Startups gelten als Antreiber von neuen Technologien und Herausforderer bestehender Wirtschaftsstrukturen. Ein Rückgang von Gründungsaktivitäten wird daher nicht selten mit mangelnder Zukunftsfähigkeit von ganzen Ländern oder einzelnen Regionen gleichgesetzt. Die Höhe des Anteils von Startups an allen Gründungen hängt von der Definition und den verfügbaren Daten ab. Beispielsweise legt die KfW Research für die Analyse von Startup-Aktivitäten folgende Merkmale fest: junge gewerbliche Unternehmen, die vor höchstens fünf Jahren gegründet wurden und deren Gründerinnen und Gründer im Vollerwerb tätig sind. Wesentliche Merkmale sind außerdem ein Gründungsteam oder Beschäftigte sowie eine innovations- oder wachstumsorientierte Ausrichtung mit dem Ziel, eine technologische Innovation zur Marktreife zu bringen.
Anhand dieser Definition ermittelt der KfW-Start-up-Report einen Gesamtbestand von 61.000 Startups in Deutschland. Nur ein kleiner Teil aller Gründungen weist Merkmale von Startups auf, bei Frauen sind es drei und bei Männern immerhin neun von 100 Gründungen. Analysen aus dem Global Entrepreneurship Monitor kommen zu einem ähnlichen Ergebnis. Hier liegt der Anteil an Gründerinnen und Gründern von technologieorientierten Unternehmen in etwa zwischen fünf und sieben Prozent. Die Studie Next Generation - Startup-Neugründungen in Deutschland hat für 2023 knapp 2.500 Startup-Neugründungen berechnet. Die Entwicklung der gesamten Startup-Population wird neben den Neugründungen auch durch die Überlebensrate der Startups beeinflusst.
Beschäftigungseffekte: 19 Mitarbeitende pro Startup
Die Wachstums- und Innovationsorientierung von Startups birgt nicht nur ein außerordentliches Erneuerungs- sondern auch ein hohes Beschäftigungspotenzial. Im Schnitt beschäftigen Startups knapp 19 Mitarbeitende, so das Ergebnis des Deutschen Startup Monitors 2023 (hier umfasst die Definition Unternehmen, die bis zu zehn Jahre am Markt sind). Vielversprechende Startups mit ihren Talenten und Technologien ziehen die Aufmerksamkeit von Investoren und etablierten Unternehmen auf sich und können hierdurch zu einem wesentlichen Wirtschafts- und Standortfaktor von Städten und Regionen werden. Neben den positiven Effekten bestehen aber auch Risiken: Startups, die rasant gewachsen sind, müssen sich schnell wieder von Mitarbeitenden trennen, wenn die geplanten Umsatz- oder Gewinnziele nicht erreicht werden.
Mehr Startups abseits der großen Zentren
Auf den ersten Blick scheinen sich Startups nahezu vollständig auf die großen Städte wie München, Berlin und Hamburg zu konzentrieren. Beim näheren Hinsehen zeigt sich jedoch, dass die räumliche Konzentration von Startups in den vergangenen Jahren etwas abgenommen hat und auch „Abseits der Metropolen“ spannende neue Tech-Unternehmen entstehen können. Die Möglichkeit, den Arbeitsort frei wählen zu können („work-from-anywhere“), scheint diese Entwicklung zu begünstigen. Trotz einer beobachtbaren Abschwächung der räumlichen Ballung von Startups bleibt der Aufbau von Startup-Ökosystemen in ländlichen Regionen eine Herausforderung. Hier ist es wichtig, die Breite und vorhandene Wertschöpfungspotenziale zu stärken sowie Gründerinnen und Gründer ausreichend zu vernetzen.
