RKW: Guten Tag Herr Gumlich, als Key Account Manager bei der KfW Bankengruppe haben Sie im Moment bestimmt alle Hände voll zu tun. Vielen Dank, dass Sie sich trotzdem die Zeit genommen haben, uns und unseren Leserinnen und Lesern ein paar Fragen zu beantworten. Doch lassen Sie mich zunächst die wichtigste Frage stellen, wie geht es Ihnen? Sind Sie und Ihre Lieben gesund?
Reinhart Gumlich: Guten Tag Frau Juschkus, zunächst Danke für die Nachfrage. Mir selbst, meiner Familie und zum Glück auch den Kolleginnen und Kollegen in meinem Umfeld geht es gut. Sehr gern beantworte ich Ihnen Ihre Fragen rund um die KfW Corona-Hilfe und informiere damit ihre Zielgruppe - also "Menschen, die ihr etabliertes Unternehmen weiterentwickeln ebenso wie an jene, die mit eigenen Ideen und Tatkraft ein neues Unternehmen aufbauen wollen".
Auch nach Ostern hat der Corona-Virus Deutschland noch fest im Griff. Noch immer gelten massive Einschränkungen für die Menschen und für die Wirtschaft. Auch viele gesunde Unternehmen leiden unter den Folgen. Die Bundesregierung hat sehr schnell mit massiven Förder- und Unterstützungsprogrammen reagiert. Welche dieser Programme werden über Ihr Haus, die KfW, abgewickelt und welche davon sind für den Mittelstand gedacht?
Bund und KfW haben versucht, schnell auf den entstehenden Finanzierungsbedarf für freiberuflich Tätige und gewerbliche Unternehmen jeder Größe zu reagieren und mit dem KfW-Sonderprogramm 2020 insbesondere Betriebsmittel, also Liquiditätsfinanzierungen über die Hausbanken bereitzustellen. Dazu wurden zunächst die bewährten Finanzierungsinstrumente ERP-Gründerkredit-Universell (075/076) und KfW- Unternehmerkredit (037/047) mit interessanten Finanzierungskonditionen für die Unternehmen an den Bedarf angepasst und mit attraktiven Haftungsfreistellungen für die Hausbank versehen. Um insbesondere den mittelständischen Unternehmen noch schneller helfen zu können, wurde dann der KfW-Schnellkredit 2020 (078) aufgelegt, der für zumindest seit dem 01.01.2019 gewerblich tätige Einzelunter-nehmer/gewerbliche Unternehmen und Freiberufler >10 Mitarbeiter unter Verzicht auf die KfW Risikoprüfung Liquidität bis zu 800 T€ mit vollständiger Haftungsfreistellung für die Hausbank bereitstellt. Allerdings dürfen Antragsteller zum 31.12.2019 nicht Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne des EU-Beihilferechts gewesen sein.
Die aktuellsten Informationen/Konditionen und einen kleinen Leitfaden zur Vorbereitung des Kreditantrages bei Banken/Sparkassen finden Sie übrigens immer unter https://www.kfw.de/KfW-Konzern/Newsroom/Aktuelles/KfW-Corona-Hilfe-Unternehmen.html
Und kommt diese Hilfe auch im Mittelstand an? Werden diese Programme von den kleinen und mittleren Unternehmen angenommen?
Nachdem nun auch der KfW-Schnellkredit 2020 beantragt werden kann, hören wir von sehr großem Interesse der Zielgruppen bei den Hausbanken. Allerdings gibt es auch kritische Rückmeldungen dazu, dass dieser Kredit nicht für die große Gruppe von mehr als 3 Mio. Freiberuflern/Unternehmen mit weniger als 11 Mitarbeitern bewilligt werden kann. Hier bleibt nur die Prüfung des Förderangebotes (Zuschüsse oder Soforthilfen) der einzelnen Bundesländer. Dafür gibt es in jedem Bundesland eigene Bewilligungsstellen entweder beim jeweiligen Wirtschaftsministerium oder Landesförderinstitut.
Eine solche Nachfrage zeitnah zu bearbeiten ist ja sicherlich eine große Herausforderung. Wo waren die größten Stolpersteine bisher und wie bewältigen Sie diese?
Die KfW hat in den vergangenen Jahren in erheblichem Umfang in die Modernisierung ihrer IT investiert. So sind wir seit einiger Zeit mit den durchleitenden Banken über eine gemeinsame digitale Plattform verbunden und können dadurch vor allem in den eher standardisierten Programmen Kreditanträge auch in großer Stückzahl verarbeiten. Dies hilft uns jetzt sehr. Allerdings bewegen wir uns in der Corona-Hilfe in Dimensionen, die auch für uns völlig neu sind. Gerade für meine Kolleginnen und Kollegen aus unserer IT bedeutet die möglichst schnelle und zugleich fehlerfreie Umsetzung der notwendigen Programmanpassungen in unseren Systemen eine enorme Herausforderung, denn es muss ja schnell gehen. Auch die Kolleginnen und Kollegen in den Grundsatz- und Kreditabteilungen leisten Enormes.
