichkeit, Problemstellungen aus ihrem Umfeld einzubringen und gemeinsam mit einer Gruppe zu bearbeiten. Durch die unterschiedlichsten Hintergründe der Teammitglieder (u.a. öffentliche Verwaltung, Politik, Gründer, Förderer, Geldgeber) kamen viele verschiedene Aspekte und Denkanstöße zusammen und es wurden innerhalb kurzer Zeit bemerkenswerte und vielversprechende Förderprogramme entwickelt. Die Ergebnisse wurden in Form kurzer Pitches einer Jury vorgestellt. Dabei konnte das Team um Rasha Tantawy, Leiterin der Abteilung Entrepreneurship am Zentrum für Technologische Innovation und Entrepreneurship in Ägypten, mit seinem Vorschlag am meisten überzeugen. Die Gruppe hatte sich gefragt, wie Startups, die an der Schnittstelle von Agrarwirtschaft und Technologie (Agri-Tech) agieren, bei der Erprobung ihrer Produkte oder Dienstleistungen sowie der Skalierung auf internationalen Märkten unterstützt werden können. Die Ergebnisse finden Sie hier.
Auch beim anstehenden Global Entrepreneurship Congress vom 16.-19. April in Istanbul wird die Methode wieder Anwendung finden.
- © Dave Moskovitz / Privat/Non-kommerziell – Public_Policy_Lean_Canvas.JPG