Im Zuge der Digitalisierung läuft eine Welle der Disruption durch viele Branchen und Startups werden allerorten als die „Retter in der Not“ angepriesen, die mit ihren kurzen Entwicklungszyklen und digitalen Geschäftsmodellen der etablierten Wirtschaft den Weg weisen sollen. Aber was genau machen Startups eigentlich anders? Lassen sich ihre Arbeitsweise und ihre Kreativität überhaupt auf mittelständische Betriebe übertragen? Kann eine Zusammenarbeit angesichts unterschiedlicher Arbeitskulturen überhaupt funktionieren?
Antworten auf diese Fragen haben die Teilnehmer des Workshops „Startups meet Mittelstand“ am 30. April in Frankfurt gemeinsam erarbeitet und dabei die „Startup-Methoden“ Business-Model-Canvas, Minimum Viable Product und Effectuation selbst ausprobiert.
Digitalisierung – Was heißt das?
In der ersten Übung konnten sich die Teilnehmer näher kennenlernen: Zwei Interview-Runden boten allen Teilnehmenden die Gelegenheit, jeweils die Hälfte der Teilnehmer zu einer vorgegebenen Frage rund um die Themen Digitalisierung und Innovation zu interviewen.
Die Teilnehmer sahen diese Themen weniger als technisches Problem denn als kulturelle Herausforderung. Vor allem die mangelnde Akzeptanz von Fehlern beim Ausprobieren neuer Produkt- und Geschäftsideen wurde dabei immer wieder als Problem genannt.
Methoden-Impulse: Business Model Canvas, Minium Viable Product, Effectuation
Im Anschluss wurden drei Methoden vorgestellt, die von Startups entwickelt wurden oder von ihnen häufig genutzt werden:
- Das Business Model Canvas von Osterwalder und Pigneur reduziert ausgehend von den Kunden und dem Nutzenversprechen, das man mit einem Produkt macht, jedes Geschäftsmodell auf neun wesentliche Elemente. Das ist zwar eine etwas vereinfachte Sicht auf das, was ein Unternehmen tatsächlich tut, um Geld zu verdienen, macht es aber einfach, die einzelnen Elemente systematisch auf Möglichkeiten für Veränderung abzuklopfen – z. B. indem neue Kundengruppe betrachtet werden, die über neue Kanäle angesprochen werden oder indem die Einnahmen vom Erlös aus dem Stückverkauf auf Abo-Modelle umgestellt werden.
- Zentrale Idee beim Minimum Viable Product ist, dass ein Produkt oder auch nur eine Produktidee so schnell wie möglich der anvisierten Kundengruppe vorgestellt und ihr Feedback eingeholt wird. Statt Monate oder Jahre mit der Entwicklung ausgereifter Prototypen mit möglichst vielen Features zu verbringen, sollte eine Variante, die nur das zentrale Nutzenversprechen realisiert, möglichst frühzeitig mit realen Kunden getestet werden. Aber Feedback kann z. B. auch eingeholt werden, in dem für ein Crowdfunding in einem Erklärvideo das Nutzenversprechen erläutert wird, bevor das Produkt überhaupt fertig entwickelt ist. So hat man eine sehr konkrete Rückmeldung, ob es für das Produkt einen Markt gibt, der den Einstieg in die Produktion rechtfertigt.
- Effectuation schließlich ist der systematische Einsatz vorhandener Kenntnisse, Fähigkeiten, Netzwerke und Ressourcen bei der Entwicklung neuer Produkte. Eine Analogie ist die Heransgehensweise an das Kochen: Nutzt man die in Küche und Keller schon vorhandene Zutaten um ein Gericht zusammenzustellen, anstatt eine Einkaufsliste mit Zutaten nach Kochbuch zusammenzustellen, so betreibt man schon Effectuation. Auch die so gefundenen Lösungen sind natürlich Experiente, die mindestens mit Opportunitätskosten belastet sind. Daher spielt auch das Prinzip des "leistbaren Verlusts", den man in der Entwicklung zu leisten bereit ist, eine wichtige Rolle.
Methoden Café – Denken wie ein Startup
Schließlich erhielten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen in drei halbstündigen Sessions die Gelegenheit, jede der drei Methoden selbst auszuprobieren – entweder anhand vorgegebener Business Cases oder für ihr eigenes Unternehmen. Abgeschlossen wurde jeweils mit einer kurzen Reflexionphase: Kann ich diese Methode bei mir im Unternehmen einsetzen?
Fazit
In der abschließenden Gesamtschau wurde rasch klar, dass für die Arbeit im eigenen Unternehmen eine einzelne Methode nur bedingten Nutzen bringt. Vor allem im Zusammenspiel entfalten die Methoden ihre Wirkung: So führt das Business Modell Canvas dazu, dass Nutzenversprechen und Kundenzielgruppe geschärft werden – ob diese Fokussierung aber sinnvoll ist, kann dann sehr gut mit einem Minimum Viable Product herausgefunden werden. Schlüsselpartner indentifiziert man dagegen, wenn man sich im Rahmen des Effektuation seine eigenen Netzwerke systematisch vor Augen führt.
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