Laut des Global Entrepreneurship Monitors (GEM) ist der Anteil der Menschen, die dabei sind eine Gründung vorzubereiten seit Jahren höher, als die Quote der tatsächlichen Gründungen. Attraktive Arbeitsmarktchancen, die zunehmende Alterung der Bevölkerung und hohe Opportunitätskosten der Gründung sind wesentliche Ursachen für die niedrige Gründungsquote in Deutschland. Hinzu kommen außerdem viele bürokratische Hürden, welche den Weg in die Selbstständigkeit eher bremsen.
Gründungsaktivitäten in Deutschland: Potenzielle und tatsächliche Gründer
Die Gründerquote im GEM-Bericht „Total early-stage Entrepreneurial Activity (TEA)" ist definiert als der Anteil all jener 18-64-Jährigen in der Bevölkerung, die gerade dabei sind eine Gründung vorzubereiten („Nascent Entrepreneurs“) oder in den vergangenen 3,5 Jahren gerechnet vom Befragungszeitpunkt eine Gründung vollzogen haben. Obwohl nicht jede der zum Erhebungszeitpunkt als Nascent Entrepreneur eingeordnete Person später tatsächlich gründet, ist der Anteil dieser Gruppe an der Bevölkerung gleichwohl ein interessanter Frühindikator für spätere wirkliche Gründungsaktivitäten.
Der Anteil der Nascent Entrepreneurs lag 2018 in Deutschland bei 2,65%. Ein Jahr zuvor waren es noch 3,37% gewesen. Im internationalen Vergleich belegt hier Deutschland einen der hinteren Ränge.
Insgesamt entwickelte sich die Nascent-Quote in Deutschland in den letzten Jahren ähnlich wie die hiesige TEA-Quote. Beide Quoten sind gegenüber 2017 gesunken, wobei der Rückgang bei der Nascent-Quote absolut wie relativ stärker ausfiel als bei der TEA-Quote (-0,72 Prozentpunkte vs. -0,31 Prozentpunkte). Anzumerken ist hier auch, dass in Deutschland wie in den meisten einkommensstarken Ländern die Nascent-Quote wie in früheren Jahren etwas über der Quote der „Young Entrepreneurs“ (2,65% vs. 2,43%) liegt. Die TEA-Quote wird also stärker von der Zahl der werdenden Gründer geprägt als von der Zahl derjenigen, die in den letzten 3,5 Jahren tatsächlich gegründet haben.
In dem aktuellen Gründerreport von DIHK¹ wird ein steigendes Gründungsinteresse festgestellt: 2018 haben insgesamt 28% mehr Teilnehmer die IHK-Seminare zur Unternehmensgründung besucht als 2017. Der Funke zündet jedoch nicht, so der DIHK Gründerreport. Ebenfalls ist die Zahl derer, die ein konkretes Geschäftskonzept erstellten und mit ihrer IHK besprächen, gesunken: Dies habe zuletzt nur jeder zweite Teilnehmer von IHK-Gründertagen getan – vor vier Jahren seien es noch 92% gewesen.
Sind die Hürden für deutsche Gründer zu hoch?
Mögliche Ursachen für die Zurückhaltung der Bevölkerung finden sich in den gründungsbezogenen Rahmenbedingungen. Neben der Bevölkerungsbefragung erfolgt im Rahmen des GEM auch eine Bewertung des Umfelds für Gründungen. Dieser Teil der GEM-Studie 2018/2019 stützt sich auf Interviews mit 53 Fachleuten – Personen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik – die sich intensiv mit dem Thema Unternehmensgründung auseinandersetzen und somit einen großen Überblick über das Gründungsgeschehen im jeweiligen Land vorweisen können.
Das Profil der Stärken und Schwächen des Standorts Deutschland ist über die letzten Jahre betrachtet relativ stabil. Die physische Infrastruktur, der Schutz des geistigen Eigentums, die unternehmensbezogenen Dienstleistungen sowie die öffentliche Förderinfrastruktur erhalten Bestnoten. Die Herausforderungen liegen vor allem in der Verbesserung der schulischen Gründungsausbildung, des Arbeitsmarktes und im Abbau der Bürokratie.
