Wenngleich der Klimawandel aktuell durch akutere Krisen wieder einmal in den Hintergrund zu treten droht, so wird er doch künftig auch jenseits von Pandemien und Kriegen eine der zentralen Herausforderungen der Menschheit darstellen. Um diese zu meistern, ist „Nachhaltigkeit“ das Gebot der Stunde.
Im Unterschied zu schon länger etablierten Konzepten wie beispielsweise „Umweltschutz“ erkennt „Nachhaltigkeit“ dabei viel stärker an, dass auch Menschen und ihre Aktivitäten Teil der natürlichen Umwelt sind. Es geht also weniger darum, bestimmte Bereiche vor menschlichen Eingriffen zu schützen, sondern um einen Umgang, der idealerweise langfristig keine negativen Auswirkungen hat oder in einem nur so geringen Maße, dass diese durch vertretbare Ausgleichsmaßnahmen nivelliert werden können. Umfassende Konzepte von Nachhaltigkeit betrachten dabei nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale und eine ökonomische Dimension.
Daten, Zusammenhänge und Feedback
Zur Verwirklichung der Ideale von Nachhaltigkeit im Wirtschaften kann Digitalisierung nennenswerte Beiträge leisten, von denen hier drei wesentliche kurz skizziert werden sollen:
Erstens ermöglicht Digitalisierung die Erfassung und Speicherung großer Mengen von Daten. Viele der in einem hoch arbeitsteiligen Wirtschaftssystem vorherrschenden Komplexitäten können erst damit überhaupt dargestellt werden. Dies betrifft sowohl die vielen Bestimmungsfaktoren der Herstellung eines qualitativ hochwertigen Produkts im Sinne einer bestmöglichen betriebswirtschaftlichen Effizienz als auch die Betrachtung globaler Lieferketten, Arbeitsmarkttendenzen oder Finanzierungsströmen unter eher volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten.
Zweitens liefert die fortschreitende Digitalisierung immer mehr Möglichkeiten, diese Unmengen von Daten überhaupt sinnvoll auszuwerten und anschließend die entsprechenden Systeme durch Anpassungsvorschläge zu optimieren. Der Vielzahl teilweise konkurrierender Ziele, wie sie allein schon durch die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit zum Ausdruck kommen, ist ohne die Zuhilfenahme digitaler Werkzeuge kaum noch gerecht zu werden. Fortgeschrittene Technologien und Systemarchitekturen erlauben dabei ein Monitoring und eine Steuerung zunehmend auch in Echtzeit.
Drittens bietet Digitalisierung große Flexibilität in der grafisch-visuellen Darstellung komplexer Zusammenhänge und ermöglicht umfassendes Feedback zum Handeln des Einzelnen. Da der Blick auf die „globalen“ Auswirkungen des eigenen „lokalen“ Handelns leicht verloren geht, ist dies eine nicht zu unterschätzende Leistung.
Die andere Seite der Medaille
Bei all den Potenzialen, die sie für die Steigerung der Nachhaltigkeit bietet, kann man mit Blick auf die Digitalisierung selbst allerdings auch durchaus kritisch sein. Zum einen werden für die Digitalisierung inzwischen nicht unerhebliche Mengen von Rohstoffen und Energie aufgewendet.
Erstere in Form von seltenen Erden zur Herstellung elektronischer Bauteile, Letztere vor allem in Form von elektrischem Strom, beispielsweise zum Betrieb von Rechenzentren oder zum Krypto-Mining. Zum anderen erzeugen digitale Anwendungen eine immense Fülle von Daten, bei denen es immer schwieriger wird, objektiv auszuwählen, welche tatsächlich benötigt werden und welche redundant sind. Ganz zu schweigen von Fragen der Wahrung von Persönlichkeits- und Verfügungsrechten, etwa bei Online-Profilen von Verstorbenen. Außerdem sind auch Methoden und Software im digitalen Bereich immer noch einer hohen Dynamik unterworfen. Dies erzeugt mittelfristig Kompatibilitätsprobleme und wirft langfristig die Frage auf, wie „nachhaltig“ einzelne Elemente digitaler Technologien überhaupt sein können, wenn sie einem hohen Veränderungsdruck ausgesetzt sind. Ein schönes Beispiel ist in dem Zusammenhang die CD-ROM, der mit der „Blue-Ray“ zwar noch einmal kurzfristig neues Leben eingehaucht wurde, die als Speichermedium aber schon wieder ausgedient hat, kaum, dass sie sich richtig durchgesetzt hatte. Ironischerweise wird sie im Musik-Bereich möglicherweise von der Schallplatte überlebt, deren mechanisches Speicherungsprinzip mindestens zwei Technologiegenerationen älter ist.
Letztlich kann noch gefragt werden, wozu Digitalisierung aktuell eigentlich eingesetzt wird. Beispielsweise ermittelte Statista schon vor einiger Zeit bereits für das Jahr 2017 Datenflüsse bei Konsumenten von 56 Exabyte pro Monat allein für Video-Anwendungen. Diese waren zum damaligen Zeitpunkt für circa 58 Prozent des gesamten Datenflusses in dem Bereich verantwortlich. Zum überwiegenden Teil wird das Internet als eine der zentralsten Institutionen der Digitalisierung also zu eher profanen Zwecken und nicht notwendigerweise mit Blick auf die Erhöhung gesamtwirtschaftlicher Produktivität genutzt. Im Fazit bleibt deshalb festzuhalten, dass Digitalisierung einerseits zwar großes Potenzial zur Steigerung der Nachhaltigkeit hat, andererseits muss man jedoch aufpassen, dass man „das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet“.
Dieser Artikel wurde zuerst in einem RKW Magazin mit dem Schwerpunkt: Nachhaltigkeit veröffentlicht. Dort haben Sie auch die Möglichkeit unser Magazin zu abonnieren. Alle Magazine finden Sie unter: https://www.rkw-kompetenzzentrum.de/das-rkw/rkw-magazin/
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