Mit der Regionalbahn von Cottbus kommend beginnt gleich nördlich des Naturparks Dahme-Heideseen das Einzugsgebiet von Berlin – auch wenn es noch gut 30 Kilometer bis zur Stadtgrenze sind. Berlin Schöneweide besteht aus Niederschöneweide und Oberschöneweide, dazwischen fließt die Spree. Beide Ortsteile gehören zum Bezirk Treptow-Köpenick, über dessen Rathaus mein erster Kontakt für unsere Videoreihe über Gründungsregionen abseits der Metropolen führte. Ich war nun wirklich schon oft in Berlin, hier aber noch nie! Das Filmteam von forStory ist wohl ähnlich spät angekommen wie ich, denn eine kleine Bootstour im Spreewald in der Abenddämmerung war zu verlockend.
Über unsere Partner in der Region
Im Südosten Berlins hat das Technologie- und Gründerzentrum Spreeknie TGS seinen Sitz. Gregor Keck und Jana Herschelmann vom Regionalmanagement Berlin Schöneweide sind unsere Partner für die RKW-Videoreihe „Gründen in Deiner Region“. Sie haben für die Interviews die wunderschönen Räume im 12. Stockwerk des TGS reserviert, mit einem wundervollen Blick über die umliegenden Stadtteile und auf die Spree.
Das Regionalmanagement Berlin Schöneweide unterstützt und berät bei der Entwicklung vorhandener Flächen und Immobilien, erarbeitet einen konzeptionellen Leitgedanken für das gesamte Areal und begleitet Unternehmen, Gründer*innen und Investoren bei der Ansiedlung. Die Vernetzung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ist ein besonderes Anliegen, denn die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) liegt in unmittelbarere Nähe des TGS. Wir werden in Schöneweide drei junge Technologieunternehmen in der Wachstumsphase erleben, die bereits große Visionen für ihre Zukunft haben.
Beim Drehtermin
Im Interview sprechen heute zunächst drei Frauen über die spezifischen Finanzierungsmöglichkeiten für junge Unternehmen in Berlin, über die Vorteile der Zusammenarbeit von Hochschulen mit Startups und mittelständischen Unternehmen für alle Beteiligten sowie über die Standortvorteile in „OSW“ (Oberschöneweide) – dort gibt es noch freie und bezahlbare Flächen und Gebäude für Hightech-Startups, ihr Standort liegt zwar am Rande, aber doch in Berlin und ihre Produkte werden in Deutschland entwickelt und produziert, ein wichtiges Kaufkriterium für internationale Kunden in den Hightech-Bereichen.
Anschließend sitzen nacheinander drei Männer auf dem grauen Stuhl vor den Kameras. Alles andere als grau sind dann die Einblicke in ihre technologischen Anwendungen und ihre unternehmerische Motivation:
- Ein IT-Spin-off, das entstanden ist, weil die Muttergesellschaft auf dem Markt keine passgenaue Lösung einkaufen konnte – weil es sie noch nicht gab. Business Intelligence und Unternehmenskybernetik für selbstlernende Kennzahlen-Systeme sind die Schlagworte. In der Wachstumsphase ist für den jungen Unternehmer sehr wichtig, dass er von einem Business-Coach begleitet wird. Begrenzender Wachstumsfaktor ist hier nicht das Kapital, sondern einzig der Mangel an geeigneten IT-Entwicklern, derzeit hat das junge Unternehmen 10 Beschäftigte.
- Auch der Gründer einer Online-Marketing-Agentur finanziert das Wachstum seiner Firma mit derzeit 15 Mitarbeitenden aus dem Cashflow heraus, und auch er sucht ständig nach Fachkräften. Sein Weg zur Lösung des Personalengpasses soll ein eigenes Trainee-Programm werden, bei dem er die Zusammenarbeit mit den Universitäten noch weiter ausbauen möchte. Um Personal wirbt der Unternehmer – der schon einige Unternehmen gegründet hat aber noch nie in seinem Leben Angestellter war – auch mit seinem neuen Sitz in Berlin Schöneweide: In einem großzügigen, frisch restaurierten Loft mit Dachterrasse und Spreeblick, der unbefristete Arbeitsvertrag ist selbstverständlich.
- Der dritte Unternehmer vor den Kameras hat seinen Sitz mit derzeit 14 Mitarbeiter*innen hier an unserem Drehort im TSG – die Räumlichkeiten sind kostengünstig für die entwicklungsintensiven 3D-Scan-Systeme. Das junge Unternehmen wirbt damit für sich, Technologieführer in Photogrammetrie zu sein. Und auch er versucht laufend, Informatiker für sein Unternehmen zu gewinnen. Es können auch Geowissenschaftler sein, denn die spezifische Hochschulausbildung in Photogrammetrie steckt noch in den Kinderschuhen. Kooperationen mit der HTW sind unersetzlich, um den weltweiten Wissensvorsprung immer wieder zu bestätigen.
So, das war beeindruckend! Berlin Schöneweide ist also ein guter Ort für entwicklungsintensive Startups in der Wachstumsphase. Wer Kapital benötigt, kann unter anderem auf die Finanzierungsangebote der Investitionsbank Berlin zurückgreifen, und für die Vernetzung in allen Lebenslagen des Unternehmens auf das Regionalmanagement.
Gründerspots
Nach den Interviews besichtigen wir mit Jana Herschelmann und Gregor Keck den Co-Working Space im Technologie- und Gründerzentrum Spreeknie und machen Aufnahmen auf dem Campus der Hochschule für Technik und Wirtschaft. Für diese Aufnahmen haben wir eine Drehgenehmigung beantragen müssen.
Unterwegs
Es ist Freitagabend. Die Bahnfahrt nach Hause wird zwar lang, aber mit Sicherheit entspannter als die Autofahrt des Filmteams nach München.
Während der Bahnfahrt beschäftigt mich einmal wieder eines meiner Lieblingsthemen: Warum nur gelingt es einfach nur so selten, Frauen zu finden, die ein Startup gründen – oder gar ein Technologie-Startup? Und was könnte man für mehr Frauen tun? Und sollte man das überhaupt oder ist es gut wie es ist? Wie frei sind die Entscheidungen der Gründerinnen überhaupt und wie förderlich oder hinderlich die spezifischen Unterstützungsangebote? Nur 15 Prozent der Startups werden von Frauen gegründet, diagnostiziert der Bundesverband deutscher Startups in seinem Female Founders Monitor 2019. Dabei unterscheiden sich Frauen und Männern bei den wichtigsten Gründungsmotiven doch überhaupt nicht. Beide suchen mit annähernd gleicher Priorität die unternehmerische Herausforderung und wünschen sich Unabhängigkeit im Erwerbsleben. Na ja, sie sind eben in den Gesundheitssektoren oder den Kreativbranchen stärker vertreten als Männer. Frauen in der Gründerszene – oder sollte es besser Gründungsszene heißen? - ist ein Thema, das mich nicht loslassen wird. Heute ist es mir speziell aufgefallen, dass Männer tolle Geschäftsmodelle entwickeln und dabei offenbar zunehmend darauf achten, dass auch das Privatleben – das eigene und das der Beschäftigten – nicht zu kurz kommt. Und das „Frauending“, da bleibe ich dran.
Letztlich sind wir alle gut angekommen - am Montag sehen wir uns zum Drehtermin für „Gründen in Deiner Region“ in Braunschweig wieder.
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