Laut der GEM-Experten ist eine Unternehmensgründung weiterhin ein administrativ äußerst aufwendiger Prozess, behindert durch Restriktionen und Auflagen.
Knapp 80% der befragten GEM-Experten sind der Meinung, dass neue Unternehmen die meisten notwendigen Genehmigungen und Lizenzen nicht innerhalb von ca. 1 Woche erhalten. Weiterhin stimmte knapp die Hälfte der Befragten der Aussage zu, dass die Höhe der Steuern eine erhebliche Belastung für neue Unternehmen ist.
Drei Viertel der befragten GEM-Experten bewerten den Umgang mit der staatlichen Bürokratie, Regulierungen und Lizenzvorschriften als große Herausforderung. Zusätzlich werden die komplexe Steuergesetzgebung für (junge) Unternehmen, die Einschränkungen bei der Minderung des steuerlichen Verlustvortrags und der monatliche Rhythmus der Umsatzsteuervorauszahlungen als problematisch erachtet.
Der DIHK-Gründerreport² nennt insbesondere die gute Konjunktur und den zunehmenden Fachkräftemangel als hemmende Gründungsfaktoren. Aber auch die Bürokratie erweist sich als große Gründungsbremse. 57% der Existenzgründer sind der Meinung, dass es zu viel Bürokratie etwa bei Genehmigungen, bei der Umsetzung der Europäischen Datenschutzgrundverordnung DSGVO, bei Steuern und Förderanträgen gibt. Zudem scheinen komplizierte Formulare, Genehmigungsverfahren und intransparente Antragswege ein wichtiges Thema zu sein.
Gründungen aus einem Guss ermöglichen
Für die einzelne Person ist die Unternehmensgründung ein Vorgang, nicht jedoch für die Verwaltungslandschaft. Hier besteht nach wie vor ein Denken in Zuständigkeiten, die nicht ausreichend miteinander verknüpft sind. Eine Verbindung der Verwaltungsdienstleistungen rund um den Unternehmensstart wäre eine große Entlastung für die gründenden Personen. Ziel ist die Ermöglichung eines digitalen und medienbruchfreien formalen Gründungsprozesses (www.rkw-kompetenzzentrum.de/gruendung/gruendung-digital/unsere-aktivitaeten).
Dr. Marc Evers, Leiter des Referats Mittelstand, Existenzgründung, Unternehmensnachfolge des Deutscher Industrie- und Handelskammertag e. V., kommentiert die Studienergebnisse:
„Damit das aufkommende Interesse wirklich zu mehr Gründungen führt, ist eine Doppelstrategie notwendig. Erstens: Weiter intensiv über Unternehmertum informieren! Zweitens: Rahmenbedingungen verbessern! Beherzter Bürokratieabbau würde manche Gründerhürde abräumen. Wichtig wären etwa One-Stop-Shops, bei denen Gründer sämtliche Anträge online erledigen können, sowie - idealerweise damit gekoppelt - eine deutliche Vereinfachung der Förderinstrumente für Gründer.“
Der GEM Länderbericht Deutschland 2018/2019 steht http://www.rkw.link/gem2019 zum Download oder zur kostenfreien Bestellung als Printexemplar zur Verfügung. Sämtliche GEM-Länderberichte Deutschland seit 1999 stehen unter www.wigeo.uni-hannover.de/gem.html als Download zur Verfügung.
Der DIHK-Gründerreport 2019 steht zum Download unter https://www.dihk.de/themenfelder/gruendung-foerderung/unternehmensgruendung/umfragen-und-prognosen/dihk-gruenderreport
[1] Die Daten des DIHK-Gründerreports 2019 beruhen auf über 200.000 Kontakten von IHK-Existenzgründungsberatern mit angehenden Unternehmerinnen und Unternehmern aus Einstiegsgesprächen, Beratungen, Seminaren und Gründertagen.
[2] Grundlage ist eine Befragung der IHKs und des DIHK zu Empfehlungen an die Politik, der rund 300 Antworten von Gründern zugrunde liegen.
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