Unter dem Titel "Urban Mining – von der Forschung in die Praxis" lockte der Fachkongress der RG-Bau in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Informationszentrum Raum und Bau IRB im Rahmen der Münchner Messe BAU 2023 im April zahlreiche Interessierte in das Forum der Halle B0.

Das große Interesse an dieser Fachveranstaltung zeigt, dass nachhaltiges Bauen und eine umweltbewusste Stadtentwicklung zu den wichtigsten Themen in der Bauwirtschaft gehören. Laut Erhebungen der Europäischen Union ist die Bauwirtschaft für 50 Prozent des gesamten Primärrohstoffverbrauchs, 40 Prozent der Treibhausgas-Emissionen, 50 Prozent des Primärenergieverbrauchs und mindestens 36 Prozent des Festmüllaufkommens verantwortlich. Dadurch ist die Bauwirtschaft in die Pflicht genommen, eine zentrale Rolle zum Erreichen der Klima- und Umweltziele einzunehmen. Intelligente Planung und innovative Lösungen zur Schonung von Ressourcen bei der Errichtung von Gebäuden und Infrastrukturen werden maßgeblich für den zukünftigen Erfolg der Branche sein.

Ein Konzept, das diesem Anspruch gerecht wird und vermehrt an Bedeutung gewinnt, ist das sogenannte „Urban Mining“. Mit diesem Ansatz sollen wertvolle Ressourcen in der Stadtumgebung wiedergewonnen und in einem geschlossenen Kreislauf wiederverwendet werden.

Dirk E. Hebel ist Professor für Nachhaltiges Bauen und Dekan der Architekturfakultät des Karlsruher Instituts für Technologie KIT und eröffnete die Veranstaltung mit einem Vortrag über „Urban Mining und kreislaufgerechtes Bauen – die Stadt als Rohstofflager“. Er stellte die Problematik des derzeit praktizierten linearen Konzepts in der Bauwirtschaft dar, bei dem Rohstoffe entnommen, konsumiert und anschließend als Abfall entsorgt werden. Diese Verfahrensweise führe zu einem enormen Ressourcenverbrauch und letztendlich zur Verschwendung von wertvollen Rohstoffen. Alarmierend seien auch die Zahlen zu den aktuellen Fördermengen wichtiger Basisrohstoffe sowie die zu erwartenden Reserven.

Ein wichtiger Lösungsansatz liege in der Entwicklung von neuen Verbindungstechnologien, wie mit einigen Beispielen für kreislaufgerechtes Bauen aus dem Projekt NEST der Empa Schweiz gezeigt wurde. Um Materialien werterhaltend und möglichst verlustfrei einer wiederholenden Verwertung zuzuführen, müssten die Verbindungselemente derart konstruiert sein, dass sich die verschiedenen Baumaterialien im Falle des Rückbaus sortenrein trennen ließen. Kreislaufgerechtes Bauen erfordere also ein Rückbaukonzept, welches bereits bei der Planung entwickelt werden müsse.

Unterschiedliche Praxisbeispiele aus erfolgreich umgesetzten Projekten zeigte Professor Eike Roswag-Klinge. Dazu gehörten Gebäude aus Holz-Ziegel-Lehm oder begrünte Dach- und Fassadenflächen als klimaaktive Gebäudehüllen zum Erhalt der Biodiversität. Eike Roswag-Klinge ist Dipl.-Ing. Architekt BDA und einer der Initiatoren und Geschäftsführer von ZRS Architekten Ingenieure, Berlin. Er leitet das Natural Building Lab der Technische Universität Berlin. Interessant ist zudem seine Handlungsempfehlung für das zukünftige Bauen, mit der er seinen Fachvortrag beendete:

  • Berücksichtigung der planetaren Grenzen
  • Alle Aktivitäten sollten auf die Transformation des Bestandes gelenkt werden
  • Siedlungsräume sollten begrünt und gemeinwohlorientiert umgebaut werden
  • Wohn- und Nutzflächen pro Person sollten verringert werden
  • Nachwachsende und kreislaufgerechte Ressourcen sollten genutzt und weitergenutzt werden
  • Bepreisung der Umweltfolgewirkungen, wie beispielsweise Ressourcensteuer für Abbruch und Rückbau
  • Reallabor und Experimentierräume bauen
  • Transdisziplinäre Planungs- und Baukultur

Das enorme Potenzial der Kreislaufwirtschaft für neue Geschäftsmodelle und Ressourcenschonung zeigte sich auch in dem Vortrag, den Luise von Zimmermann präsentierte. Das Unternehmen Concular hat es sich zur Aufgabe gemacht, Materialien aus dem Rückbau von Gebäuden zu erfassen und einer neuen hochwertigen Verwertung zuzuführen. Am Beispiel vergangener Projekte zeigte sie, dass die Digitalisierung eine wesentliche Voraussetzung für die Nutzung von Gebäuden als Wertstoffdepot darstellt, insbesondere in Form eines Gebäuderessourcenpasses.

Diese Konzepte aus Forschung und Praxis zeigen, dass Urban Mining und kreislaufgerechtes Bauen mehr als nur Schlagworte sind: Sie werden umgesetzt und können eine nachhaltige Bauwirtschaft ermöglichen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Ansätze in naher Zukunft in der gesamten Branche Anwendung finden und damit einen wertvollen Beitrag zum Schutz unserer Umwelt leisten werden.

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