Nicht nur was für die Großen

Möglichkeiten der Mitarbeiterbeteiligung

Führung und Teamwork sind eng mit Motivation und Wertschätzung verbunden. Viele Unternehmen zeigen ihre Wertschätzung gegenüber ihren Mitarbeitenden mit einer guten Work-Life-Balance, einer zusätzlichen privaten Krankenversicherung für die ganze Familie, Vergünstigungen im Fitness-Studio, einem Job-Rad oder Zuschüssen zum Deutschland-Ticket. Maßnahmen wie diese fördern die Verbundenheit und die Identifikation mit dem Unternehmen. Eine weitere Möglichkeit hierfür bieten auch Programme, bei denen die Mitarbeitenden finanziell am Unternehmen beteiligt werden. Wir haben mit dem Geschäftsführer des Bundesverbands Mitarbeiterbeteiligung, Dr. Heinrich Beyer, über die Chancen und Risiken dieser Programme gesprochen.

„Die Mitarbeiterbeteiligung hat bei Claas eine lange Tradition. Seit 1984 haben unsere Mitarbeiter die Möglichkeit, sich als stille Gesellschafter am Unternehmenserfolg zu beteiligen. Die Mitarbeiterbeteiligung ist aber nicht nur eine rentable Kapitalanlage, sondern hat sich auch als fester Bestandteil der Claas Unternehmenskultur etabliert. Eine Beteiligung von mittlerweile über drei Viertel der berechtigten Mitarbeiter zeigt dies deutlich.”

– Dr. Peter Göth, Geschäftsführer der CMG CLAAS Mitarbeiterbeteiligungs-Gesellschaft mbH

Herr Dr. Beyer, eignet sich eine Mitarbeiterbeteiligung für jedes Unternehmen oder gibt es bestimmte Voraussetzungen oder Strukturen, damit sie ihre volle Wirkung entfaltet?

Wir haben solche Beteiligungsprogramme in allen Unternehmensgrößen und -klassen und auch in allen Branchen. Es ist nicht so, dass sie nur für große Unternehmen geeignet sind oder dass es ein gewaltiger Aufwand wäre, den sich kleine und mittlere Unternehmen nicht leisten können. Das ist nicht der Fall. In Großunternehmen, die als Aktiengesellschaften firmieren, werden üblicherweise Belegschaftsaktien ausgegeben. In mittelständischen und kleinen Unternehmen, in der Regel handelt es sich hier um GmbHs oder Personengesellschaften, geht es häufig um Genussrechte oder stille Beteiligungen. Bei allen Beteiligungsprogrammen ermöglichen es die Unternehmen ihren Mitarbeitenden, sich mit eigenem Geld am Betrieb zu beteiligen. In der Regel wird die Einlage der Mitarbeitenden vom Unternehmen durch eine (steuerfreie) Zuwendung aufgestockt. Beide Einlagen bilden den Kapitalstock, der erfolgsabhängig verzinst wird oder – im Fall von Belegschaftsaktien – an der Dividendenausschüttung teilnimmt.

Die Mitarbeiterbeteiligung gilt als probates Mittel zur Bindung und Motivation von Mitarbeitenden. Lässt sich der Erfolg dieses Instruments in Zahlen belegen? Also, warum soll ich als Unternehmen ein solches Programm einführen?

Es gibt eine Reihe von Untersuchungen zu der Frage: Haben sich die Erwartungen an die Einführung eines Beteiligungsprogramms erfüllt? Und diese zeigen, dass sich Beteiligungsprogramme durchaus positiv auf die Mitarbeiterbindung und -identifikation auswirken.

Aber ehrlicherweise stellt sich hier auch die Frage nach Henne oder Ei. In der Regel ist es schon so, dass solche Programme in Unternehmen eingeführt werden, die eine gewisse Nähe zu den Beschäftigten haben und in denen der Unterschied zwischen Management und Mitarbeitenden nicht so groß ist. Hier ist diese Kapitalbeteiligung am Unternehmen noch mal etwas, was zu einer schon vorhandenen partizipativen Unternehmenskultur sehr gut passt. Und dort sind solche Programme auch am wirksamsten.

Hat es auch etwas mit flachen oder steilen Hierarchien zu tun?

Es gibt solche Programme eher in Unternehmen, die sich durch flache Hierarchien auszeichnen. In einem stark patriarchisch geprägten Unternehmen finden wir sie seltener.

Wie sieht es bei Start-ups aus?

Start-ups sind noch einmal eine ganz eigene Kategorie, da sie bisweilen existenziell darauf angewiesen sind, ihre Mitarbeitenden in irgendeiner Weise mit einer Teilhabe, Aktien oder sonstigen Vermögensbeteiligungen zu entlohnen. Sie sichern sich auf diese Weise die Expertise, die sie benötigen, ohne aber die entsprechenden Gehälter zahlen zu können.

Was macht denn eine Beteiligung für mich als Mitarbeiterin besonders attraktiv?

