Am 11. und 12. Oktober fand in Stuttgart das G-Forum statt, die wichtigste Konferenz zum Thema wissenschaftliche Forschung zu Entrepreneurship in Deutschland, die jährlich vom Forum Gründundsforschung e.V. veranstaltet wird. Wir haben dort im „Praxistrack KMU und Mittelstand“ die Ergebnisse unserer Befragung von 250 KMU zur ihrer Zusammenarbeit mit Startups vorgestellt.
Lean Startup
Im Mai 2013 veröffentliche Steve Blank den Artikel „Why the Lean Start-Up Changes Everything“, in dem er beschrieb, wie sich nach dem New-Economy-Boom über 10 Jahre ein neues Paradigma für den Aufbau und die Entwicklung von Startups entwickelt hat. Vorher, bis in die 1990er Jahre, wurde von Gründern meist die Ausarbeitung eines Business-Plans verlangt. Ziel war es, Unsicherheiten und Risiken im Voraus zu erkennen und zu beschreiben und wie sie am besten überwunden werden können. Danach kam es nur noch auf eine möglichst detailgenaue Umsetzung dieses Plan durch die Gründer an. In der Praxis zeigte sich jedoch, dass die meisten Business-Pläne den ersten „Kontakt“ mit den Kunden nicht überlebten.
Nach dem Dot-Com-Crash herrschte über einige Jahre eine ausgeprägte Knappheit an Kapital. So entstand eine neue Herangehensweise zum Aufbau und zur Entwicklung von Startups, bei der möglichst schnell gezeigt werden soll, ob eine Geschäftsidee funktioniert. Mit dieser Vorgehensweise sollte das Risiko für Venture-Capital-Investoren reduziert und die Wahrscheinlichkeit eines Engagements in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld gesteigert werden.
Die dazu entwickelten Methoden werden unter dem Begriff „Lean Start-Up“ zusammengefasst. Die zentrale Idee ist dabei, alle Annahmen zur Geschäftsidee als Hypothesen zu behandeln, die von Beginn an mit Hilfe potenzieller Kunden und anderer Stakeholder systematisch getestet werden müssen. Ein klassisches Tool, solche Hypothesen zu sammeln, ist z.B. das Business Model Canvas, das neun Elemente eines Geschäftsmodells, vom Nutzenversprechen über die Kunden bis zur Erlösmechanik, beschreibt. Eine Testmethode ist der Minimal-Viable-Product-Ansatz, bei dem Produkte und Dienstleistungen so schnell wie möglich Kunden vorgestellt und deren Reaktionen ausgewertet werden.
Innovations-Theater?
Blank stellte die These auf, dass die Lean Start-Up Methoden auch in etablierten Unternehmen Innovationsgeschwindigkeit und Markterfolg steigern können. Im Laufe der Jahre zeigte sich aber, dass diese Annahme nur zum Teil richtig war. Es entstanden zwar Bühnen für Innovation, die bei den verantwortlichen Managern ein gutes Gefühl erzeugen und die Belegschaft als breites Publikum haben. Oft gelingt es jedoch nicht, die neuen Ideen in marktfähige Produkte zu überführen, die eine messbare Wirkung auf das Unternehmensergebnis haben. So entsteht „Innovations-Theater“ mit einer interessanten Aufführung, die aber letztendlich keinen Ertrag bringt.
Wie sieht es aber bei der Zusammenarbeit von mittelständischen Unternehmen und Startups aus? Bei den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sind Budgets im Hinblick auf die Innovationsgestaltung häufig enger geschnürt als bei großen Konzernen und lassen somit weniger Spielraum für „Experimente“. Wir haben im Rahmen unserer Studie <link gruendung/studie/mittelstand-meets-startups-2018/>„Mittelstand meets Startups 2018“</link> 250 KMU nach ihren Erfahrungen zur Zusammenarbeit mit Startups gefragt. Insgesamt haben etwas mehr als ein Drittel der befragten Mittelständler mit Startups zusammengearbeitet. In mehr als der Hälfte der Fälle handelt es sich um eine Entwicklungspartnerschaft oder um ein Zulieferverhältnis. Im Fokus stehen somit konkrete Formen der Zusammenarbeit mit dem Ziel einen klaren Mehrwert für beide Parteien zu generieren.
Drei Beispiele
Wir haben uns anhand von drei Beispielen angeschaut, wie der Kontakt zwischen Startups und Mittelständischen Betrieben zustande kam, wie die Zusammenarbeit umgesetzt und ob bei der Kooperation ein Mehrwert geschaffen wurde (siehe Tabelle). Im Falle von Picavi und Babor konnte eine neue Technologie für die Lagerhaltung erprobt und der Reifegrad gesteigert werden. Beide haben von der Zusammenarbeit nachhaltig profitieret. Schleicher hat im Zuge der Zusammenarbeit mit Startups das eigene Geschäftsmodell angepasst und generiert über das eigene Unterstützungsprogramm sizzl etwa zehn Prozent der eigenen Umsätze durch die Kooperation mit Startups. Bei CargoSteps liegt keine Kooperation zugrunde, sondern die Identifikation einer Marktlücke und die effektive Umsetzung einer technischen Lösung über eine Startup-Ausgründung. Bei allen drei Beispielen bestand im Vorfeld ein klarer Handlungsbedarf und ein eindeutiges Ziel.
| |||
Form der Zusammenarbeit | Entwicklungspartnerschaft | Startup-Unterstützung | Ausgründung |
Technologie | Datenbrille für Kommisionierung | Elektronik-Entwicklung | Tracking-App |
Kontaktaufnahme/Anbahnung | Zufälliges Treffen bei IHK-Veranstaltung | Offenes Bewerbungsverfahren | Technologiebedarf im eigenen Unternehmen erkannt |
Ergebnis | 18% Zeitersparnis bei Kommissionierung | 10% des Umsatzes mit Startups | 600 Kunden nutzen die App bereits |
Fazit
Sowohl unsere Befragung als auch die drei Bespiele zeigen, dass der Mittelstand Innovations-Theater erfolgreich vermeiden kann. Im Zuge einer Kooperation mit Startups sollten Mittelständler im Vorfeld ihre Ziele klar herausarbeiten. Was derzeit noch fehlt ist ein systematischer Ansatz, den kleine und mittlere Unternehmen nutzen können, um vom innovationsgetriebenen Geschäftsentwicklungsansatz von Startups stärker zu profitieren.