Berlin, 4. Juni, 15 Uhr, im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Die RKW-Veranstaltung „Impulse zur Stärkung der Gründungskultur“ hat begonnen. Was folgt ist ein spannender Diskurs rund um das Thema Gründungskultur. Das Highlight: erste Ergebnisse des gerade veröffentlichten <link gruendung/studie/global-entrepreneurship-monitor-20172018/>Global Entrepreneurship Monitors (GEM) 2017/2018</link>.
Pünktlich zum Auftakt der Veranstaltung erschien Christian Hirte, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, im Eichensaal des Ministeriums. Wir freuen uns über seinen zweiten Besuch auf einer RKW-Veranstaltung innerhalb von sechs Tagen. In seiner Begrüßungsrede berichtete Hirte, dass trotz guter Gründungsinfrastruktur und öffentlichen Förderprogrammen die Gründungsquote in Deutschland im internationalen Vergleich noch Luft nach oben habe. „Deshalb wollen wir mit einer Gründungsoffensive vor allem die Gründungskultur weiter stärken und den Menschen mehr Mut zum Gründen machen“, so der Staatssekretär.
Rahmenbedingungen in Deutschland
Die jährliche Analyse des <link gruendung/gruenderoekosystem/global-entrepreneurship-monitor-gem/>Global Entrepreneurship Monitors</link>, den das RKW Kompetenzzentrum mit der Leibniz Universität Hannover zu den gründungsbezogenen Rahmenbedingungen herausgibt, liefert ein zweigeteiltes Bild in Deutschland. Meine Kollegin Dr. Natalia Gorynia-Pfeffer führte anhand der aktuellen GEM-Veröffentlichung die Stärken und Schwächen in Deutschland aus, die die Experten aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik in der Befragung angegeben hatten:
So steht Deutschland in Sachen
- physischer Infrastruktur,
- Wertschätzung von Innovationen oder
- Schutz des geistigen Eigentums sehr gut da.
Schwächen zeigen sich dagegen
- bei der schulischen und außerschulischen Gründungsausbildung,
- durch die steuerliche Belastung oder auch
- durch die gesellschaftlichen Werte, die mit einem hohen Sicherheitsbewusstsein und einer geringen Chancenorientierung einhergehen.
Gründungskultur in der Region fördern
Neben der Bereitstellung aktueller Zahlen um das Gründungsgeschehen, war ein weiteres Ziel der Veranstaltung, Multiplikatoren - wie Institutionen und Verbänden - Hinweise zur Optimierung zu geben, wie sie vorhandener Angebote in die Breite tragen und die Etablierung einer Gründungskultur auf regionaler Ebene fördern können. Als Beispiele aus der Praxis dienten ehemalige Teilnehmer des <link gruendung/gruendungskultur/europaeischer-unternehmensfoerderpreis/>Europäischen Unternehmensförderpreises</link>, ein Wettbewerb, der Unterstützer und Förderer von Unternehmertum und Unternehmergeist auszeichnet. Zunächst berichtete der Bürgermeister der Gemeinde Niedereschach im Schwarzwald, Martin Ragg über die im Jahr 2013 gestartete „Existenzgründungsoffensive Niedereschach“, kurz EGON. Das Projekt wurde 2016 als deutscher Gewinner des Europäischen Unternehmensförderpreises ausgewählt.
Raggs Credo: Gründung ist Chefsache! Er selbst ist erster Ansprechpartner, wenn jemand aus seiner Gemeinde Fragen zur eigenen Gründung hat. Diese Vorgehensweise diene dem Ausdruck von Wertschätzung, so Ragg beim Interview in Berlin. Das EGON-Projekt hat sich stark entwickelt: Es gab bisher etwa 100 Eingangsgespräche, 50 davon wurden als Gründung in die Tat umgesetzt. Aufgrund des zu verzeichnenden Erfolgs haben sich nun drei Gemeinden zusammengeschlossen, die nunmehr die „Existenzgründungsoffensive Neckar-Eschach“, die Kurzform EGON bleibt, vorantreiben. Ehrenamtliche Helfer (frühere Unternehmer, IHK-Mitarbeiter) und der Bürgermeister selbst unterstützen bei Terminen und beraten die angehenden Gründer weiterhin als Lotsen. Wieso das Ganze? „Auslöser war der demografische Wandel. Wir mussten was tun, um die jungen Leute in der Region zu halten“, so der Bürgermeister.