Zum einen ist es ein finanzieller Aspekt: Ich lege Geld ein und bekomme eine hohe erfolgsabhängige Verzinsung, wenn das Unternehmen viel Geld verdient hat, und ich bekomme zusätzlich auch noch den Zuschuss vom Unternehmen. Als Beispiel: Ich zahle 1.000 Euro ein und bekomme vom Unternehmen 400 Euro obendrauf. Wenn ich dann auf die Gesamtsumme in einem besonders erfolgreichen Jahr 10 Prozent Rendite bekomme, ist das ja schon einmal richtig attraktiv. Und wenn ich unter diesen Bedingungen jedes Jahr einen Betrag in den Topf hineingebe, dann bildet sich hieraus ein Kapitalstock im Unternehmen, bestehend aus Eigenleistung, Zuwendung des Unternehmens und Zinsen. Für die Mitarbeitenden wird daraus leicht eine zweistellige Rendite generiert. Dieser kontinuierliche Vermögensaufbau ist auch für Menschen mit geringerem Verdienst hochgradig interessant. So viel zum finanziellen Aspekt. Ein weiterer Aspekt ist, dass die Mitarbeitenden fortlaufend über den Erfolg des Unternehmens informiert sind, alleine schon deswegen, weil die Verzinsung hiervon abhängig ist. Das heißt, es wird auch über den Unternehmenserfolg kommuniziert. Die Mitarbeitenden-Aktionärinnen und -Aktionäre oder die stillen Gesellschafterinnen und Gesellschafter sind also mit einbezogen. Vertrauen und Transparenz spielen hier eine große Rolle. Wir sind als Mitarbeitende nicht mehr „nur“ Beschäftigte.

„Partnerschaftliche Unternehmensführung, verbunden mit einem attraktiven Modell der Mitarbeiterbeteiligung, stärkt Mitdenken und Kreativität, persönliches Engagement und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Die Entwicklung von Globus zu einem führenden Unternehmen im deutschen Handel ist untrennbar mit diesem Ansatz verbunden.“

– Thomas Bruch, Gesellschafter der Globus SB-Warenhaus Holding GmbH & Co. KG

Was passiert denn eigentlich, wenn mein Unternehmen insolvent geht?

Das muss man ganz deutlich sagen: Wenn ein Unternehmen in die Insolvenz geht, ist in der Regel auch dieses Kapital verloren. Es ist ein Risikokapital. Die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) spricht hier von einer unternehmerischen Beteiligung und das ist es auch. Aber ich habe das in meiner Laufbahn tatsächlich noch nicht erlebt.

Und wenn ich kündige?

Wenn Mitarbeitende das Unternehmen verlassen, hat das Unternehmen im Fall von stillem Beteiligungskapital ein vorzeitiges Kündigungsrecht auch vor dem Ablauf von gegebenenfalls vereinbarten Sperr- bzw. Festlegungsfristen; das Kapital wird dann zuzüglich der Zinsen ausgezahlt. Belegschaftsaktionärinnen und -aktionäre können nach Ablauf der Sperrfrist ihre Aktien unabhängig vom Unternehmen über die Börse verkaufen.

Denken Sie, dass das Instrument der Mitarbeiterbeteiligung in Zeiten des Fachkräftemangels und eines volatilen Arbeitsmarkts die Arbeitgeberattraktivität erhöht?

Der Fachkräftemangel ist sicherlich ein Treiber für mehr Mitarbeiterbeteiligung. Nahezu alle Unternehmen suchen ja nach Möglichkeiten, ihre Attraktivität zu erhöhen und Alleinstellungsmerkmale zu schaffen.

Gerade für junge Unternehmen mit einer qualifizierten Belegschaft, die auch schon gut verdient, beispielsweise im IT-Bereich oder im Dienstleistungssektor, sind solche Programme in der Tat sehr attraktiv.

Die Voraussetzungen, dass sich diese Programme generell weiter etablieren, sind sehr gut, zumal auch die steuerliche Förderung, die bereits 2021 aufgestockt worden ist, zum 1. Januar 2024 noch einmal deutlich auf einen Freibetrag von 5.000 Euro pro Jahr und Mitarbeiterin oder Mitarbeiter erhöht wird.

Eine Botschaft ist mir wichtig: Die Mitarbeiterbeteiligung ist nicht nur etwas für große Aktiengesellschaften. Wir haben diese Programme erfolgreich auch bei kleinen Betrieben wie Friseursalons oder Gartenbaubetrieben eingeführt. Mit der entsprechenden Vorbereitung und Beratung ist die Mitarbeiterbeteiligung in vielerlei Hinsicht für beide Seiten lohnenswert.

Vielen Dank für das Gespräch!

Dr. Heinrich Beyer ist Geschäftsführer des Bundesverbands Mitarbeiterbeteiligung. heinrich.beyer(at)agpev.de

Das Interview führte Julia Niles vom RKW Kompetenzzentrum.

Dieser Artikel wurde zuerst in einem RKW Magazin "Eine(r) für alle, alle für eine(n)"  mit dem Schwerpunkt: "Team und Führung" veröffentlicht. Dort haben Sie auch die Möglichkeit unser Magazin zu abonnieren. Alle Magazine finden Sie unter: https://www.rkw-kompetenzzentrum.de/das-rkw/rkw-magazin