Coaching ist schon lange keine hippe Neuerscheinung mehr, die aus den USA zu uns herübergeschwappt ist, sondern mittlerweile fester Bestandteil im beruflichen und privaten Alltag vieler Menschen. Sich Unterstützung bei beruflichen und unternehmerischen Herausforderungen zu suchen, ist clever und in keiner Weise ein Zeichen von Unvermögen oder Schwäche. Gerade bei einer emotional anspruchsvollen Unternehmensnachfolge kann ein Coaching alle Beteiligten unterstützen und Stressmomente im Sinne der Gesundheit entschärfen.

Resilienz stärken – Zweifel schwächen

Eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge stellt sowohl die potenziellen Nachfolgenden als auch die übergabebereiten Unternehmerinnen und Unternehmer vor vielfältige Herausforderungen. In der Regel handelt es sich um eine Situation, die erst- bzw. einmalig im Leben zu meistern ist. Gleichzeitig dauert der Nachfolgeprozess bis zur Umsetzung meist längere Zeit und für beide Seiten sind Entscheidungen in komplexen Zusammenhängen zu treffen, die das eigene Leben maßgeblich verändern – eine neue Rolle ist einzunehmen und auszufüllen. Nicht selten scheitert ein „Projekt Betriebsübernahme“ deshalb, weil auf Seiten der potenziell zur Übernahme bereiten Person Zweifel aufkommen, ob es der richtige Weg ist. Hier ist die Fähigkeit zur Resilienz von großer Bedeutung und die Stärkung von Resilienz durch Coaching kann die Sicherheit über die eigenen Entscheidungen und die Handlungsfähigkeit unter Veränderungen im Nachfolgeprozess äußerst positiv beeinflussen.
In einem sensiblen Veränderungsprozess wie der Betriebsübernahme tauchen neben den wichtigen Themen der Unternehmensbewertung, Finanzierungsmöglichkeiten, steuerlichen und rechtlichen Fragestellungen häufig auch ebenso relevante Fragen auf, die das eigene Selbstbild betreffen und die eigenen Stärken und Schwächen in einem neuen Licht erscheinen lassen. „Passe ich als potenzielle Nachfolgerin bzw. potenzieller Nachfolger in das Unternehmen?“, „Passt dieser Schritt überhaupt zu meiner Lebensplanung?“, „Was kann ich schon und welche Kompetenzen muss ich noch erwerben?“, „Warum schaffen es manche Unternehmerinnen und Unternehmer trotz widriger Umstände, Krisen und Stress, gesund zu bleiben und erfolgreich zu sein?“ Ein gezieltes Nachfolgecoaching kann bei der Suche nach Antworten unterstützen und entlasten. Hier setzt auch der „Nachfolgecoach“ an, ein Angebot des Schwalm-Eder-Kreises, der sich im Verbund mit weiteren wirtschafsfördernden Einrichtungen in Nordhessen in dem Modellprojekt „Nexxt Now – Initiative für Unternehmensnachfolge in Nordhessen“ gemeinsam der Förderung von Unternehmensnachfolge widmet.

„Unser Coaching ist ziel- und lösungsorientiert, es stärkt die persönlichen Ressourcen und hilft dabei, die Handlungsspielräume (wieder) zu erweitern – aus der Herausforderung wird eine Chance, aus dieser wiederum eine Perspektive.“

- Simone Gerbig-Müller, Nachfolgecoach beim Kreisausschuss Schwalm-Eder

Nachfolgecoaching = Präventionscoaching

Im Prozess der Unternehmensnachfolge sind viele unterschiedliche Themen nebeneinander und gleichzeitig zu bedenken. Insbesondere die Person, die einen bestehenden Betrieb übernehmen und weiterführen möchte, investiert in der Regel sehr viel Zeit in die Beschaffung der relevanten Informationen und deren Analyse wie in Gespräche mit dem bisherigen Inhaber und den Beschäftigten im Betrieb sowie Expertinnen und Experten zum Businessplan und über Finanzierungsoptionen oder Steuern. In dem oft länger andauernden Übernahmeprozess liegt auch der gedankliche Fokus stark auf diesem Thema, immerhin geht es um die Gestaltung der eigenen Zukunft. Hier ist es für die künftige Inhaberin beziehungsweise den neuen Inhaber ratsam, sich sehr früh mit dem Ausgleich zwischen Arbeitsleben und Privatleben auseinanderzusetzen. Im Coaching lassen sich unterschiedliche Aspekte von Work-Life-Balance und ihrer betrieblichen Bedeutung thematisieren.

„In unseren Coaching-Einheiten sind wir im engen Austausch mit zukünftigen oder frischen Unternehmenden. Neben unverzichtbaren betriebswirtschaftlichen Themenschwerpunkten kommt auch die Thematik ‚Gesundheit‘ nicht zu kurz.“

- Vincent Strack, Nachfolgecoach bei der Handwerkskammer zu Köln

Work-Life-Balance: Auch die Belegschaft im Blick behalten

Neben der Work-Life-Balance und letztlich auch der Gesundheit der Unternehmerin oder des Unternehmers ist auch die nachhaltige Gesundheit der Belegschaft von zentraler Bedeutung. In Zeiten von Fachkräftemangel und einer älter werdenden Gesellschaft ist die Gesundheit aller Beteiligten – Management und Belegschaft – nicht zu vernachlässigen. Fragestellungen im Nachfolgecoaching betreffen beispielsweise folgende Aspekte:

