Ländliche Regionen als Zukunftsorte
Am 22. April 2021 fand eine weitere Ausgabe unseres RKW-Erfahrungsaustauschs "Gründungsökosysteme gestalten" statt, um der Frage nachzugehen, was die aktuelle weltweite Dezentralisierung der Arbeitswelten für die Entwicklung von Gründungsökosystemen bedeutet. Als Gast zu diesem Thema hatten wir Philipp Hentschel eingeladen, einen der Mitbegründer des „Netzwerk Zukunftsorte“. Er berichtete zu Beginn über die Gestaltungsansätze für das „Landleben der Zukunft“. Dabei werden vor allem in Brandenburg Leerstände und Brachflächen neu genutzt und als gemeinschaftliche Räume zugänglich gemacht. So wurde beispielsweise ein alter Gutshof südwestlich von Berlin in einen Co-Working-Space mit Übernachtungsmöglichkeiten, manuellen Arbeitsplätzen, Massagesalon und Kunsthandwerksladen etabliert. Das Coconat versteht sich als Sozialunternehmen, das nachhaltige Initiativen unterstützt und Innovation im ländlichen Raum ermöglichen will. Dabei geht es bewusst darum, kein „urbanes UFO“, aufzusetzen, sondern aktiver Teil der Regionalentwicklung zu sein. Der Trend zum Dezentralen wird im Netzwerk als eine Möglichkeit begriffen, soziale Innovationen zu testen.
Trends in der Unterstützungslandschaft von Gründungen
Kann das Beispiel der Zukunftsorte Schule machen? Und wird es zukünftig einfacher sein, Unternehmen Abseits der großen Zentren aufzubauen? In der folgenden Diskussion wurden eine ganze Reihe von Trends angesprochen, die auf den ersten Blick zu einer Dezentralisierung der Arbeitswelten (und somit auch der Gründungsaktivitäten) beitragen: hierzu gehören die Etablierung von Gründungsnetzwerken in ländlichen Regionen, ortsunabhängiges Arbeiten, kooperationsoffene mittelständische Betriebe und Venture-Capital-Investoren unter Wettbewerbsdruck. Beim näheren Hinsehen gibt es ebenfalls einige interessante Beobachtungen zu machen: Im Zuge der Umstellung auf digitale Unterstützungsformate aufgrund der Covid-19-Pandemie von Seiten der regionalen Wirtschaftsförderung zeigt sich zum Teil sogar ein gestiegenes Gründungsinteresse. Beispielsweise berichtete Kerstin Helm (Wirtschaftsförderung Landkreises Harburg) über gut besuchte virtuelle runde Tische und Gunnar von der Grün (Existenzgründungsoffensive Neckar-Eschach) von einer überdurchschnittlich hohen Nachfrage für die Teilnahme am Existenzgründertag 2021. Bereits im Vorjahr zeigte sich bei der Vielzahl an Startup- und Gründungswettbewerben im Zuge der Umstellung auf digitale Formate eine hohe Zahl an Teilnehmenden. Inwieweit sich das große Interesse auch in konkreten Gründungsvorhaben niederschlägt, ist derzeit jedoch noch offen.
Kreativität in Gefahr
Gerold Keuter vom FIDT (Kassel) sieht im dezentralen Arbeiten auch Nachteile: Zum einen wird der Aufbau von persönlichen Netzwerken erheblich erschwert, da ein zwangloses Treffen und der damit verbundene Austausch kaum mehr stattfinden kann. Zum anderen leide auch die Kreativität unter dem Arbeiten auf Distanz. Bei den Coworking-Spaces sorgt die derzeit geringe Belegung auch nicht für die Dichte, die den Arbeitsplatz in der Regel zu einem Ort für Inspiration und Kreativität macht. Ob zukünftig noch alle Flächen benötigt werden, ist mehr als fraglich. Tendenziell zeigt sich eher ein Nachfragerückgang.
Silicon Valley is dead. Long live Silicon Valley
Trotz der vielen positiven Ansätze zur Dezentralisierung von Arbeitswelten, bestehen jedoch auch Grenzen, insbesondere für die Entwicklung von technologieorientierten Gründungen, so Sebastian Köffer vom Digital Hub Münsterland. Denn nicht jede ländliche Region oder Kleinstadt kann ein Startup-Hotspot werden, darin waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig. Für digitale Startups sind Zentren in Mittel- und Großstädten weiterhin notwendig, um erfolgreich zu sein. Die Kombination aus Talenten, Kapital und Netzwerken, mit dem Ziel möglichst viele, tech-orientierte und schnell wachsende Gründungen hervorzubringen, kann nicht ohne weiteres kopiert oder aufgebaut werden.
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