Über Geschäftsmodellinnovationen, mit denen Unternehmen Corona trotzen, haben wir vor einigen Wochen schon berichtet: Seien es kreative Lösungen zur Umstellung auf alternative Produkte, der Aufbau neuer Vertriebswege oder wie analoge Produkte digital übersetzt werden. In der "Königsklasse" der Geschäftsmodellinnovationen haben wir im Mittelstand allerdings bislang wenig Bewegung wahrgenommen: Wie kann man den klassischen Tausch zwischen Produkt oder Dienstleistung und Geld anders denken?

Dabei wird derzeit in vielen kleinen und mittleren Unternehmen auch mit veränderten Erlösmodellen oder -mechaniken experimentiert:

  • Beim Hamburger Schmidt Theater bleiben die Tore derzeit für Zuschauer geschlossen. Die abendlichen Shows gehen allerdings weiter und werden live ins Netz gestreamt. Sie sind kostenfrei. Allerdings können die Zuschauer online Gutscheine vom Schmidt Theater erwerben und diese nach der Öffnung die vorab gezahlte Leistung in Anspruch nehmen. Ein Angebot, das uns auch immer mehr Hotels und Restaurants begegnet und heute für zusätzliche Liquidität sorgen kann – allerdings auf Kosten künftiger Liquidität.
  • Fehlende Erntehelfer waren zuletzt ein großes mediales Thema. Der Hof Schulze Blasum hat darauf seine ganz eigene Antwort gefunden: Er vermietet seine Spargelfelder derzeit meterweise zum selber ernten. Der Betrieb ist auf diese Weise von der schwierig zu organisierenden Ernte entlastet und kann trotzdem Umsatz generieren statt Werte zu vernichten.

Redaktionsintern haben wir lebhaft darüber diskutiert, wie innovativ diese Lösungen tatsächlich sind. Dann sind wir vor einer Woche auf ein wirklich ungewöhnliches Erlösmodell gestoßen und es zum Anlass genommen, um uns intensiver mit dem Thema zu befassen.  Besonders spannend an dem "ungewöhnlichen Erlösmodell": Ausgerechnet in Wien, wo das Kaffeehaus das verlängerte Wohnzimmer ist und Zeit eigentlich keine Rolle spielen darf, wird genau diese Grundannahme in Frage gestellt - dank Corona.

Das Café Vollpension in Wien ist als Sozialunternehmen anders als andere Wiener Kaffeehäuser: Ein Generationenprojekt, das einen Platz für viele verschiedene Menschen schafft, die sich gemeinsam wohlfühlen dürfen und von "älteren Semestern", die ca. 50 Prozent des generationendiversen Teams stellen, bekocht und bedient werden. Seit 2011 immer wieder als Pop-up in Wien mit Erfolg getestet und schließlich 2015 mit einem festen Standort gegründet, wurde bereits 2019 "Omas öffentliches Wohnzimmer" an einem zweiten Standort eröffnet.


Aber dann kam Corona und so wie alle Restaurants musste der Betrieb wochenlag geschlossen bleiben. Und auch die Wiedereröffnung war problematisch: Wegen des vorgeschriebenen Mindestabstands können nur die Hälfte der Sitzplätze besetzt werden, und das bei gleichbleibenden Kosten, denn Löhne und Gehälter, Abgaben an den Staat, Wareneinsatz, Fixkosten, Reinigung, Kreditrückzahlungen müssen weiterhin bezahlt werden. Um die Kosten zu decken, ist eine Auslastung der derzeit erlaubten Sitzplätze von 50 Prozent nötig.

Um diese notwendige Auslastung zu bewerkstelligen und den allerorts ausbleibenden Gästen einen zusätzlichen Anreiz zum Ausgehen zu verschaffen, wurde der Gründer und Co-Geschäftsführer Moriz Piffl kreativ. Künftig zahlen die Gäste in "Omas öffentlichen Wohnzimmer" nach verbrachter Zeit und nicht nach Konsum: Für 9,90 Euro pro Stunde gibt es ein Stück Kuchen sowie Kaffee, Tee und Hauslimo bis zum Abwinken.

Das Stundenmodell der Halbpension läuft zur Zeit in einem Beta-Test, danach wird entschieden, ob die Innovation Früchte trägt.

RKW-Angebote, die Sie bei der Entwicklung Ihres Geschäftsmodells unterstützen können

Mit unserem Starter-Set "Geschäftsmodellentwicklung in der Digitalisierung für kleine und mittlere Unternehmen" haben wir Formate entwickelt, mit denen Sie sowohl alleine als auch mit anderen auf die Suche nach neuen Ideen gehen und an Ihrem Geschäftsmodell von morgen feilen können. Das Starter-Set für kleine und mittlere Unternehmen enthält:

  • eine Inspirationsbox (damit Sie sich von guten Digitalisierungsbeispielen inspirieren lassen können)
  • ein Geschäftsideentagebuch (damit Sie an Ihrem Geschäft tüfteln und Ihrer Kreativität und Innovationskraft Raum geben können) und
  • den Leitfaden "Ideen sind ein guter Anfang" (damit Sie Ihr Geschäftsmodell in einem ganzheitlichen und pragmatischen Strategieprozess weiter entwickeln können)

Zudem bieten wir aktuell regelmäßig "Online-Erfahrungstausch"-Workshops an. Herzstück unserer neuen Online-Veranstaltung ist die "Kollegiale Fallberatung". Anders als bei anderen Online-Angeboten ermöglicht die "Kollegiale Fallberatung" die sofortige gegenseitige Unterstützung und Beratung im Rahmen unserer Moderation. In einem geschützten Raum mit maximal sechs Teilnehmenden und den RKW Moderatoren tauschen sich Geschäftsführende und Führungskräfte dafür zur aktuellen Situation in Ihren Unternehmen und Ihren derzeitigen Fragestellungen aus.

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