Die erste Session des Online-Erfahrungsaustauschs in diesem Jahr war bis zum letzten „Platz“ besetzt - ein gutes Zeichen. Die teilnehmenden Unterstützerinnen und Unterstützer regionaler Gründungsökosysteme aus ganz Deutschland sahen durchweg Bedarf, sich über Herausforderungen und Unterstützungsmaßnahmen speziell für Gründerinnen auszutauschen.
Frauen gründen häufiger - im Gesundheits- und Bildungswesen
Zu Beginn der Session präsentierte Natalia Gorynia-Pfeffer Zahlen aus dem vom RKW-Team und der Leibniz Universität Hannover veröffentlichten „Global Entrepreneurship Monitors 2019/2020“. Die Gründungsquote von Frauen hat sich in 2019 gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt und erreichte einen Wert von 5,7% (Total Entrepreneurial Activity). Wie sich die Pandemie auf das Gründungsgeschehen ausgewirkt hat, werden die anstehenden Analysen zeigen. Die Corona-Krise stellt viele Gründende zweifelsohne vor große Herausforderungen, bietet aber – vielleicht gerade auch für Frauen – neue Chancen. Insbesondere die von Männern dominierten technologieorientierten Gründungen stehen in dieser Zeit in einem besonderen Fokus. Auffällig ist dabei eine starke Präsenz von Startup-Gründerinnen im Gesundheits- und Bildungswesen: Mehr als 40 Prozent aller Gründungen durch Frauen werden in diesen beiden Branchen umgesetzt. Ein gutes Argument sich dieses Segment in der Praxis näher anzuschauen.
In der Praxis: Annette Barth von Ajuma
Wir haben für die Session die Gründerin Annette Barth eingeladen, die gerade erst für ihr smartes Sonnenschutz-Gadget Ajuma den ISOP Brand New Award erhalten hat. Das UV-Messgerät hilft dem Nutzenden einzuschätzen, wie hoch die Sonnenbelastung ist und schickt diese Daten direkt auf das Handy.
Was war ihre Motivation zu gründen? In der Festanstellung in einem traditionellen Familienunternehmen schienen die Aufstiegschancen eher gering. Nach der Geburt ihrer Tochter wollte sie etwas Neues wagen, dabei war das Thema Sonnenschutz als Prävention ein persönliches Anliegen. Mit welchen Hürden hatte sie zu kämpfen? Vor allem das Risiko des Gründens einzugehen, ihre feste Anstellung zu verlassen und andere lukrative Angebote auszuschlagen. Die Finanzierung ihrer Gründungsidee ist ein großes Thema, vor allem wenn es jetzt auch um den Einstieg in den Markt geht. Zu Beginn erhielt sie eine öffentliche Förderung und wurde durch den Inkubator der European Space Agency unterstützt.
Unterstützungsmaßnahmen speziell für (Tech)-Gründerinnen
Elisabeth Neumann vom Hessischen Gründerpreis beobachtet ebenso einen Anstieg von Gründerinnen im Wettbewerbsgeschehen – vor allem aus der Hochschule kommend und auch im Technologiebereich – wie zum Beispiel die Halbfinalistinnen von Xeem oder Cognilize. Im Verlauf der Diskussion wurden einige Maßnahmen von den Teilnehmenden zur Unterstützung von Gründerinnen genannt, die wir zusammengefasst haben:
Kultur und Mindset verstetigen
Alle Akteure im Gründungsökosystem sollten für Genderunterschiede sensibilisiert werden, um eine offene und nachhaltig ausgerichtete Gründungskultur zu schaffen.
Für Pierre Hanitsch von der Wirtschaftsförderung des Landes Brandenburg (WFBB) ist die richtige Ansprache der Frauen wichtig sowie deren Netzwerke auch öffentlich zu machen. Außerdem spielt die frühe Förderung von unternehmerischen Kompetenzen für ihn eine große Rolle, z. B. in Schule durch den Einsatz von Schülerfirmen, aber auch durch Sensibilisierungsmaßnahmen in Hochschulen, wie das Hervorheben von guten Beispielen und Vorbildern – vor allem von Gründerinnen.
