Das Thema Regionalmarketing ist eigentlich kein typisches Krisenthema. Dennoch haben wir es auf die Agenda unseres Erfahrungsaustausches gesetzt. Im Hinblick auf Startups- und Gründungsökosysteme ist regionales Marketing nämlich auf jeden Fall relevant:
Wie kann die eigene Region als Gründungs- und Startup-Standort positioniert werden? Welche Möglichkeiten gibt es, um Gründerinnen und Gründer sowie junge Unternehmen von einem Verbleib in der Heimatregion zu überzeugen? Diese Fragen wollten wir beim Erfahrungsaustausch erörtern.
Befragungsergebnisse
Die Online-Diskussion eröffneten wir mit Auszügen aus den Befragungsergebnissen von „Geht Standort ohne Marketing?“, einer Befragung von über 350 Wirtschaftsförderungen aus dem Jahr 2019 der Agentur Moduldrei. Bei der Frage nach der Zielgruppe im Standortmarketing nannten die Wirtschaftsförderungen insbesondere Unternehmen (77%), Fachkräfte (67%) und Investoren (57%).
Was ist mit den Gründungsthemen beim Standortmarketing? Jörg Lennardt von Moduldrei, den wir zu diesem Erfahrungsaustausch eingeladen haben, antwortete schlicht: „Sie spielen keine Rolle“. Gründerinnen oder Gründer, Startups, Jungunternehmen und kreative Köpfe verbergen sich unter der Kategorie „Andere“ mit nur 3 Prozent.
Ansässige Unternehmen mitnehmen, Attraktivität nach außen zeigen
Diese Ergebnisse lassen die Vermutung zu, dass Wirtschaftsförderungen bei ihren Tätigkeiten des Regionalmarketings nicht explizit an das Potenzial von Gründungen denken oder die gegebenen Stakeholder-Strukturen den Fokus auf Gründungen und Startups erschweren. Lennardt berichtete, dass viele Kommunen mit Maßnahmen des Regionalmarketings Menschen von außen anziehen wollen und diese dann auch direkt ansprechen. Dabei sei es jedoch wichtig, zunächst ansässige Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger zu gewinnen. Eine Kampagne müsse immer zuerst nach innen wirken, erst dann kann sie nach außen hin ihre Wirkung entfalten und erfolgreich sein.
Im Laufe des Austauschs wurden einige Tipps zum Regionalmarketing genannt, wenn man Gründerinnen und Gründer ansprechen möchte:
Fokussierung auf eine Zielgruppe
Doris Goossens von der Agentur 3zam kommunikation kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit der Initiative des Berchtesgadener Landes. Das Unternehmensnetzwerk „Verantwortungsvoll Wirtschaften“ der Initiative wurde beim diesjährigen <link gruendung/gruendungskultur/europaeischer-unternehmensfoerderpreis/>deutschen Vorentscheids des Europäischen Unternehmensförderpreis</link> von der Jury in die Top-10 Best Practise gewählt. Goosens erklärte, dass Vielfalt im Regionalmarketing nicht funktioniert: Man müsse Zielgruppen direkt ansprechen – in ihrem Fall beispielsweise bergaffine Gründerinnen und Gründer. Wie geht das? Das Leitbild der Region ist die Grundlage, das in allen Kommunikationsmaßnahmen erkennbar ist. Dabei sollte sowohl auf eine klare Sprachregelung als auch auf eine eindeutige Bildsprache geachtet werden. Die Kunst ist die Fokussierung - also Themen wegzulassen und nicht alle Menschen ansprechen zu wollen.
Durch die Fokussierung von Regionen oder Kommunen auf bestimmte Zielgruppen könnte der Eindruck entstehen, dass Personen oder Gruppen ausgeschlossen werden. Dieser Aspekt ist nicht selten eine Hürde bei der Entwicklung von Regionalmarketing-Konzepten, insbesondere wenn die Zustimmung kommunaler Gremien erforderlich wird. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass durch eine Fokussierung die Attraktivität von Regionen als Gründungsstandort eher steigt, als das hieraus Nachteile resultieren würden. Eine Fokussierung im Marketing bedeutet also nicht, dass die Offenheit und Integrationsfähigkeit einer Region in Frage gestellt werden.
Persönliche Ansprache
Erfahrungen mit Gründerinnen und Gründern zeigen, dass sie nicht unbedingt mit Institutionen sprechen möchten, sondern mit echten Personen. Wie sieht es mit der persönlichen Ansprache und dem Kontakt in der praktischen Umsetzung aus? In sozialen Medien müsse eine authentische und persönliche Kommunikation gewährleistet sein, so die Einschätzung von Doris Goosens. Auch Chefs von Wirtschaftsförderungen müssten sich hier engagieren und persönlich präsent sein.
Erfahrungen aus der Runde bestätigen das: Anett Lamberty aus der Wirtschaftsregion Westbrandenburg berichtete, dass sie gerade Vorgehensweisen und Regeln für die Kommunikation in Sozialen Medien entwickeln und hierbei insbesondere auch den Aspekt der persönlichen Ansprache integrieren.
Nicole Haas von der Gründerschmiede Remscheid - übrigens auch unter den Top-10 der Best Practise des <link gruendung/gruendungskultur/europaeischer-unternehmensfoerderpreis/>deutschen Vorentscheids des Europäischen Unternehmensförderpreis 2020</link> - nutzt plakativ die persönliche Ansprache und nennt sich selbst „Gründermutti“. Dafür müsse man sich persönlich entscheiden, eine Marke aufbauen und natürlich auch leben, ergänzte sie.
Auch Jörg Lennardt berichtete als ehemaliger Geschäftsführer eines Gründerzentrums, dass es persönlich zugehen müsse, wobei das „Duzen“ für ihn nicht relevant sei. Wichtiger für ihn sei es, Ansprechpartner für die jungen Leute zu sein und durch eine offene Kommunikation Vertrauen zu gewinnen.
- © Rabena Ahluwalia / Privat/Non-kommerziell – IMG_20170725_175825.jpg