  • Das Aufzeigen verschiedener Arbeitszeitmodelle mit ihren jeweiligen Schwerpunkten hinsichtlich der Flexibilität, die den Mitarbeitenden helfen können, Freizeit und Arbeit besser zu vereinbaren.
  • Das Betriebsklima und „das Miteinander im Unternehmen“ wirken sich nicht nur auf die Leistungen, sondern auch auf die psychische Gesundheit des Menschen aus: Kommen Mitarbeitende gerne zur Arbeit, sind sie seltener krank.
  • Ein ausgereiftes Konfliktmanagement zu etablieren ist einem leider gängigen Verhalten des „Unter-den-Teppich-Kehrens“ vorzuziehen; für junge Nachfolgende sind die subtilen Mechanismen im Betrieb nicht leicht zu erkennen. Als künftiges arbeitgebendes Unternehmen auf die Atmosphäre zu achten und Anzeichen früh zu erkennen, ist entsprechend wichtig.
  • Motivierte Geschäftsführende und Mitarbeitende können den Ausgleich zwischen Berufs- und Privatleben gut gestalten. Neben monetären Aspekten haben Arbeitgebende auch zahlreiche Möglichkeiten, die Motivation der Beschäftigten von innen (intrinsisch) zu stärken.

Wichtig ist es zudem, als Unternehmende zu erkennen, was sich ändern soll und dies der Belegschaft nennen zu können. Ob es ein lang gelebter Führungsstil ist oder die nachhaltige Erweiterung der Betriebsstrukturen – diese offene Kommunikation kann die Bindung an das Unternehmen fördern.
Abschließend lässt sich sagen, dass das Coaching einerseits für die zukünftigen Unternehmenden von hohem Interesse ist, auf der anderen Seite existiert der Vorteil für die Angestellten, von neuen Konzepten und frischen Strukturen der teilnehmenden Unternehmenden zu profitieren.

Warum Work-Life-Balance für die Gesundheit relevant ist

Ob und in welcher Intensität und auf welche Weise ein Ausgleich zwischen privatem und beruflichem Leben erfolgen soll, dazu haben Menschen völlig individuelle Voraussetzungen und Vorstellungen. Zudem ändern sich in unterschiedlichen Lebensphasen die Bedürfnisse und auch zwischen den Generationen gibt es mehr oder weniger stark dominierende Vorstellungen. Allen gemeinsam für ein gesunderhaltendes Gleichgewicht scheint aber die Annahme zu sein, dass die Sinnfrage positiv beantwortet werden kann: „Ja, die Arbeit ist für mich sinnstiftend.“ Bei beruflicher Über- oder Unterforderung wirken hingegen gesundheitsrelevante Risiken bis hin zu Burnout- oder Boreout-Phänomenen.

Warum Resilienz für die Gesundheit relevant ist

Resilienz bedeutet die Fähigkeit eines Menschen, trotz Belastungen gesund zu bleiben. Sie unterstützt Personen bei ihrer persönlichen Weiterentwicklung und einer erfolgreichen Stressbewältigung, um Herausforderungen mit einer inneren Widerstandskraft zu begegnen und gestärkt aus schwierigen Situationen herauszugehen. Resiliente Menschen verfügen über die Kraft, auch in schwierigen Situationen geistig flexibel zu bleiben, neue Handlungsoptionen vorteilhaft anzunehmen und lösungsorientiert zu handeln. Resilienz unterstützt uns bei der Burnout-Prävention, bei beruflichen wie auch privaten Krisen, in Change-Prozessen und anderen Umstrukturierungsvorgängen und verhilft zu einer anhaltenden Work-Life-Balance und damit auch zu Gesundheit von Körper und Psyche.

Über die BMWK-Initiative "Unternehmensnachfolge - aus der Praxis für die Praxis und die beteiligten Modellprojekte

Die Modellprojekte „Nexxt Now – Initiative Unternehmensnachfolge in Nordhessen: Nachfolgecoach“ des Kreisausschusses Schwalm-Eder und „Nachfolgewerkstatt – junge Menschen für die Nachfolge im Handwerk begeistern“ der Handwerkskammer zu Köln sind Projekte der BMWK-Initiative „Unternehmensnachfolge – aus der Praxis für die Praxis“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Insgesamt entwickeln bundesweit rund 30 Modellprojekte innovative Lösungen, um den Fortbestand und die Weiterentwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen in Deutschland zu sichern. Sie sensibilisieren und qualifizieren zum Thema Nachfolge, sprechen neue Zielgruppen an und bauen (regionale) Netzwerke auf. Das RKW Kompetenzzentrum begleitet die BMWK-Initiative fachlich.

Über die Autoren

  • Simone Gerbig-Müller ist Nachfolgecoach des Fachbereichs „Wirtschaftsförderung“ beim Kreisausschuss Schwalm-Eder. simone.gerbig-mueller@schwalm-eder-kreis.de
  • Vincent Strack B. A. ist Nachfolgecoach im Bereich Kaufmännische Unternehmensberatung bei der Handwerkskammer zu Köln. vincent.strack@hwk-koeln.de
  • Stefanie Bechert ist Mitarbeiterin im Fachbereich Gründung beim RKW Kompetenzzentrum. bechert@rkw.de

Dieser Beitrag ist erstmalig im RKW-Magazin "Alles fit?!" zum Schwerpunkthema "Gesundheitswirtschaft Deutschland" erschienen. Hier können Sie sich das Magazin kostenfrei bestellen oder downloaden. 

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  • © Pamela Uyttendaele / Fotolia – Homeoffice (92_homeoffice.jpg)

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