Von den „Missing Entrepreneuers“
Die Stärkung des regionalen und lokalen Umfeldes für Gründer bezeichnete auch Prof. Dr. Rolf Sternberg von der Leibniz Universität in Hannover in der folgenden Podiumsdiskussion als wichtig. Die Idee, eine regional bekannte Person, wie den Bürgermeister selbst als „Spinne im Netz“ zu benennen, sei richtig.
In der weiteren Diskussion ging es aber auch um die sogenannten „Missing Entrepreneurs“, also Bevölkerungsgruppen, die bisher bei Gründungsaktivitäten unterrepräsentiert sind oder für die zukünftige Entwicklung der Gründungsquote in Deutschland eine besondere Bedeutung einnehmen. Doch welche Rahmenbedingungen benötigen diese potenziellen Gründergruppen und wie können bestehende Unterstützungsangebote weiterentwickelt werden? Dr. Ralf Sänger von der IQ Fachstelle Migrantenökonomie in Mainz machte auf Kompetenzen von Personen mit Migrationshintergrund aufmerksam und erklärte in der von Moderator Ulrich Walter eingeleiteten Abschlussrunde, er träume von einer inklusiven Gründungsförderung, bei der auf die Bedürfnisse von Migranten vermehrt eingegangen werden würde.
Für die Zielgruppe der „Gründerinnen“ brauche es zum Beispiel mehr Vorbilder, so Cornelia Klaus von hannoverimpuls GmbH. Hier könnte beispielweise eine bundesweite Kampagne für Frauen zielführend sein. Ihr Wunsch für die Zukunft war außerdem, die Förderung von Hightech mit sozialen Innovationen gleichzusetzen.
Rolf Papenfuß vom Zentralverband des Deutschen Handwerks versteht unter einer guten Mittelstandspolitik gleichzeitig auch eine gute Gründungspolitik. Er plädierte bei der Abschlussrunde dafür, gesellschaftliche Weichen für die Gründung zu stellen – insbesondere kleine Unternehmen mit 7 bis 20 Personen sollten durch die Politik gestärkt werden.
Auch die über 100 teilnehmenden Experten an der Veranstaltung wurden zum Abschluss gebeten per Handzeichen mit entsprechenden Karten eine persönliche Einschätzung zur Bedeutung der Förderungsmöglichkeiten abzugeben (grün= hohe Bedeutung, gelb= mittel wichtig, rot= nicht wichtig).
Einig waren sich die Besucher als es um die Förderung der Aspekte „Ausbau der digitalen Infrastruktur“ und bei der „Stärkung des Unternehmergeistes“ ging. Diese Punkte wurden einvernehmlich als wichtig deklariert. Über die Notwendigkeit „Frauen für Gründungskultur stärker zu fördern“ sowie dass „die Politik sich stärker für Gründungskultur engagieren“ sollte, war das Plenum dagegen unentschieden und hatte zur Bedeutung unterschiedliche Ansichten.
Was folgt?!
Wir bedanken uns für das Interesse und die zahlreiche Teilnahme an dieser Veranstaltung. Hiermit ist die Diskussion um das Thema „Stärkung der Gründungskultur“ allerdings keinesfalls abgeschlossen. Vielmehr erwarten wir eine Ausweitung der Debatte um ein gemeinsames Verständnis von Gründungskultur und deren Stärkung zu fördern. Im Vorfeld der Veranstaltung wurde von uns eine kleine Umfrage gestartet, bei der Vorschläge zu Stärkung und Verbesserung der Gründungskultur abgefragt wurde. Erste Ergebnisse wurden von Stefanie Bechert, RKW-Projektleiterin für Gründungskultur und stellvertretende Fachbereichsleiterin, am Ende der Veranstaltung vorgestellt. Nach Beendigung der Umfrage (Ende Juni) sollen die Ergebnisse für die Entwicklung einer „Charta zur Stärkung der Gründungskultur“ wieder aufgegriffen werden.
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