Das zweite Fachforum „Migrantische Ökonomie. Digital und gut vernetzt durch die Krise“, gemeinsam ausgerichtet vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen und dem Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, fand in diesem Jahr Mitte März virtuell statt. Ziel des Fachgesprächs war es, anhand aktueller Studien eine Übersicht zu Chancen und Herausforderungen migrantischer Unternehmen in Nordrhein-Westfalen zu geben: erstens im Vergleich mit anderen Bundesländern und zweitens in den verschiedenen Wirtschaftsregionen des Landes Nordrhein-Westfalen. Hier wurden verschiedene Studien dargestellt wie beispielsweise vom Institut für Mittelstandsforschung, Bonn oder der Bertelsmann Stiftung, Gütersloh.
In den anschließenden Workshops wurden effektive Strategien zur Unterstützung migrantischer Unternehmen unter den Bedingungen der Corona-Pandemie erarbeitet. Dazu gehört beispielsweise der Ansatz der „Entrepreneurship Education“, der im Rahmen des Workshops „Migrantische Ökonomie stärken“ durch Armin Baharian und Natalia Gorynia-Pfeffer anhand von Daten aus dem Global Entrepreneurship Monitor (GEM)2019/20 dargestellt wurde.
Die Ergebnisse stammen aus der repräsentativen Bevölkerungsbefragung (Adult Population Survey) des Global Entrepreneurship Monitor (GEM) Deutschland 2019/20, die das RKW Kompetenzzentrum gemeinsam mit dem Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie der Leibniz Universität Hannover durchgeführt hat. An der Studie haben sich weltweit 50 Länder beteiligt; es wurden 154.991 Personen befragt, davon 3.003 Personen in Deutschland.
Es zeigte sich, dass Deutschland bei Entrepreneurship Education an Schulen und Hochschulen in den letzten Jahren aufgeholt hat. Die im Zeitverlauf ansteigende Anzahl von Gründungs- bzw. Entrepreneurship-Professuren deutet darauf hin, dass das Thema „Gründung“ an immer mehr Hochschulen in Forschung, Lehre und Transfer aufgegriffen wird. Aktuell beläuft sich die Zahl dieser Einrichtungen an bundesdeutschen Universitäten und Hochschulen (FH) auf 148 Professuren/Professoren (inkl. Honorarprofessoren).
Einen besonderen Stellenwert hat in Deutschland das EXIST-Programm. Gegründet 1998 als Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), soll es Ausgründungen aus Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen fördern. Neben der Förderung von Ausgründungen unterstützt EXIST auch bei einzelnen Gründungsvorhaben mit dem EXIST-Gründerstipendium und dem EXIST-Forschungstransfer. Darüber hinaus unterstützt EXIST auch Hochschulen beim Aufbau einer ganzheitlichen Gründungs-kultur.
Trotz der voranschreitenden Verbesserungen im Bereich Entrepreneurship Education in Deutschland gibt es immer noch Chancenpotenziale – sowohl an den Hochschulen als auch in den Schulen. Im Vergleich zu den anderen 33 GEM-Ländern mit hohem Einkommen belegt Deutschland einen mittleren (in Bezug auf die Hochschulen) oder gar hinteren Platz (in Bezug auf die Schulen). Hier zeigt sich, dass vielerorts das Thema Wirtschaft an Schulen eine vergleichsweise größere Rolle spielt. Gleichzeitig gibt es in Deutschland viele gute Angebote, wie die Initiative „Unternehmergeist in die Schulen“mit über 40 Initiativen unter der Federführung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), um Jugendlichen unternehmerische Kompetenzen näherzubringen.
Auch die Vorbilder spielen hier eine bedeutende Rolle. Bezüglich der Medienaufmerksamkeit von Gründenden ist in Deutschland ein Positivtrend zu beobachten. 55 Prozent der 18- bis 64-Jährigen Bundesbürgerinnen und Bundesbürger geben im Befragungsjahr 2019 an, dass in Deutschland in den Medien oft über erfolgreiche neue Unternehmen berichtet wird. Insgesamt ist die wahrgenommene Medienresonanz von Gründenden in der letzten Dekade kontinuierlich gestiegen. Der Wert lag 2009 noch bei 50 Prozent Zustimmung. Die Medienpräsenz der Gründenden weckt Neugierde bei jungen Menschen, mehr über das Thema Entrepreneurship zu lernen.
Bei weiblichen Rollenvorbildern besteht noch ein gewisser Nachholbedarf. Schon in Schule und im Studium sollten auch weibliche Gründungsgeschichten und -gesichter sichtbar gemacht werden. Ein gutes Beispiel stellt hier die Initiative „FRAUEN unternehmen“ des BMWi dar. Ziel der Initiative ist es, Frauen über Vorbilder zur beruflichen Selbständigkeit zu ermutigen und Mädchen für das Berufsbild „Unternehmerin“ zu begeistern. Die Vorbild-Unternehmerinnen der Initiative „FRAUEN unternehmen“ berichten ehrenamtlich in regionalen Veranstaltungen bzw. an Schulen und Hochschulen über ihre Erfahrungen, geben ihr Wissen weiter und inspirieren Frauen zum Gründen.
Zudem hat das Elternhaus einen starken Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, Unternehmer oder Unternehmerin zu werden. Mehr als zwei Drittel der Gründungspersonen (Anteil derjenigen 18- bis 64-Jährigen, die während der letzten 3,5 Jahre ein Unternehmen gegründet haben und/oder gerade dabei sind, ein Unternehmen zu gründen) geben die Fortführung einer Familientradition als ausschlaggebendes Motiv an. Diese kann dabei in Form einer Neugründung aufgrund der im Familienumfeld erlebten Karriereoption des Unternehmertums erfolgen, aber auch in Form einer Übernahme eines bestehenden Familienunternehmens. Entrepreneurship Education leistet einen wichtigen Beitrag dazu, dass Schülerinnen und Schüler sich unabhängig vom familiären Hintergrund Wirtschaftswissen aneignen und in die Lage kommen, in ihrem späteren Karriereweg sowohl über eine Neugründung nachzudenken als auch in bestehenden Unternehmen gesellschaftliche und wirtschaftlich innovative Ansätze und Lösungen zu entwickeln.
Eins steht fest: Entrepreneurship Education ist ein wesentlicher Baustein zur Etablierung einer nachhaltigen Gründungskultur in Deutschland. Die Vermittlung von Entrepreneurship-Kompetenzen kommt jungen Menschen –unabhängig davon, ob sie in oder außerhalb von Deutschland geboren wurden, zu gute.
- © aelitta / thinkstockphotos – 1013-netzwerk-menschen.jpg