Neben dem Bund unterstützen auch die Länder in Not geratene Unternehmen. Können Antragsteller solche Programme miteinander kombinieren?
Grundsätzlich ist es möglich, bis zum beihilferechtlichen Höchstbetrag die Finanzierung eines Vorhabens bzw. der gesamten Unternehmung, wie hier im Fall der Corona-Liquiditätslücke, auch durch eine Kombination von verschiedenen Förderprogrammen des Bundes und der Länder sowie durch zusätzliche eigene oder fremde Mittel ohne öffentliche Förderung zu realisieren. In einigen Fällen dürfen Zuschüsse und Kredite aus bestimmten Programmen nicht kombiniert werden. Hier muss vor Antragstellung bei den verantwortlichen Instanzen individuell geprüft werden, ob für den Einzelfall eine Kombination möglich ist. Hierfür stellen wir auf unserer Website unter kfw.de umfassende Informationen bereit.
Ein großer Teil der Unterstützungsmaßnahmen wird über Kredite abgewickelt. Nicht jedes Unternehmen wird jedoch den erlittenen Umsatzrückgang im Laufe des Jahres aufholen können. Wie könnte verhindert werden, dass die Unternehmen später vom Schuldendienst überfordert sind und doch noch Insolvenz anmelden müssen?
Zunächst weise ich noch einmal darauf hin, dass die KfW-Corona Hilfen nur für strukturell gesunde Unternehmen gewährt werden können. Die mit diesen Finanzierungen verbundenen längeren Laufzeiten und vor allem auch die niedrigen Zinsen sollten also helfen, eine unmittelbare Überschuldungssituation zu verhindern.
In jedem Fall stehen vor allem die vielen (kleinen) Dienstleister und Unternehmen/ Händler mit saisonbezogenen Leistungsangeboten vor einer Herkulesaufgabe. Hier könnten nach meiner Auffassung deutlich verstärkte Vertriebsanstrengungen und ein aktualisiertes und ggfs. digitalisiertes Marketingkonzept - am Besten in Verbindung mit einem aktualisierten Geschäftsmodell - helfen. Ich empfehle, bei Bedarf zunächst die in der Regel kostenfreien Informations- und Beratungsangebote der Kammern/ Verbände und natürlich des RKW sowie dann ggfs. von Fachberatern zu nutzen. Wichtig ist, in diesen Zeiten ein möglichst laufend aktualisiertes Liquiditätscontrolling ggfs. zusammen mit dem Steuerberater vorzunehmen. Wenn sich dann weiterer Finanzierungsbedarf ergibt, sprechen die Unternehmer bitte rechtzeitig und offen mit Ihrer Hausbank.
Stellen Sie sich vor, ich wäre Geschäftsführerin eines mittelständischen Automobilzulieferers, der momentan mangels Absatzmöglichkeiten nicht produzieren kann. Die meisten Mitarbeiter sind bereits in Kurzarbeit, aber Miete und andere laufende Kosten fallen jeden Monat an. Was würden Sie mir raten? Wo fange ich am besten an mit der Suche nach Unterstützung zur Überbrückung des drohenden Liquiditätsengpasses?
Bevor Sie auf die Suche nach Finanzierungshilfen gehen, sollten Sie sich einen genauen Überblick über Ihre aktuelle finanzielle Situation verschaffen. Sofern Sie diese Zahlen nicht aus Ihrer Buchhaltung/Controlling ableiten können, sprechen Sie mit Ihrem Steuerberater wegen eines Liquiditätsstatus, abgeleitet aus den ihm vorliegenden Zahlen. Dann erstellen Sie entweder eigenständig oder mit Ihrer Buchhaltung/dem Steuerberater eine Liquiditätsplanung für den Zeitraum bis zum Jahresende, um den Kapitalbedarf zu ermitteln; vorzugsweise in einer pessimis-tischen und einer realistischen Variante. Mit diesem Finanzierungsbedarf recherchieren Sie dann nach den verschiedenen Förderangeboten des Bundes und der Länder und sofern Sie sich für KfW-Corona-Finanzierung entscheiden, gehen Sie für eine Beantragung mit den erforderlichen Unterlagen zu Ihrer Hausbank.
Lieber Herr Gumlich, vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen weiterhin Gesundheit und viel Kraft und Erfolg.
Reinhart Gumlich ist Diplom-Wirtschaftsingenieur mit Industrieerfahrung, Management- und Innovationsberater und derzeit Key Account Manager für Multiplikatoren bei der KfW Bankengruppe in Berlin. Er informiert und berät seit Jahren Verbände, Kammern und Berater/Experten zu den Förder- und Finanzierungsangeboten der KfW Bankengruppe für den Mittelstand.