Persistente Strukturen gefährden Innovationspotenziale
Insbesondere in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten sollten unterstützende Rahmenbedingungen und Programme für Gründungen und Startups von Seiten der Politik und Förderung nicht aus den Augen verloren werden, denn wirtschaftliche Strukturen neigen nicht selten zu einer Persistenz und führen zu einer „Verknöcherung der Wirtschaft“. Dies verdeutlichte sich beispielhaft im Herbst 2022 in Deutschland auf eindrückliche Art und Weise: Während viele etablierte Unternehmen aus dem DAX im Zuge der Energiekrise – begleitet durch eine hohe Inflation und steigende Zinsen – die höchsten Erträge seit 20 Jahren eingefahren haben, kämpften viele Startups ums Überleben. Etablierte Unternehmen können in vielen Fällen die gestiegenen Kosten an den Kunden weitergeben. Startups, die gerade ein neues Produkt entwickeln oder einen Marktzugang aufbauen, sind dazu nicht in der Lage. Hierdurch entsteht ein Ungleichgewicht zwischen etablierten und neuen Unternehmen, die mit einem Selektionsprozess von Startups und somit dem Verlust von Technologie- und Innovationspotenzialen einhergehen kann.
Langfristig schwächt sich die etablierte Wirtschaft dadurch selbst. Wichtig sind eine Kooperationsbereitschaft und nach außen klar sichtbare Anlaufpunkte, um eine Zusammenarbeit zu ermöglichen. In größeren Unternehmen werden für Startup-Kooperationen teilweise eigene Stellen geschaffen, die dann z. B. „Ecosystem-Manager“ oder „Startup-Manager“ heißen. Zu den Aufgaben gehören u.a. das Markt- und Technologiescouting sowie die Steuerung von Pilotprojekten im Rahmen der Zusammenarbeit. Die verantwortlichen Personen sind für kooperationssuchende Startups klar erkennbar und agieren als erster Ansprechpartner. Gerade bei kleineren mittelständischen Betrieben besteht hier noch Nachholbedarf.
Positive Effekte durch Startup-Gründungen
Aus der Perspektive der Unterstützenden von Gründungen ist es hilfreich, die vielfältigen positiven Effekte von Startups als Wirtschafts- und Standortfaktor zu kennen, um auf eine argumentative Basis für den Diskurs mit politischen Institutionen und Entscheidungsträgern zurückgreifen zu können.
- Startups sind ein Wirtschaftsfaktor, in dem sie neue Arbeitsplätze schaffen. Und zwar im Durchschnitt deutlich mehr als konventionelle Gründungen. In diesem Zusammenhang kann zwischen direkten Beschäftigungseffekte (Arbeitsplätze bei den Startups selbst) und indirekten Beschäftigungseffekten (bei Dienstleistern und Zulieferern) unterschieden werden. Das generierte Einkommen erhöht die Kaufkraft und führt zu sogenannten induzierten Effekten, welche die regionale Wertschöpfung insgesamt erhöhen. Ebenfalls von Bedeutung sind Steuereinnahmen für die jeweiligen Kommunen.
- Startups sind ein Standortfaktor, in dem sie die Attraktivität einer Region für Talente und Unternehmen erhöhen. Es entstehen wirtschaftliche Vorteile für Unternehmen und Investoren aufgrund der räumlichen Nähe zu Startups. Konkret geht es um den Zugriff auf unternehmerisches Know-how, potenzielle Mitarbeitende und neuen Technologien. In der Folge entstehen Agglomerations- und Wettbewerbsvorteile, die neue Startups hervorbringen und eine überregionale Anziehungskraft erzeugen.
Startups profitieren somit nicht nur von gründungsfreundlichen Rahmenbedingungen, sondern können selbst zur positiven Entwicklung einer Region beitragen, indem sie als Innovationstreiber die Wirtschaftskraft stärken und die Standortqualität verbessern. Die daraus folgende Attraktion von Kapital und Unternehmen führt dann zu selbstverstärkenden Effekten und bietet so einen Nährboden für die Entstehung von weiteren Gründungen und Startups. Man spricht hier von einem sog. flywheel effect.
Quellen
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