Am 3. Februar 2021 sprachen Martin Deschauer und Dr. Matthias Wallisch im Rahmen der Startup Sessions des Vodafone Enterprise Plenum e.V. über die Zusammenarbeit von Startups und dem Mittelstand. Sie zeigten dabei auf, wie sich das Thema in den vergangenen Jahren entwickelt hat, welche Chancen der Markt derzeit bietet sowie welche Rolle Intrapreneurship-Aktivitäten in Unternehmen haben. Darüber hinaus präsentierten sie das kostenfrei bestellbare RKW-Kooperationstagebuch „Mittelstand meets Startup“.
Hier geht es zur Aufzeichnung der Session: Recap Startup Session II.
Mittelstand und Startups in Deutschland – wie groß sind die Potenziale?
70.000 Startups (KfW-Startup-Report 2020) stehen etwa 80.000 mittelständischen Unternehmen mit 50 bis 499 Beschäftigten (IfM Bonn) gegenüber – die Zahlen beider Unternehmenstypen zeigen für Deutschland, dass sich genügend Partner für eine Zusammenarbeit finden lassen müssten.
Welche Rolle spielt räumliche Nähe bei der Anbahnung von Kooperationen? Videokonferenzen gehören mittlerweile zum Standardprogramm und viele großvolumige Finanzierungsrunden von Startups werden über die gängigen Video-Plattformen abgewickelt (zum Beispiel: Der Spiegel Nr. 5 2021: Deutsche Start-ups werden mit US-Risikokapital überschüttet). Doch im Vergleich zur Beziehung zwischen Venture Capital-Investoren und Startups besteht mit dem Blick auf den Mittelstand ein wichtiger Unterschied: und zwar verschiedene Unternehmenskulturen und somit auch eine unterschiedliche Sprache. Im Zuge der Annäherung sind dabei häufig einige Hürden zu nehmen. Persönliche Kontakte können dabei im Besonderen helfen, um das notwendige Vertrauen für eine Kooperation aufzubauen.
Besonders im Fokus steht der industrielle Mittelstand: Robert Lacher, Founding-Partner eines deutschen Venture-Capital-Fonds, schrieb hier vor kurzem im Handelsblatt: „Deutschland hat die Zutaten, künftige digitale Weltmarktführer zu formen. Unsere Stärke und Überlegenheit sind die Mittelständler im Industriebereich“. Er kommt dann zur Schlussfolgerung: „Unser Google ist der Mittelstand“.
Aus der Perspektive von Startups stellen die Zehntausende von mittelständischen Unternehmen in Deutschland nicht nur Kooperationspartner dar, sondern auch einen Markt. Gelingt es ein generisches Produkt zu entwickeln, welches in der Lage ist, die oben beschriebenen Hürden zu überwinden, dann sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, wie einige jüngste Erfolgsgeschichten aus der deutschen Startup-Szene verdeutlichen (zum Beispiel: Personio erhält hundert Millionen schwere Finanzierung und wird Münchens nächstes Unicorn).
Die Perspektive des Mittelstands
Derzeit laufen die Erhebungen für einen neuen Report über die Zusammenarbeit von Startups und kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Dieser wird im Frühjahr 2021 veröffentlicht. Bis dahin lohnt sich ein Blick auf die Ergebnisse aus unserer Studie: „Mittelstand meets Startups 2018 – Potenziale der Zusammenarbeit“:
- Rund 60 Prozent der KMU sind durch persönliche Empfehlungen in Kontakt mit Startups gekommen
- Weniger als ein Drittel der befragten KMU führen gezielt Maßnahmen durch, um einen Kontakt mit Startups herzustellen. Die meisten KMU überlassen das Kennenlernen von Startups dem Zufall.
- KMU wünschen sich insbesondere Austauschmedien und Informationsangebote sowie vereinfachte Fördermöglichkeiten, um die Kooperationschancen mit Startups zu verbessern.
- Hauptmotive für eine Kooperation sind die Erschließung neuer Technologien und die Entwicklung von Produktinnovationen. Insbesondere für KMU aus den Branchen Maschinen- und Fahrzeugbau sowie Chemie und Pharma bietet eine Kooperation die Möglichkeit, in neue Märkte einzusteigen. 19 Prozent der befragten KMU sehen in Startups eine Investitionsmöglichkeit.
Wir sind gespannt wie sich die Herangehensweise der mittelständischen Unternehmen in den letzten Jahren verändert hat und werden mit Erscheinen der neuen Studie auch hier in unserem Blog berichten.
Startup Scouting und Matching-Plattformen
Am Markt haben sich in den vergangenen Jahren eine Reihe von Beratungen etabliert, die das Zusammenfinden beider Parteien forcieren. Diese bieten häufig einen Zugang zu einem Netzwerk an Startups, Erfahrung beim Aufbau von Partnerschaften, sowie eine Expertise im Aufbau und Betrieb von Accelerator- und Venture- Programmen. Hierzu gehört auch Ambi-Vation, selbst ein junges Unternehmen aus Berlin, über das wir bereits im RKW Magazin 1-2018 ausführlich berichtet haben.
Aber auch Datenbank getriebene Ansätze finden eine zunehmende Verbreitung. Zum Beispiel die Plattform SalsUp. Hier können sich Startups und Mittelständler anmelden, um sich zu vernetzen und gemeinsam Innovationen zu schaffen. Eine andere Lösung speziell für den Maschinenbau bietet der VDMA Startup-Radar. Hier können die Mitglieder des Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. selbstständig nach zur Branche passenden Startups suchen, insgesamt aus etwa 9.000 Startups weltweit.
Unsere drei Schlussfolgerungen:
- Die Potenziale für eine Zusammenarbeit zwischen Mittelstand und Startups sind nicht ausgeschöpft, die Fantasie am Markt ist groß. Die Überwindung der räumlichen und technologischen Fragmentierung sowie der kulturellen Unterschiede sind dabei ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Aus der Perspektive des Mittelstands gilt es, statt dem Hoffen auf zufällige Kooperationen, stärker eine geplante und systematische Herangehensweise zu wählen.
- Matching-Plattformen können hilfreich sein, die Anbahnung beider Parteien zu erleichtern: das Verhältnis zwischen mittelständischen Unternehmen und Startups gilt es noch auszubalancieren. Aufgrund der unterschiedlichen Sprachen zwischen Mittelstand und Startups bleibt der Bedarf an Beratung und Begleitung bestehen.
- Mittelständische Unternehmen sollten sich stärker an Startups finanziell beteiligen und das Feld nicht ohne weiteres den Venture-Capital-Gesellschaften überlassen.
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