Dafür eignen sich bestehende Initiativen mit Fokus auf technologieorientierte Gründungen, wie das Netzwerk Global Digital Women rund um Tijan Onan. Genannt wurden auch die Webgrrls oder regionale Communitys wie Techettes in Frankfurt.
Auch die gezielte Ansprache von freiberuflichen Informatikerinnen könnte einen Ansatz darstellen, um Gründungen durch Frauen zu unterstützen.
Finanzierung ermöglichen
Frauengeführte Startups erhalten viel seltener externes Kapital zur Finanzierung ihrer Unternehmen, insbesondere Venture Capital sowie Business Angel-Investments. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Laut dem Investorinnen-Netzwerk rund um Svenja Lassen sind in Europa aber auch nur 8 Prozent der Business Angels weiblich. Der Zusammenhang liegt auf der Hand.
Für Melissa Jung von hannoverimpuls gilt es, vor allem Investoreninnen in Niedersachsen zu stärken. Sie laden deshalb vermehrt weibliche Führungskräfte ein, um sie dafür zu sensibilisieren, privates Vermögen als Investment vor allem für Gründerinnen bereitzustellen. Imke Lorenzen vom „Starthaus Woman“ der BAB-Förderbank berichtete über einen ähnlichen Ansatz. Sie bringen durch Kontakte zum Verband deutscher Unternehmerinnen gezielt Unternehmerinnen mit Gründerinnen zusammen, um auf mögliche Investments aufmerksam zu machen.
Alternative Finanzierungsmöglichkeiten wie das Crowdfunding waren zum Beispiel für die Gründerin Annette Barth dagegen „lehrreich aber erfolglos“. Der Aufwand von Crowdfunding war sehr hoch, der Erfolg allerdings limitiert. Andere Teilnehmende bestätigten diese Erfahrung.
Teams unterstützen
In der Runde wurden auch Maßnahmen zum Matchmaking genannt. Und zwar nicht nur das Zusammenbringen zwischen Investorinnen und Investoren mit Gründenden, sondern auch Ansätze zur Formierung von Gründungsteams– unabhängig vom Geschlecht. Annette Barth berichtete ebenfalls, dass die Gründung mit ihrem Partner einen großen Mehrwert darstellte. Sie als Wirtschaftspsychologin und er als Physiker aus der Wissenschaft ergänzen sich mit ihren Kompetenzen hervorragend. Unica Peters von jumpp empfahl Matching-Veranstaltungen wie den Gründerflirt im Rhein-Main-Gebiet. Hier treffen sich Gründende und Gründungsinteressierte, um ein passendes Team für die Umsetzung einer Gründungsidee zu finden.
Tipps & Informationen aus der Diskussionsrunde
Die folgende Liste gibt persönliche Empfehlungen der Teilnehmenden wieder und stellt somit nur einen Auszug der Angebote zum Thema dar.
Studien und Handlungsempfehlungen zur Förderung von (Female) Entrepreneurship:
- Female Entrepreneurship in Niedersachsen: Interviewstudie #femalestartupsnds (Hrsg. hannoverimpuls, 7/2020)
- Advancing Female Entrepreneurship - In London, Paris, Frankfurt und Berlin (Hrsg. Liz Dimmock, Moving Ahead, 2020)
- Warum gründen Deutschlands Forscher:innen nicht? Zur Psychologie des Gründens (Hrsg. Joachim Herz Stiftung 2/2021)
Über spezielle Finanzierungsmöglichkeiten:
- Projekt “CrossEUWBA”, Women Business Angels
- Female investors Network - das Investorinnen-Netzwerk von Prime-Crowd
Zur Inspiration:
- Starting a revelution: Was wir von Unternehmerinnen über die Zukunft der Arbeitswelt lernen können (Naomi Ryland, Lisa Jaspers)
- Initiative finanz-heldinnen
- Schwungmasse – Der finanz-heldinnen Podcast: #105 Über Gründen, Rückschläge & Digital Detox mit Verena Pausder
Veranstaltung:
- Women Business Angels Year 2020/21: Ein Awareness Workshop für MEHR Frauen mit Finanzpower und Know-how, die in innovative Start-ups investieren (8. März 2021, 16 Uhr -18 Uhr)
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